Niedersächsischer Verfassungsschutzbericht 2005
Schünemann: Rechtsextremistische Konzerte konsequent verhindert
HANNOVER. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann hat das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen rechtsextremistische Konzerte gelobt. Schünemann sagte am Mittwoch in Hannover bei der Vorlage des Verfassungschutzberichtes 2005, die Durchführung strafbarer Konzerte sei im vergangenen Jahr so weit wie möglich verhindert worden. So hätten in Niedersachsen lediglich fünf rechtsextremistische Konzerte stattgefunden (2004: 7). Auf Bundesebene sei dagegen im gleichen Zeitraum ein deutlicher Anstieg um 58 auf 195 zu verzeichnen. "Die Aufmerksamkeit des Verfassungsschutzes gilt ganz besonders der Entwicklung der rechten Musikszene. Jugendliche kommen über die volksverhetzenden, rassistischen und menschenverachtenden Texte der Skinhead-Musik häufig erstmals mit der rechtsextremistischen Ideologie in Kontakt", so der Innenminister.
Leichter Rückgang der gewaltbereiten Rechtsextremisten
Die Beobachtung des Rechtsextremismus war laut Innenminister auch im vergangenen Jahr ein Arbeitsschwerpunkt der Sicherheitsbehörden. Hier sei in Niedersachsen gegen den Bundestrend erneut ein leichter Rückgang des gewaltbereiten Personenpotenzials von 980 auf 930 festgestellt worden, sagte Schünemann. In Niedersachsen seien unverändert etwa 20 neonazistische Kameradschaften aktiv. Dabei habe die Anzahl von Neonazis mit 365 Personen erfreulicherweise stagniert. Auf Bundesebene sei dagegen ein deutlicher Anstieg des neonazistischen Potenzials zu verzeichnen. Ansätze von Rechtsextremisten um den Neonazi Rieger, den Heisenhof in Dörverden als Tagungsstätte zu entwickeln, hätten die kommunalen Behörden und die Landesbehörden im vergangenen Jahr erfolgreich unterbunden, so der Innenminister.
Niedersachsen kein Schwerpunktland extremistischer Aktivitäten von Ausländern
Nach Angaben des Innenministers bleibt die Beobachtung islamistisch-extremistischer Gruppierungen weiterhin eine zentrale Aufgabe des Verfassungsschutzes. Niedersachsen sei jedoch kein Schwerpunktland des islamistischen Extremismus oder gar Terrorismus. Im Bereich des militanten Islamismus bereite den Sicherheitsbehörden die mediale Propaganda islamistischer Ideologie zunehmend Sorge. Über das Internet und zahlreiche islamische Fernsehsender, die über Satellit in ganz Europa zu empfangen sind, verbreiteten radikalislamische Gruppierungen Weltanschauungen, die in Widerspruch zu den Grundsätzen eines friedlichen Zusammenlebens stehen, sagte Schünemann. Zunehmend biete das Internet ein Forum für Gewaltaufrufe. Durch solche Internetseiten und Internet-Fernsehsender würde das Entstehen einheimischer terroristischer Netzwerke befördert. "Um diesen Gefahren des Internets entgegenzuwirken, wird noch in diesem Jahr im Landeskriminalamt Niedersachsen eine Einheit zur anlassungsunabhängigen Recherche im Internet eingerichtet. Der militante Islamismus wird neben der Verfolgung kinderpornografischer Inhalte einen Arbeitsschwerpunkt dieser Einheit darstellen", sagte der Innenminister. Derzeit werde geprüft, ob nicht nur das Einstellen, sondern auch das Herunterladen entsprechender Internetinhalte unter Strafe gestellt werden könne, so Schünemann. "Erforderlichenfalls werde ich auch eine Gesetzesänderung initiieren, um Gruppierungen des islamistischen Terrorismus nicht das Medium Internet für ihre kriminellen Indoktrinationen zu überlassen."
Bekämpfung der Gewaltbereitschaft von Autonomen und militanter Linksextremisten
Bedrohlichste Erscheinungsform des Linksextremismus ist nach Angaben des Innenministers nach wie vor das Spektrum der so genannten Autonomen und sonstigen gewaltbereiten Linksextremisten. Bundesweit gebe es ein Anhängerpotenzial von 5.500, in Niedersachsen von 710 Personen. "Trotz einer seit einigen Jahren zu beobachtenden Mobilisierungsschwäche nutzen Autonome häufig Demonstrationen, um in massiver Weise gewalttätig aufzutreten - etwa bei Gegendemonstrationen zu rechtsextremistischen Veranstaltungen", sagte Schünemann. Die noch in den vergangenen Jahren dominierenden Themen Anti-Globalisierung und Anti-Castor stellen keinen Schwerpunkt mehr dar.
Politisch motivierte Kriminalität: Jede zweite Straftat aufgeklärt
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Innenministers insgesamt 2.618 Politisch motivierte Straftaten erfasst (2004: 2.683). Entgegen eines Anstiegs auf Bundesebene von fast 25 Prozent, sei in Niedersachsen eine leichte Abnahme der Staatsschutzkriminalität von etwa 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen, sagte Schünemann. Die Anzahl der politisch motivierten Gewaltdelikte sei trotz dieses Rückganges allerdings um 90 Delikte auf insgesamt 384 Delikte angestiegen (30,6 Prozent). Der größte Anteil entfalle hierbei unverändert auf den Bereich der Politisch motivierten Kriminalität - links mit knapp 61 Prozent (234). Etwa 35 Prozent der Gewaltdelikte seien rechtsmotiviert (133), so der Innenminister. Von den registrierten politisch motivierten Straftaten wurden 79 Prozent als extremistisch eingestuft (2.069). Die Gesamtaufklärungsquote lag bei 50,2 Prozent, d. h. jede zweite Straftat wurde durch den Polizeilichen Staatsschutz aufgeklärt.
Leichter Anstieg rechtsmotivierter Straftaten
Im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität - rechts sei das Straftatenaufkommen insgesamt um 117 Delikte auf 1.574 Straftaten (8 Prozent) angestiegen, sagte Schünemann. Dabei seien sowohl die Propagandadelikte als auch die der Gewaltdelikte gestiegen, sagte Schünemann. Mit 982 Propagandadelikten sei eine Steigerung im Vergleich zum Vorjahr um 153 Taten (19 Prozent) zu verzeichnen (2004: 829). Diese Steigerung lasse sich auf das weiterhin zunehmende Anzeigeverhalten der Bevölkerung zurückführen. Bei den insgesamt 133 festgestellten rechtsmotivierten Gewaltdelikten handele es sich überwiegend um einfache Körperverletzungen (41) und gefährliche Körperverletzungen (69), die in größerer Anzahl auf öffentlichen Straßen (42 Fälle) begangen worden sein. 49 Prozent der Gewaltdelikte im Bereich PMKrechts wurden durch einen Einzeltäter begangen, so der Innenminister.
Anstieg bei linksmotivierten Straftaten
Im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität - links hätten die Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um ca. 16 Prozent zugenommen, so Schünemann. Die Gesamtzahl betrug 766 Fälle (2004: 658). Die linksmotivierten Gewaltdelikte seien um ca. 54 Prozent gestiegen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um Körperverletzungsdelikte (85), Landfriedensbruch (69), Gefährliche Eingriffe in den Bahn- und Straßenverkehr (37) sowie um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (31). Mehr als zwei Drittel der Gewaltdelikte (68 Prozent) seien bei Demonstrationen begangen worden. "Die Zahl der durch Straftaten verletzten Polizeibeamten verfünffachte sich fast und stieg im Vergleich zum Vorjahr auf 29 an (2004: 6)," kritisierte der Innenminister. Die Anzahl der Gewaltdelikte mit unmittelbarem Castor-Bezug sei mit 68 Delikten ansonsten auf dem Niveau des Vorjahres (2004:69) geblieben.
Deutlicher Rückgang politisch motivierter Ausländerkriminalität
Das Gesamtstraftatenaufkommen im Bereich der politisch motivierten Ausländerkriminalität im Jahr 2005 um etwa 55 Prozent zurückgegangen (von 123 auf 55 Delikte), die Gewaltdelikte sogar um ca. 73 Prozent (von 15 auf 4 Delikte), sagte Schünemann. Hier seien besonders die Körperverletzungsdelikte zu nennen. Während im Jahr 2004 insgesamt 13 Delikte zu verzeichnen waren, gab es 2005 nur zwei Anzeigen, sagte Innenminister Uwe Schünemann.
Artikel-Informationen
erstellt am:
27.04.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010