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Statement von Innenminister Uwe Schünemann

Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik in Niedersachsen für das Jahr 2005


• Umorganisation erfolgreich - höchste Aufklärungsquote in der Geschichte Niedersachsens

• leichter Anstieg der Straftaten insgesamt

• weiterhin Rückgang der Diebstahlskriminalität

Ich möchte heute die Gelegenheit wahrnehmen, ihnen die erfolgreiche Arbeit der niedersächsischen Polizei und die wesentlichen Kriminalitätsentwicklungen des Jahres 2005 für Niedersachsen vorzustellen. Lassen Sie mich einige erläuternde Ausführungen voranschicken:

Mit dem bemerkenswerten Ergebnis - nämlich der höchsten Aufklärungsquote in der Geschichte Niedersachsens mit 55,72 % wird nicht nur die hohe Motivation unserer Polizeibeamtinnen und -beamten - für die ich ausdrücklich danke - deutlich, sondern auch die äußerst positiven Ergebnisse unserer Polizeireform. Es ist uns offensichtlich gelungen, eine Organisation zu schaffen, die sich insgesamt günstig auf die polizeiliche Arbeit auswirkt.

Das ist durchaus nicht selbstverständlich – ein Blick in die Vergangenheit belegt, dass die Polizeireform der Vorgängerregierung in den Jahren 1994/1995 genau gegenteilige Effekte hatte: Hier sank die Aufklärungsquote 1994 im Vergleich zum Vorjahr von 46,66 % auf 43,49 % bzw. 44,50 % im Jahr 1995.

Sie sehen, dass mit einer durchdachten Polizeireform und den vielfältigen Bemühungen, die Arbeit der Polizei effektiver und offensiver zu gestalten, Einiges machbar ist. Ich erinnere an die mit unserer Polizeireform verbunden Ziele, z.B. eine landesweite qualifizierte Tatortaufnahme, eine zentralisierte Bearbeitung bestimmter Delikte und einer kriminalstrategischen Schwerpunktsetzung - exemplarisch im Bereich Wirtschaftskriminalität und bei der Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet.

Das alles führt natürlich auch zur Aufhellung des Dunkelfeldes – und so ist auch ein ganz wesentlicher Teil des leichten Zuwachses an Straftaten im Jahr 2005 von rund 2,44% zu erklären – es handelt sich hier nämlich im Wesentlichen um Straftaten, die den sog. Kontrolldelikten zugerechnet werden. Diese werden erst durch Anstrengungen der Polizei überhaupt bekannt. Ich danke in diesem Zusammenhang auch ganz besonderes unseren Bürgerinnen und Bürgern, die offensichtlich immer öfter bereit sind, Straftaten anzuzeigen und sich – notwendigerweise - der Polizei als Zeugen zur Verfügung stellen. Ohne dieses "bürgerliche Engagement" wären die guten Ergebnisse der Polizei nicht erzielt worden. Ich werde hierzu noch etwas im Zusammenhang mit der Vorstellung einiger Deliktsbereiche sagen können.

Hinweisen möchte ich noch auf den Umstand, dass die statistischen Zahlen seit dem 01. September 2005 aus unserem neuen Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS generiert werden. Damit ist auch eine deutlich bessere Kontrolle der Datenqualität verbunden, zum Beispiel durch die stärker automatisierte Überwachung der statistischen Zählregeln. Auch dies dient natürlich dem Zweck, das Lagebild in seiner Aussagekraft weiter zu verbessern. Ob und ggf. in welchem Umfang diese Systemumstellung auch zu geringfügigen statistischen Veränderungen geführt hat, kann heute noch nicht abschließend bewertet werden. Die Evaluation zu dieser Frage dauert noch an.

Bevor ich jedoch auf einzelne Straftatengruppen eingehe, komme ich zunächst auf die Eckdaten zu sprechen: Im vergangenen Jahr ist das Straftatenaufkommen in Niedersachsen mit rund 600.000 Fällen (601.557) leicht gestiegen und zwar um etwas mehr als 14.000 Fälle (+ 2,44% / 14.305 Fälle).

Die Polizei unseres Landes hat im vergangenen Jahr über 335.000 Straftaten (335.197) aufgeklärt und rund 237.000 Tatverdächtige (236.712) ermittelt. Die Aufklärungsquote konnte nochmals um 1,81 % auf den bisher höchsten Wert von 55,72 % gesteigert werden (2004: 53,91 %). Dies ist bei vergleichbarer Anzahl der Straftaten im Jahre 1995 (598.573 / -2984 Fälle) eine Steigerung der Aufklärungsquote um 11,22 %.

Im Bereich der Straftaten gegen das Leben sind im vergangenen Jahr 463 Fälle – und damit 86 Fälle mehr als im Jahr 2004 bekannt geworden. Davon sind fast die Hälfte (45,57 %) versuchte Taten. Die Aufklärungsquote ist in diesem Bereich mit knapp 92 % (91,79%) erwartungsgemäß hoch. Bei der überwiegenden Anzahl dieser Taten handelt es sich um Beziehungstaten. Der völlig unbekannte Täter aus dem Dunkeln ist und bleibt die Ausnahme. Es gilt auch in diesem Jahr die Aussage, dass wir in Niedersachsen nahezu jeden Täter einer solchen Tat ermitteln.

Der Anteil des Diebstahls an der Gesamtkriminalität beträgt jetzt knapp 45 % (44,87%) und ist mit rund 270.000 Fällen (269.936) nochmals um etwa 10.500 Fälle (10.504 Fälle / - 3,84 %) zurückgegangen. Damit setzt sich der seit 2002 erkennbare Rückgang der Fallzahlen fort. Neben deutlich weniger Ladendiebstählen (-4.951 Fälle /-11,26%), sind gerade beim Diebstahl unter erschwerenden Umständen weniger Fälle registriert worden.

Bei dem Diebstahl in / aus Kraftfahrzeugen verzeichnen wir einen Rückgang um rund 2.000 Fälle (2.064 Fälle bzw. -5,37%) auf ca. 36.000 Fälle (36.347). Gezielte Hinweise, keine Wertgegenstände (sichtbar) in Kraftfahrzeugen zurück zu lassen und ähnliche Aufklärungsaktionen - zum Teil bundesweit abgestimmt - dürften ursächlich für eine weitere Sensibilisierung der Bevölkerung und damit einhergehenden verbesserten technischen Sicherungsmaßnahmen gegen Diebstahl sein.

Einen weiteren Rückgang der Fallzahlen um rund 700 Fälle (683 Fälle bzw. -13,68 %) auf 4.311 Fälle ist auch beim Diebstahl von Kraftwagen festzustellen. Damit setzt sich auch hier der Rückgang der Fallzahlen, den wir seit 1996 beobachten können, erfreulicherweise fort. Auch hier greift neben technischen Hürden der zunehmende Kontroll- und Fahndungsdruck durch die niedersächsische Polizei.

Bei Diebstahl aus Wohnungen können wir einen erneuten Rückgang der Fallzahlen um 911 Fälle (-5,27%) und wiederum eine sehr erfreulich gestiegene Aufklärungsquote von rund 34 % (34,65%) im Jahre 2004 auf nunmehr fast 37 % (36,93%) verzeichnen. Insgesamt ist über die letzten zehn Jahre eine rückläufige Tendenz bei der Anzahl der Fälle zu verzeichnen. Im selben Zeitraum ist auch die Aufklärungsquote nahezu kontinuierlich gestiegen.

Grade die Wohnungseinbrüche stellen neben dem finanziellen Schaden eine starke emotionale Belastung für die Geschädigten dar. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auch hier mit der Umorganisation der Polizei das Fundament für eine zunehmend erfolgreiche Polizeiarbeit gelegt haben: Die qualifizierte Tatortarbeit und das verbesserte Zusammenwirken von Ermittlungs- und Streifendienstkräften wirkt sich hier aus.

Ein erneuter Anstieg um 11,10 % auf jetzt über 5.700 Fälle (5.745) bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung macht mich nachdenklich – bestärkt mich aber auch in der konsequenten Umsetzung eingeleiteter Maßnahmen. Die höheren Fallzahlen sind auf Vergewaltigung / schwere sexuelle Nötigung, dem sexuellen Missbrauch von Kindern und dem Besitz bzw. Verbreiten pornographischer Erzeugnisse zurückzuführen. Allerdings ist mit einer Aufklärungsquote von 84,68 % im 10-Jahresvergleich ein Spitzenwert erreicht.

Allein bei der Verbreitung von Kinderpornografie sind die Fallzahlen von 243 Fälle auf jetzt 423 Fälle bzw. um 74,07% angestiegen. Die Aufklärungsquote liegt bei 83,92%. Während beim Besitz solcher Erzeugnisse die Fallzahlen geringfügig zurückgegangen sind (von 480 auf 463 Fälle) liegt die Aufklärungsquote hier bei 93,74%. Eine immer bedeutendere Rolle nimmt dabei das Internet ein. Das Problem der Kinderpornografie im Internet ist - und das zeigen auch Ermittlungserfolge in jüngster Zeit - aktuell wie nie zuvor. Daher wird Niedersachsen die Bekämpfung der Kriminalität im Internet weiter intensiviert: Wir haben hierzu umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, die nachhaltig dazu beitragen sollen, diese abscheulichen Straftaten repressiv wie präventiv zu bekämpfen.

Im Landeskriminalamt Niedersachsen wird dazu noch in diesem Jahr eine Einheit für anlassunabhängige Recherchen im Internet eingerichtet, die den Fahndungsdruck in den Datennetzen spürbar verstärken wird. Ergänzend werden die Kompetenzen in der polizeilichen Bearbeitung von Kriminalität "rund um die Informations- und Kommunikationstechnik", gestärkt, indem Aus- und Fortbildungsmaßnahmen intensiviert und ausgeweitet werden. Bereits jetzt besteht durch die Anschaffung eines speziellen Datenverarbeitungssystems die Möglichkeit, sichergestellte Bilddatenträger inhaltlich effektiver auszuwerten.

In über 1.500 Fällen (1.556) ist es zum sexuellen Missbrauch von Kindern gekommen. Die Zunahme um 167 Fälle (+12,02 %) bedeutet, dass sich die Täter nach wie vor an den schwächsten Mitgliedern unserer Gesellschaft, den Kindern, vergreifen. Allerdings wird auch deutlich, dass durch die gestiegene Sensibilisierung der Bevölkerung immer mehr Fälle zur Anzeige gebracht und aus dem Dunkelfeld hervorgeholt werden. Positiv ist hier die Rekord-Aufklärungsquote zu vermelden, die mit 89,14% fast 3 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert liegt.

Nach wie vor ist der Trend ungebrochen, Konflikte gewalttätig zu lösen. Deutlich wird das erneut bei den Körperverletzungsdelikten. Die Fallzahlen haben sich nach kontinuierlichem Anstieg in der Vergangenheit gegenüber dem Vorjahr erneut um etwa 9,5% (9,48 %) von knapp 43.500 Fällen (43.440) auf über 47.000 Fälle (47.560) erhöht. Seit Jahren können wir für diesen Bereich eine Aufklärungsquote von über 90 % registrieren, so auch für 2005 (90,56 %).

Eine weiterhin steigende Anzeigenbereitschaft deutet darauf hin, dass die vielschichtigen Bemühungen der Vergangenheit dazu beigetragen haben, die Toleranzgrenzen für Gewaltanwendung innerhalb der Gesellschaft entsprechend zu senken; einhergehend mit einem spürbar verbesserten Opferschutz. So konnten wir im Bereich der Häuslichen Gewalt immerhin 6100 Fälle registrieren; das sind zwar 800 Fälle weniger als im Vorjahr, zeigt aber das weiterhin vorhandene Konfliktpotential in häuslichen Krisensituationen. Die Polizei kann bei festgestellter Gefahr gewalttätige Täter zeitlich begrenzt aus der gemeinsam genutzten Wohnung verweisen. Das Gewaltschutzgesetz bietet darüber hinaus den Opfern die Möglichkeit, sich durch gerichtliche Ausweisung des Täters aus der Wohnung effektiver vor Gewalt zu schützen. Mit dieser Perspektive und den begleitenden Maßnahmen eines pro-aktiven Beratungsangebotes bin ich überzeugt, dass Häusliche Gewalt nicht mehr als Privatsache verharmlost, sondern als gesellschaftliches Problem wahrgenommen wird. Das gilt auch für das Phänomen "Stalking", das sich häufig nicht anders darstellt als eine perfide Form von "Psychoterror" – bis hin zur massivsten Form der Gewalteskalation, dem Tötungsdelikt. Ich unterstütze auch die derzeitigen Initiativen auf Bundesebene zur Schaffung eines eigenen Straftatbestandes.

Eine wachsende Bedeutung erhält auch der Bereich der Straftaten gegen die persönliche Freiheit, hier insbesondere der Bedrohungen. Fast 8.800 erfasste Fälle (8.789) bedeuten eine Steigerung um 727 Fälle (9,02%). Zur Übermittlung der Bedrohungshandlungen wird von den Tätern vermehrt das Medium SMS genutzt. Offenkundig ist es leichter, Drohungen verhältnismäßig anonym als im direkten Kontakt zu äußern. Die Aufklärungsquote beträgt 92,82 %.

Für das vergangene Jahr müssen wir einen Anstieg der Fallzahlen bei den Vermögens- und Fälschungsdelikten auf den Höchstwert von fast 113.000 Fällen (112.747) konstatieren. Das ist erneut eine Steigerung von beinahe 10 %. Etwa 80 % davon betreffen den Betrugsbereich, hier vornehmlich den Warenbetrug und den Warenkreditbetrug, die für die Steigerungsraten hauptursächlich sind. Allein in diesen Fällen ergibt sich eine Steigerung um fast 5.500 Fälle (5.443) auf jetzt über 28.000 Fälle (28.376 Fälle bzw. +23,73 %).

Immer häufiger liegt der "Tatort" in diesem Bereich im "WorldWideWeb". Neben dem weit verbreiteten Online-Handel (z. B. "ebay") zeigen sich in hoher Geschwindigkeit immer neue Phänomene, wie zum Beispiel das so genannte Phishing, bei dem das Versenden von offiziell wirkenden E-Mails - letztlich aber in betrügerischer Absicht - dazu verleiten soll, Pass- und Kennwörter preiszugeben. Hier wird deutlich, dass wir auch in der Welt der Datennetze polizeilich so präsent sein müssen wie in der realen Welt. Auch in diesem Bereich wird die bereits eben genannte Einheit des LKA für anlassunabhängige Recherchen im Internet zukünftig die Ermittlungen intensivieren.

Bei den Betrugsdelikten durch rechtswidrig erlangte unbare Zahlungsmittel sind im vergangenen Jahr knapp 8.000 Fälle (7.852) bekannt geworden. Das entspricht einem deutlichen Rückgang um rund 3.600 Fälle (3.599 Fälle bzw. 31,43 %). Dabei entfallen rund zwei Drittel des Rückgangs auf Betrugshandlungen im Lastschriftverfahren ohne Einsatz der PIN. Hier sehe ich Erfolg versprechende repressive wie präventive Ansätze, um diesen rückläufigen Trend fortzusetzen.

Im Vergleich zum Vorjahr sind die Fallzahlen im Bereich der Wirtschaftskriminalität von fast 5.500 Fällen (5.495) im Jahr 2004 auf jetzt deutlich über 10.000 Fälle (10.205) angestiegen. Hier spielte ein bei der Polizei Oldenburg wegen Beteiligungsbetruges durchgeführte Großverfahren mit rund 3.000 Fällen eine bedeutende Rolle.

Hierbei hatten vier Beschuldigte bundesweit über das Internet einen Dienstleistungs- und Nutzungsvertrag mit Umsatzbeteiligung angeboten. Die Motivation zum Abschluss von entsprechenden Verträgen lag bei den Kunden eindeutig in den versprochenen fortlaufenden Umsatzbeteiligungen, die sich nach 8 Monaten auf mind. 1800,- Euro belaufen sollten. Die "Umatzbeteiligung" wurde allerdings tatsächlich nicht ausgezahlt. Allein bei dieser "Masche" entstand den Geschädigten ein Schaden von rund 2,5 Mill. €.

Für die über den Beteiligungsbetrug hinausgehenden Steigerungen sind weitere Delikte, die der Wirtschaftskriminalität zugerechnet werden, mitursächlich. Hierzu zählen Insolvenzstraftaten, solche im Anlage- und Finanzierungsbereich, Wettbewerbsdelikte, Straftaten im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen und Untreue im Zusammenhang mit Beteiligungen und Kapitalanlagen.

Mit der "Landesrahmenkonzeption zur Intensivierung der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität" wollen wir hier einen eindeutigen Schwerpunkt setzen.

Wir sind davon überzeugt, dass besonders durch den Einsatz qualifizierter Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter, einer größtmöglichen Personalkontinuität in diesen Fachdienststellen und den verstärkten Einsatz von Buchprüferinnen und Buchprüfern ein wirkungsvolles Instrument zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität geschaffen wird.

Ein besonderes Augenmerk muss ich leider auf die zunehmenden Übergriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte richten. Im vergangenen Jahr sind 2.197 Fälle des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zur Anzeige gebracht worden, was einer Steigerung von 16,61 % (313 Fälle) entspricht. Diese Entwicklung macht deutlich, welchem Aggressionspotential die Polizeibeamtinnen und -beamten unseres Landes im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung mittlerweile ausgesetzt sind. Ich betrachte diese Entwicklung mit Sorge.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
29.03.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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