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Abschleppzentrale des Verkehrsservice Niedersachsen

Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Biallas (CDU); Es gilt das gesprochene Wort!


Der Abgeordnete hatte gefragt:

Nach einem neuen Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport sind Bergungs- und Abschleppunternehmen nicht mehr unmittelbar durch die Polizei zu kontaktieren, sondern entsprechende Bedarfe an einen zentralen Auftragsdienst in Thüringen zu richten, der die Aufträge an die Firmen vergibt. Heimische Abschleppbetriebe beklagen sich, dass sie seit Herausgabe des Erlasses weniger Aufträge bekämen. Bevorzugt würden Firmen, die Verträge mit Automobilclubs hätten. Zudem seien Fälle bekannt, wonach nicht die nächstgelegene Firma angerufen wurde, was zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Räumung einer Unfallstelle geführt habe.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welchen Hintergrund hat der Erlass des Ministeriums?
  2. Wie wird sichergestellt, dass nicht bestimmte Firmen bevorzugt werden?
  3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Folgen des Erlasses?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Nach Verkehrsunfällen und anderen Schadensereignissen im Straßenverkehr ergibt sich in vielen Fällen der Bedarf, die Unfall- oder Schadensstellen durch Abschlepp- und Bergungsdienste räumen zu lassen oder bei betriebsunfähigen Fahrzeugen Hilfsdienste in Anspruch zu nehmen. Die rechtliche Verpflichtung für die Entfernung eines Fahrzeugs aus dem fließenden Verkehr liegt bei dem verantwortlichen Fahrzeugsführer oder –halter. In der Vergangenheit hat die Polizei die Aufträge zum Abschleppen oder Bergen von Fahrzeugen für die verantwortlichen Fahrzeughalter oder –fahrer an die ihr bekannten Bergungs- und Abschleppunternehmen übermittelt, ohne dass dazu eine gesetzliche Verpflichtung bestanden hätte. Diese Leistung ist von der Polizei vielmehr unter den Aspekten von Bürger- und Serviceorientierung erbracht worden.

Dementsprechend wurde die Polizei nicht selbst Auftraggeber oder Vertragspartner eines Bergungs- oder Abschleppunternehmens. Sie war dennoch nach dem Gleichheitsgrundsatz gehalten, die Übermittlung der Abschleppaufträge so zu gestalten, dass kein Unternehmen bevorzugt oder benachteiligt wurde. Die Polizei hat diese Unterstützung für die Verantwortlichen geleistet, indem sie ihre Kenntnisse über das Leistungsangebot der in ihrem Zuständigkeitsbereich tätigen Abschlepp- und Pannendienstunternehmen und ihre Kommunikationseinrichtungen im Interesse der Vertragsparteien zur Verfügung gestellt hat. Die Polizeidienststellen haben dazu das Leistungsangebot der Abschleppunternehmen in entsprechende Listen und Verzeichnisse aufgenommen und daraus nach dem Gleichheitsgrundsatz die Auswahl von Unternehmen durchgeführt. Danach war grundsätzlich zunächst der Kundenwunsch zu berücksichtigen, sowie in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls die Leistungsfähigkeit der Unternehmen sowie das Nächstenprinzip. Soweit unter diesen Gesichtspunkten mehrere gelistete Unternehmen in Betracht kamen, waren die Aufträge reihum zu übermitteln.

Zur Gewährleistung dieses, dem Gleichheitsgrundsatz entsprechenden, Übermittlungsverfahrens hatte die Polizei in der Vergangenheit einen erheblichen Koordinationsaufwand zu leisten. Dabei gestaltete sich der Aufwand umso größer, je mehr Unternehmen in dem Bereich einer Dienststelle in Konkurrenz zueinander standen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Bindung der Polizei an den Gleichheitsgrundsatz nicht die Übermittlung des Auftragsvolumens zu gleichen Teilen an die Unternehmen beinhaltet, sondern lediglich die Ausbildung gleicher Maßstäbe für das Vermittlungsverfahren umfassen konnte. Die daraus resultierende ungleiche Menge der Übermittlungen wurde dennoch von weniger häufig berücksichtigten Unternehmen immer wieder auf unsachge-mäße Auswahlentscheidungen der Polizei zurückgeführt, obwohl sie sich sachlich aus dem anzuwendenden Verfahren ergab.

Hinzu kommt, dass es sich bei der Übermittlung der Abschleppaufträge in der weit überwiegenden Zahl der Fälle um eine für die Polizei dem Grunde nach sachfremde Tätigkeit handelt. Vor dem Hintergrund dieser Situation hat die Polizei bereits vor geraumer Zeit die Erwartung an die Abschleppunternehmen gerichtet, in Abstimmung mit den Interessenverbänden der Aufraggeber (Automobilclubs) ein Verfahren zur Auswahl geeigneter Unternehmen zu entwickeln und durchzuführen. Die am Verfahren Beteiligten bzw. deren Nutznießer (die Abschleppunternehmen und die Kraftfahrer) sollten in eigener Verantwortung eine Vermittlungszentrale einrichten, die Listen und Leistungsverzeichnisse führt, aus denen die Auftragsvermittlung vorgenommen wird. Unter diesen Voraussetzungen haben sich in Niedersachsen die Verbände von Abschleppunternehmern, Hilfsdiensten und Automobilclubs sowie der Landesverband des Kraftfahrzeuggewerbes Niedersachsen-Bremen in dem "Verkehrsservice Niedersachsen e.V." (VSN) zusammengeschlossen, um ein leistungsfähiges, faires, transparentes und kostengünstiges Vermittlungsverfahren zu gewährleisten, das grundsätzlich jedem Unternehmen zu gleichen Bedingungen und ohne Bindung an eine Verbandmitgliedschaft offen steht. Da alle beteiligten Interessen in dem Verein zusammengeführt sind, ist ein fairer Ausgleich der Interessen von Kraftfahrern und Unternehmen gewährleistet. Mit der Gründung des VSN und der Beauftragung eines Auftragsdienstes in Sömmerda (Thüringen), der die mit der praktischen Durchführung der Vermittlungstätigkeit verbundenen Dienstleistungen einer "Abschleppzentrale" bereits für die Länder Hessen, Sachsen und Thüringen erbringt, hat das Gewerbe die Voraussetzungen für eine Selbstorganisation des Auswahlverfahrens zum 01. November 2005 geschaffen. Seit diesem Zeitpunkt richtet die niedersächsische Polizei den gesamten Abschleppbedarf über eine zentrale Rufnummer an den Auftragsdienst.

Bei der Auftragsvergabe ist zunächst der Kundenwunsch, der sich sowohl auf ein bestimmtes Unternehmen als auch eine Vertragsbindung über einen Schutzbrief bzw. eine Automobilclub-Mitgliedschaft beziehen kann, zu berücksichtigen. Werden vom Verantwortlichen keine Wünsche geäußert, greift das nach den Prinzipien des Gleichheitsgrundsatzes gestaltete Vermittlungsverfahren. Danach wird zunächst das der Einsatzstelle nächstgelegene geeignete Unternehmen benachrichtigt. Liegen mehrere Unternehmen innerhalb des festgelegten Entfernungsradius, erfolgt die Auftragsvergabe reihum. Unternehmen, die besonders günstig zu einem Unfallbrennpunkt liegen oder in Verbindung mit besonders häufig von Kunden angefragten Automobilclubs tätig sind, werden aus dem Nächstenprinzip oder aus der Priorität des Kundenwunsches naturgemäß häufiger angefordert, so dass sich zwangsläufig eine ungleiche Verteilung ergibt.

Das Interesse der Polizei an der Organisation des Verfahrens beschränkt sich darauf, dass Abschleppunternehmen schnell und rund-um-die-Uhr verfügbar sowie entsprechend leistungsfähig sind. Diese Anforderungen gewährleistet der VSN über die Aufstellung entsprechender Qualitätskriterien, die sich größtenteils aus den einschlägigen Regelungen der Berufsgenossenschaften sowie grundlegender gewerbe,- umwelt- und haftungsrechtlicher Regelungen ergeben. Entsprechend der Stellung der Niedersächsischen Landesbehörden zum VSN wirken weder die Landespolizei noch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport an der Festlegung konkreter Kriterien für die Listung von Abschleppunternehmen mit.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 2:

Durch das Vergabeverfahren des VSN ist die Verteilung der Abschleppaufträge nach dem Gleichheitsgrundsatz gewährleistet. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.

Zu 3:

Mit Gründung des VSN und der Beauftragung des Auftragsdienstes ist die Polizei an der praktischen Auswahl der Abschleppunternehmen nicht mehr beteiligt. Dementsprechend heben die von den Polizeibehörden und -dienststellen in den nach hier berichteten Erfahrungen den Wegfall des Organisationsaufwandes und insbesondere eine Reduzierung des Beschwerdeaufkommens hervor. Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich aus der neuen Regelung umfangreiche Veränderungen in der praktischen Handhabung des Verfahrens ergeben. In der gegenwärtigen Umstellungs- und Orientierungsphase kommt es noch vereinzelt zu Beschwerden, die eine vermeintlich ungerechte Verteilung des Abschleppaufkommens und daraus resultierender Benachteiligungen einzelner Unternehmen zum Gegenstand haben.

Beschwerden aus dem Polizeibereich beziehen sich überwiegend auf die Feststellung unzureichender Leistungsfähigkeit einzelner Bergungs- und Abschleppunternehmen. Hintergrund ist offenbar, dass sich Unternehmen haben listen lassen, obwohl die Leistungskriterien von ihnen nicht erfüllt werden. Die Beschwerdestelle des VSN geht derartigen Hinweisen, die auch von konkurrierenden Unternehmen erhoben werden, nach und setzt die betroffenen Firmen gegebenenfalls bis zur Behebung der Mängel von der Vermittlung aus.

Nach Mitteilung des VSN sollen auch die Bergungs- und Abschleppunternehmen mit der gegen-wärtigen Regelung überwiegend zufrieden sein. Gegenwärtig sind in der Abschleppzentrale Niedersachsen 431 Unternehmen gelistet. Bei der Beschwerdestelle sollen seit Anfang Februar 18 Anfragen bzw. Beschwerden zu Auftragsübermittlungen anhängig sein.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
24.03.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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