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EU-Terrorismusverordnung

Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Zielke und Bode (FDP); Es gilt das gesprochene Wort!


Die Abgeordneten hatten gefragt:

Als Reaktion auf die Terroranschläge im Jahre 2001 führten die Vereinten Nationen eine Liste mit Terrorverdächtigen ein. Auf dieser Liste wurden zahlreiche Personen mit gängigen arabischen Namen aufgeführt.

Die EU hat daraufhin eine Verordnung erlassen, nach welcher Finanzsanktionen gegen Personen und Organisationen verhängt werden, gegen die die Vereinten Nationen einen Terrorverdacht hegen und die auf dieser Liste stehen. Diese Verordnung schreibt vor, alle Gelder, Vermögenswerte oder wirtschaftlichen Ressourcen von Personen einzufrieren, "die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen, sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern".

Die Terrorverdachtsliste veranlasste u. a. ein Berliner Grundbuchamt, sich unter Berufung auf die Ausführungsbestimmungen der EU-Verordnung zu dieser Liste zu weigern, einen auf der Liste aufgeführten Verdächtigen als neuen Eigentümer in das Grundbuch einzutragen. Auch bekam ein anderer Berliner kein Arbeitslosengeld II mehr, weil sein Name auf der Terrorverdachtsliste stünde.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Welche theoretischen und praktischen Folgen ergeben sich aus der Terrorverdachtsliste der Vereinten Nationen für Niedersachsen, die dort - vermeintlich - aufgeführt sind?
  2. Auf welchem Weg können Betroffene eine Streichung ihres Namens auf der UN-Liste erreichen, und inwieweit ist ein solcher Anspruch durchsetzbar?
  3. Welche Rechtsmittel stehen den Betroffenen gegen wirtschaftliche Einschränkungen zur Verfügung?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Verordnung (EG) Nr. 881/2002 des Rates vom 27. Mai 2002 (sog. Terrorismusverordnung) dient der Umsetzung mehrerer Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Die in allen ihren Teilen verbindliche und unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat geltende Verordnung bestimmt, dass alle Gelder und wirtschaftlichen Ressourcen, die den im Anhang I der VO Nr. 881/2002 aufgeführten natürlichen und juristischen Personen, Gruppen oder Organisationen gehören, in deren Eigentum stehen oder von ihnen verwahrt werden, "eingefroren" werden. Damit sollen jegliche Formen von Bewegungen, Transfers, Veränderungen, Verwendungen von Geld-mitteln und sonstigen wirtschaftlichen Ressourcen verhindert werden.

Das "Einfrieren" ist, bis auf bestimmte Geschäfte des täglichen Lebens, die ausgenommen sind, nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) zwingend vorgeschrieben. Für das Nichtbefolgen sind strafrechtliche Konsequenzen vorgesehen.

Der Anhang I, der die Namen der "gelisteten" Personen und Organisationen enthält, wird auf der Grundlage der Entscheidungen des Sanktionsausschusses – eines Hilfsorgans des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen – erstellt und geändert.

Aktuell (Stand: 17.03.2006) sind nach Auskunft des Bundeskriminalamtes 15 Personen "gelistet", die in der Bundesrepublik Deutschland leben. Hiervon verbüßen derzeit 13 Personen Haftstrafen. Keine der "gelisteten" Personen ist nach Kenntnis des Landeskriminalamtes Niedersachsen aktuell in Niedersachsen aufhältig bzw. in niedersächsischen Vollzugsanstalten inhaftiert. Auch ist bis zum heutigen Tage dem Landeskriminalamt Niedersachsen kein Antreffungsfall einer "gelisteten" Person in Niedersachsen bekannt geworden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 2:

Betroffene können bei der Regierung des Mitgliedsstaates, in dem sie wohnen und/oder dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, die Überprüfung ihres Falles beantragen. Dabei muss der Betroffene seinen Antrag auf Streichung von der Liste begründen, die relevanten Informationen liefern und um Unterstützung dieses Antrages bitten.

Das formelle internationale Verfahren zum sog. De-Listing stellt sich wie folgt dar:

Der De-listingantragstellende Staat entscheidet über den Zeitpunkt, wann ein De-Listing-Antrag eingebracht wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Kriterien, die für seinen Listing-Antrag die Grundlage darstellten, nicht mehr erfüllt sind.

Daraufhin folgt ein Pränotifizierungsverfahren (Vorankündigung des De-Listing-Antrags an die Partnerstaaten der G 8 mit Sachverhaltsdarstellung und Begründung des beabsichtigten De-Listings). Anschließend erfolgt die offizielle Einreichung des De-Listing-Antrags beim Sicher-heitsrat.

Daraus folgt, dass die Mitglieder des Sicherheitsrates innerhalb der Verschweigensfrist von 48 Stunden die Gelegenheit haben, sich zu äußern, d. h. sie können die Verschweigensfrist brechen und damit ein Veto gegen den Antrag einlegen. Das De-Listing wird somit im Konsensverfahren (Einstimmigkeit im Sicherheitsrat) durchgesetzt. Wurde Einstimmigkeit im Sicherheitsrat erzielt, erfolgt die Streichung der betroffenen Person oder Organisation von der Liste, sowie anschließend das übliche Verfahren zur Änderung der einschlägigen Sanktionsverordnungen.

Zu 3:

Die Verordnung (EG) Nr. 881/2002 schränkt den Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz nicht ein. Von der Verordnung Betroffene können bei deutschen Gerichten Klage erheben oder Rechtsmittel einlegen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
24.03.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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