Einbürgerungen
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen; Es gilt das gesprochene Wort!
Die Fraktion hatte gefragt:
Nach Baden-Württemberg hat auch die Hessische Landesregierung einen Einbürgerungstest vorgelegt. Darin wird in 100 Fragen nicht nur das Wissen von Einbürgerungswilligen über Deutschland abgefragt. Gefragt wird auch nach der Meinung zu gesellschaftlichen, sittlichen oder religiö-sen Themen. Auf der nächsten Innenministerkonferenz werden die Innenminister über die Einführung bundesweiter Einbürgerungsstandards beraten. Bundeskanzlerin Merkel hat sich positiv zu den Tests geäußert.
Zum Einbürgerungsverfahren in Deutschland gehören bereits folgende Maßnahmen: Bei allen Einbürgerungswilligen werden die Deutschkenntnisse und die wirtschaftlichen Verhältnisse geprüft. Sie müssen ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgeben und eine so genannte Extremistenklausel unterzeichnen. Es erfolgen Anfragen beim Bundeszentralregister, beim Landeskriminalamt und beim Ver-fassungsschutz. Das alles ist geltendes Recht.
Wir fragen die Landesregierung:
- In welcher Form hält angesichts der bundespolitischen Diskussion die Landesregierung einen Einbürgerungstest in Niedersachsen oder bundesweit für sinnvoll?
- Welchen Beitrag zur Integration kann nach Meinung der Landesregierung ein solcher Test leisten?
- Welche Ansicht vertritt die Landesregierung zur Zulässigkeit von Testfragen zu persönlichen Meinungen?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße es, dass die Voraussetzungen wie die erforderlichen Deutschkenntnisse und die Kenntnisse über unser Land eine große Aufmerksamkeit in Öffentlichkeit und Politik finden. Ich freue mich deshalb über die Gelegenheit, die mir hierzu heute auch die Dringliche Anfrage der Fraktion der Grünen bietet. In einem Brief an meine Kollegen in den Bundesländern habe ich um Unterstützung für meine Auffassung in der bevorstehenden Innenministerkonferenz Anfang Mai geworben.
Wer sich mit der Einbürgerung befassen will, muss sich auf Fakten stützen und über inhaltliche Voraussetzungen, die anzulegenden Qualitätsmaßstäbe und über das Verfahren diskutieren, das bei einer Einbürgerung eingehalten werden soll.
In Deutschland sind von 2000 bis 2004 knapp 800.000 Menschen eingebürgert worden; in Niedersachsen waren es im Zeitraum bis 2005 etwa 76.000. Diese Zahlen zeigen, dass nach wie vor in großem Umfang eingebürgert wird. Da ist es schon erforderlich, sich verantwortungsbewusst mit Inhalt und Ausgestaltung des Verfahrens zu befassen.
Die deutsche Staatsbürgerschaft gibt zusätzliche Rechte wie das Wahlrecht, den konsularischen Schutz im Ausland, das Verbot der Auslieferung oder der Abschiebung. Dem stehen andererseits Pflichten etwa die Wehrpflicht oder die Zivildienstpflicht und die Pflicht zur Übernahme einer Tätigkeit als Wahlhelfer gegenüber.
Ob ein Einzubürgernder sich auch tatsächlich, wirtschaftlich und sozial integriert hat, wird im Einbürgerungsverfahren anhand der gesetzlichen Kriterien geprüft und prognostiziert.
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das strafrechtlich einwandfreie Verhalten, die erforderlichen Deutschkenntnisse und das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes sind im Grundsatz unumstritten. Das gilt auch für die erst von dieser Landesregierung eingeführte Regelabfrage beim Verfassungsschutz und den Polizeibehörden.
Die Bedeutung des Einbürgerungsaktes sollte durch einen Eid unterstrichen werden. Nieder-sachsen hatte 2005 dem Bundesrat einen Gesetzentwurf mit dem Ziel vorgelegt, dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung ein Bekenntnis zu unserem Staat voranzustellen, und zwar durch einen Eid auf die Verfassung und die darin manifestierte Werteordnung des Grundgesetzes. Daran halte ich fest. Die Einbürgerung sollte also Folge – man könnte auch sagen "krönender Abschluss" – einer gelungenen Integration eines ausländischen Mitbürgers sein.
Die aktuelle Diskussion entzündet sich vor allem an einzelnen Aspekten der Kenntnisse um unser Land betreffende Fakten und die Werte unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Hierauf möchte ich nun eingehen und meine Position dazu aufzeigen.
Wer deutscher Staatsbürger werden will, muss die wesentlichen Grundlagen und Inhalte unseres Staates, unseres Landes und unserer Werteordnung kennen. Deshalb geht es mir in erster Linie um die Wissensvermittlung. Aus diesem Grund muss das Angebot an Staatsbürgerkursen über die Erwachsenenbildungseinrichtungen erheblich ausgeweitet werden. Mein Haus hat bereits entsprechende Gespräche für Niedersachsen geführt.
Selbstverständlich muss überprüft werden, ob das Erlernte auch verstanden worden ist. Deshalb spreche auch ich mich für einen Wissenstest vor der Einbürgerung aus. Die Innenminister sollten aber nicht über einzelne Testfragen diskutieren, sondern vielmehr festlegen, welche Inhalte vermittelt werden müssen und dies ist bundeseinheitlich zu regeln. Wie das erlernte Wissen dann abgefragt wird, kann in jedem Bundesland durchaus unterschiedlich gehandhabt werden. Selbstverständlich sind die anfallenden Kosten von der Einbürgerungsbewerbern zu tragen.
Neben dem Wissen um unser Land, sind aber vor allem ausreichende Deutschkenntnisse für eine Einbürgerung wichtig. Lassen Sie mich deshalb auch zu diesem Teilaspekt noch einige Ausführungen machen.
Deutsche Sprachkenntnisse sind der Schlüssel für die wirtschaftliche und soziale Integration. Die einschlägigen Verwaltungsvorschriften zum Staatsangehörigkeitsrecht lassen verschiedene Arten des Nachweises zu. Wer bestimmte Bildungsabschlüsse in Deutschland erworben hat, braucht sich keiner weiteren Prüfung zu stellen. Wer das nicht vorweisen kann, muss einen außerschulischen Nachweis beibringen. Dabei wird qualitativ in Anlehnung an den vom Europarat entwickelten Europäischen Referenzrahmen das sog. Zertifikat Deutsch B 1 für erforderlich gehalten. Diesen Standard halte ich für richtig. Ausnahmen aufgrund fortgeschrittenen Alters, des sozialen Umfeldes oder geistiger oder körperlicher Einschränkungen sollten wie bisher auch künftig möglich sein.
Und ich sage auch ganz deutlich:
Soziale Integration setzt ein weitgehend straffreies Verhalten voraus. Das geltende Recht muss deshalb verschärft werden. Schon bei einer Verurteilung zu 90 Tagessätzen Geldstrafe oder drei Monaten Freiheitsstrafe muss künftig eine Einbürgerung ausgeschlossen sein. Auch müssen kleinere Verurteilungen kumuliert werden dürfen, so lange sie im Strafregister noch nicht getilgt sind.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Dringliche Anfrage wie folgt:
Zu 1.:
Entscheidend sind die Wissensvermittlung und die Vorbereitung durch Kurse der Bildungsträger. Hierzu sind bundeseinheitliche Standards festzulegen, die Überprüfung muss in einem Test erfolgen. Die Umsetzung in den einzelnen Bundesländern kann dabei durchaus unterschiedlich erfolgen. Entscheidend ist die Überprüfung der festgelegten Standards.
Zu 2.:
Das von mir skizzierte Verfahren zur geprüften Wissensvermittlung ist ebenso wie ausreichende deutsche Sprachkenntnisse wesentliche Voraussetzung für eine gelungene Integration.
Zu 3.:
Testfragen zu persönlichen Meinungen halte ich für zulässig. So ist ja Ihre Fragestellung. Über die Zweckmäßigkeit kann man geteilter Meinung sein.
Artikel-Informationen
erstellt am:
23.03.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010