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Abschiebungen

Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Polat (Grüne); Es gilt das gesprochene Wort!


Die Abgeordnete hatte gefragt:

Im letzten Herbst wurde eine junge vietnamesische Familie mit zwei Kindern aus Peine mitten in der Nacht in ihrer Wohnung von den Behörden abgeholt und zum Flughafen nach Frankfurt am Main gebracht. Die Familie sollte abgeschoben werden, was ihr auch angekündigt worden war. Am Flughafen stellte sich heraus, dass keine Plätze mehr für die Familie im vorgesehenen Flugzeug frei waren. Auch für einige andere Personen, die mit dem gleichen Flug abgeschoben werden sollten, fehlten Plätze. Daraufhin wurde die Familie noch in derselben Nacht zurück nach Peine gebracht. Sie wurde in der örtlichen Obdachlosenunterkunft untergebracht. Ihre bisherige Wohnung hatte sie aufgrund der Ankündigung der Abschiebung ordnungsgemäß geräumt und aufgelöst und hatte sogar die Sperrmüllabfuhr bestellt. Die Wohnung stand ihr nicht weiter zur Verfügung und wurde gleich weitervermietet. Es wurde dann ein neuer Abschiebetermin festgelegt.

Die vietnamesische Familie hatte mit ihrer Zukunft in Deutschland nach 13-jährigem Aufenthalt abgeschlossen. Die beiden Kinder (geboren 1992 und 1998) hatten sich in der Schule verabschiedet. Sie haben den Schrecken einer unfreiwilligen Verbringung ins Ungewisse erlebt. Sie haben große Ängste durchlitten und ihr einziges bekanntes Umfeld hinter sich gelassen. Dann stellte sich alles als Fehlalarm heraus, doch ihre gewohnte Umgebung, ihre Wohnung, war dennoch verloren.

Angesichts der Mehrzahl von Personen, denen in der beschriebenen Nacht keine Plätze in dem Flugzeug zur Verfügung standen, frage ich die Landesregierung:

  1. Wie steht sie zu der Tatsache, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen erst am Flughafen abgebrochen werden müssen, weil nicht ausreichend Plätze im vorgesehenen Flugzeug vorhanden sind?
  2. Werden abzuschiebende Personen bewusstermaßen in die Zahl der im Flugzeug vorhandenen Plätze übersteigender Menge zu den Flughäfen gebracht und, falls dies zutrifft, warum?
  3. Was wird die Landesregierung unternehmen, damit abzuschiebenden Personen die mit solchen misslungenen aufenthaltsbeendenden Maßnahmen verbundenen Belastungen zukünftig erspart bleiben?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Rückführung ausreisepflichtiger vietnamesischer Staatsangehöriger erfolgt auf der Grundlage des Rückübernahmeabkommens mit Vietnam aus dem Jahre 1995 im Wege des Charterflugverkehrs, der von der Bundespolizei zentral gesteuert wird. Um ungenutzte Kapazitäten zu vermeiden, ist die Bundespolizei schon sehr kurze Zeit nach Beginn dieser Rückführung in Absprache mit den Ländern dazu übergegangen, mehr Personen für die jeweiligen Flüge anzumelden als Plätze vorhanden waren, um die durch frei bleibende Plätze entstehenden Kosten zu vermeiden. Da die Abschiebungen vorrangig ohne Anordnung von Abschiebungshaft durchgeführt werden, sind regelmäßig nicht alle angemeldeten Personen verfügbar, weil einige wegen Krankheit nicht reisefähig sind, kurzfristig noch Rechtsmittel eingelegt wurden oder untergetaucht sind. Die zur möglichst vollständigen Auslastung erforderliche Überbuchungsquote ist von der Bundespolizei unter Berücksichtigung der bis dahin gesammelten Erfahrungen festgelegt und regelmäßig an sich ändernde Verhältnisse angepasst worden. Da bei der Überbuchungsquote stets eine bestimmte Toleranz berücksichtigt wird, kommt es nur in außergewöhnlichen Situationen dazu, dass bereits am Flughafen angekommene Personen aus Platzgründen nicht mitgenommen werden können. Nach Erkenntnissen des Ministeriums für Inneres und Sport handelt es sich bei dieser Rückführung im Herbst letzten Jahres um den zweiten Fall, bei dem von niedersächsischen Ausländerbehörden angemeldete vietnamesische Staatsangehörige nicht befördert, sondern auf den nächsten Flug umgebucht werden mussten. Grund für den eingetretenen Engpass im Herbst 2005 war, dass die Fluggesellschaft kurzfristig einen Flug stornieren musste.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage der Abgeordneten Polat namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die Landesregierung bedauert es, wenn bereits am Flughafen angekommene Personen wegen nicht ausreichender Kapazität der gecharterten Flugzeuge nicht befördert werden können, weil dies die betroffenen, zur Rückführung anstehenden Personen unnötig belastet und dadurch erhöhte Kosten für die öffentlichen Haushalte entstehen. Da die Überbuchungsquote nur auf der Grundlage einer Prognose über die Zahl der voraussichtlich für die Rückführung nicht verfügbaren Personen bestimmt werden kann, kann aber auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden, dass es noch einmal zu einer derartigen außergewöhnlichen Situation kommen kann. Im gesamten Rückführungszeitraum von fast 10 Jahren ist es nur zu einer sehr geringen Zahl gescheiterter Rückführungen aus Kapazitätsgründen gekommen.

Zu 2.:

Hierzu wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu 3.:

Die Landesregierung sieht keine Veranlassung, das von der Bundespolizei zentral gesteuerte Rückführungsverfahren nach Vietnam zu ändern. Eine größere Toleranz bei der Bemessung der Flugkapazität würde regelmäßig zu frei bleibenden Plätzen führen, wodurch sich die Rückführungskosten insgesamt erhöhen würden. Ausreisepflichtige vietnamesische Staatsangehörige können allerdings durch eigenes Verhalten derartige mit Abschiebungen verbundene Belastungen vermeiden und während der ihnen gegebenen Ausreisfrist freiwillig ausreisen. Sollten die dazu erforderlichen Geldmittel nicht zur Verfügung stehen, kann die Ausreise mit öffentlichen Mitteln über IOM (International Organization for Migration) erfolgen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
27.01.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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