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Kommunaler Finanzausgleich

Innenminister Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Harden, Möhrmann, Aller, Emmerich-Kopatsch, Dehde, Geuter, Lestin, Leuschner, Pickel (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!


Die Abgeordneten hatten gefragt:

Im Niedersächsischen Gesetz über den Finanzausgleich (NFAG) ist die Höhe der Schlüsselzuweisungen für Kreisaufgaben (§ 7 NFAG) zu einem erheblichen Teil an die Ausgaben für Soziales im Abschnitt 41 der Haushaltspläne der Kreise, kreisfreien Städte und der Region Hannover gekoppelt.

Zur Ermittlung der Höhe und der Verteilung der Sozialhilfelasten im Lande wird der Mittelwert der vorvergangenen Jahre zugrunde gelegt. Für das Haushaltsjahr 2005 werden die Rechnungsergebnisse der Jahre 2002 und 2003 zugrunde gelegt.

Am 1. Januar 2005 sind das SGB II in Kraft und das Bundessozialhilfegesetz außer Kraft getreten. Damit ging eine drastische Absenkung der Sozialausgaben der Kreise und kreisfreien Städte einher. Diese Absenkung der Ausgaben ist aber nur im Durchschnitt aller Gebietskörperschaften angefallen; in einer Reihe von Kreisen hat es hingegen wegen der Disparität der Entlastung durch wegfallende Sozialausgaben einerseits und zu übernehmende Kosten der Unterkunft andererseits auch erhebliche Mehrbelastungen gegeben. Die Veränderung der tatsächlichen Be- und Entlastungen spiegelt sich jedoch im gegenwärtigen Finanzausgleich nicht wider. Das NFAG berechnet die Höhe der Schlüsselzuweisungen vielmehr auf der Grundlage von Aufgaben, die zu einem ganz erheblichen Anteil tatsächlich nicht mehr wahrgenommen werden.

Es ist daher fraglich, ob der kommunale Finanzausgleich in der gegenwärtigen Fassung noch mit der Landesverfassung vereinbar ist. Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie sind die anderen Bundesländer mit der Situation umgegangen, und was wird die Landesregierung auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen unternehmen, um die Berechnungsgrundlage für die Schlüsselzuweisungen an die geänderten bundesrechtlichen Vorgaben anzupassen?
  2. Wie hoch sind die bei den einzelnen betroffenen Gebietskörperschaften entstandenen Be- und Entlastungen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe?
  3. Auf welchem Weg will die Landesregierung die bestehenden Be- und Entlastungen einzelner Gebietskörperschaften künftig ausgleichen, ohne bereits ausgezahlte Mittel wieder zurückzufordern?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Mit dem Übergang vom BSHG zum SGB II werden die Kommunen dadurch entlastet, dass erwerbsfähige bisherige Sozialhilfeempfänger in die Zuständigkeit der Träger der Grundsicherung wechseln und damit grundsätzlich Leistungen zu Lasten des Bundes erhalten; sie werden belastet, indem sie für die Kosten für Heizung und Unterkunft aller Leistungsbezieher nach dem SGB II und für so genannte einmalige, zusätzliche Bedarfe sowie die im Rahmen der Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderliche psychosoziale Betreuung und die Betreuung minderjähriger Kinder aufkommen müssen. Das Ziel einer Entlastung der Kommunen um 2,5 Mrd. Euro jährlich wird im SGB II nach § 46 Abs. 5 in der Weise verfolgt, dass den Kommunen ein Anteil von 29,1 v.H. (für die Jahre 2005 und 2006) der von ihnen aufgewendeten Kosten für Unterkunft und Heizung vom Bund erstattet wird. Je höher der Anteil der Empfänger ist, die bisher keine Sozialhilfe bezogen haben, desto größer ist die zusätzliche Last des Trägers, die nur zu einem Teil vom Bund getragen wird. Unter anderem hierdurch kommt es zu unterschiedlichen Finanzwirkungen und den so genannten "horizontalen Verwerfungen" innerhalb des Systems. Die Folge ist, dass sich die Be- und Entlastungswirkungen nicht gleichmäßig über alle Gebietskörperschaften in Niedersachsen verteilen und es sowohl Gewinner als auch Verlierer der Hartz IV Reformen geben wird.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit überprüft derzeit, ob und welche Träger besonders belastet sind. Hieran wirken die Träger mit ihren Angaben mit, um die relevanten Berechnungspositionen möglichst genau zu erfassen und die Belastungen abzubilden. Die in Niedersachsen eingesetzte "Arbeitsgruppe Quantifizierung", an der sich auch Vertreter der Kommunen beteiligen, ist derzeit damit befasst, die Rahmenbedingungen dieser Berechnung zu erarbeiten.

Auf der Grundlage dieser Berechnungen sollen die Möglichkeiten einer ausgleichenden Finanzverteilung geprüft werden. Hierfür kämen sowohl eine abweichende Verteilung des Landeszuschusses nach § 5 Nds. AG SGB II als auch eine Verteilung über den kommunalen Finanzausgleich in Betracht. Es ist das erklärte Anliegen der Landesregierung, die Problematik detailliert abzubilden und Lösungsmöglichkeiten für die Verteilung der Mittel zu finden, um eine gleichmäßige Entlastung aller kommunalen Träger zu garantieren.

Klar ist auch, dass der heutige Sozialhilfelastenansatz im Finanzausgleich spätestens ab 2007 nicht weiter bestehen bleiben kann. Hierfür würden dann bereits die Datengrundlagen fehlen, da die originären Sozialhilfebelastungen aufgrund der Hartz IV Reformen erheblich zurückgegangen sind und es für einen Ansatz in dieser Größenordnung keine Rechtfertigung mehr gäbe. Von einer Verfassungswidrigkeit des Finanzausgleichs für 2005 und 2006 kann jedoch keine Rede sein. Die Finanzausgleichsgesetze der Länder und auch der Finanzausgleich in Niedersachsen stellen grundsätzlich auf die Daten abgelaufener Haushaltsjahre ab. Das heißt, sowohl einnahmeseitig als auch ausgabeseitig greift der Finanzausgleich auf Haushaltsdaten vorvergangener Haushaltsjahre zurück, da nur diese zum Zeitpunkt der Berechnung des Finanzausgleichs im laufenden Haushaltsjahr zur Verfügung stehen. Diese nachlaufende Systematik des Finanzausgleichs berücksichtigt daher jeweils die Einnahme- und Belastungssituation einer Kommune, die bereits bis zu zwei Jahre zurück liegt. Mit anderen Worten, eine Kommune erhält im laufenden Haushaltsjahr die Schlüsselzuweisungen aus dem Finanzausgleich, die ihrer Haushaltslage von bis vor zwei Jahren entsprechen.

Gleiches gilt auch für die Berücksichtigung der Sozialhilfelasten im Finanzausgleich. Der Sozialhilfelastenansatz stellt ab auf den Durchschnitt der Sozialhilfeausgaben der letzten beiden vorvergangenen Haushaltsjahre. Das heißt, die Landkreise und kreisfreien Städte erhielten im Jahr 2005 Schlüsselzuweisungen für Belastungen aus der Sozialhilfe der Jahre 2002 und 2003. Diese Systematik ist durch den Niedersächsischen Staatsgerichtshof wiederholt überprüft und in keiner der drei Entscheidungen für verfassungswidrig erklärt worden. Im Haushaltsjahr 2006 wird der Finanzausgleich auf die Sozialhilfebelastungen der Haushaltsjahre 2003 und 2004 abstellen und damit die real stattgefundenen Belastungen der Gebietskörperschaften durch die Sozialhilfe entsprechend abbilden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Es wird auf die Vorbemerkungen verwiesen.

Die Situation in den anderen Bundesländern stellt sich wie folgt dar:

Berücksichtigung von Soziallasten im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs

Bayern:

In Bayern werden Sozialhilfeaufwendungen im kommunalen Finanzausgleich berücksichtigt bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen an Landkreise und Gemeinden in einem Sozialhilfeansatz. Außerdem erhalten die Bezirke als überörtliche Sozialhilfeträger einen Sozialhilfeausgleich nach Art. 15 FAG. Bemessungsgrundlage sind die Sozialhilfeausgaben in der Vergangenheit.

Da Hartz IV ab 2005 wirksam ist, werden die Folgewirkungen hieraus erstmals für das Jahr 2007 umzusetzen sein. Vorschläge hierzu sind nicht bekannt. Weiterhin ist eine Änderung des AGSGB geplant, wonach ein interkommunaler Ausgleich von Be- und Entlastungen durch Hartz IV geschaffen werden soll. Die hierfür erforderlichen Mittel sollen zum großen Teil dem Ansatz für den Sozialhilfeausgleich an die Bezirke entnommen werden.

Baden-Württemberg:

Es gibt einen Soziallastenausgleich als Sonderlastenausgleich außerhalb der Verteilung der Schlüsselzuweisungen. Die Regelung ist Bestandteil des Finanzausgleichsgesetzes für Baden-Württemberg. Bemessungsgrundlage sind die überdurchschnittlichen Sozialhilfenettoausgaben in der Vergangenheit. Eine Anpassung dieses Ausgleichs unter Berücksichtigung von Hartz IV ist geplant. Vorschläge hierzu sind nicht bekannt.

Nordrhein-Westfalen:

Die Kosten der Sozialhilfe werden mittelbar über den Hauptansatz und den Soziallastenansatz bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt. Maßgebend sind die Arbeitslosenzahlen - gewichtet in Abhängigkeit von der Dauer der Arbeitslosigkeit. Die Notwendigkeit einer Änderung ab 2007 wird im Rahmen eines Gutachtenauftrages untersucht.

Hessen:

Nach § 20 des Finanzausgleichsgesetzes in Hessen erhält der Landeswohlfahrtsverband Hessen als überörtlicher Sozialhilfeträger eine Finanzzuweisung. Gemäß § 23 des genannten Gesetzes erhalten die Landkreise und kreisfreien Städte Finanzzuweisungen zu den Sozialhilfeausgaben sowie für den auf die Sozialhilfe entfallenden Anteil der Ausgleichsbeträge nach § 23 Abs. 2 Satz 1 des Hessischen Altenpflegegesetzes. Verteilungskriterium sind die Ausgaben der Sozialhilfe, die Ausgaben der Sozialhilfe je Einwohner und die Zahl der Sozialhilfeempfänger. Ab 2006 sollte eine Neuverteilung der Mittel nach der Zahl der Bedarfsgemeinschaften der Grundsicherung für Arbeitssuchende gewichtet mit den Mietpreisstufen für das Wohngeld erfolgen. Die kommunalen Spitzenverbände haben aber für eine Verschiebung dieser Regelung bis zum Vorliegen belastbarer Zahlen plädiert. Hiernach wird eine Neuverteilung wohl nicht vor 2007 möglich sein.

Rheinland-Pfalz:

Die Soziallasten werden durch einen Leistungsansatz bei der Berechnung der Bedarfsmesszahl berücksichtigt, indem wie in Niedersachsen eine Einwohnererhöhung vorgenommen wird. Kriterien sind die Sozialhilfeausgaben und die Ausgaben für Grundsicherung. Für 2007 liegt bereits ein Änderungsgesetzentwurf vor, wonach das bestehende System um die Berücksichtigung der Kosten für Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung und Grundsicherung für Arbeit Suchende erweitert werden soll. Die Umstellung auf dieses neue System soll ab 2007 erfolgen, sodass dann die Hartz IV Leistungen im neuen Soziallastenansatz ausreichend Berücksichtigung finden werden.

Saarland:

Im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs gibt es einen Soziallastenansatz, wonach die überdurchschnittlichen Belastungen einzelner Gemeindeverbände durch Soziallasten über höhere Schlüsselzuweisungen teilweise ausgeglichen werden. Dieser Ansatz soll im Hinblick auf die durch Hartz IV bewirkten Änderungen angepasst werden, wenn verlässliche Zahlen hierzu vorliegen.

Schleswig-Holstein:

Die Kommunen erhielten durch eine Neuausrichtung des Sozialhilfe-Spitzenausgleichs im Rahmen des Landeshaushalt 2005 bereitstehende Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich in Höhe von 11 Mio. Euro. Die Verteilung erfolgte im Wege einer prozentualen Gewichtung zwischen den Kreisen und kreisfreien Städten, wobei der Verteilung innerhalb der beiden Gruppen der Anteil der jeweiligen Einwohnerzahl zugrunde liegt. Daneben erfolgt als Teilkompensation eine Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden an den Kosten der Unterkunft.

Mecklenburg-Vorpommern:

Ab 2006 erhalten Träger der Sozialhilfe im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs Zuwei-sungen in Höhe von 45 Mio. Euro als Vorwegabzug. Der Betrag soll die unterschiedliche Belas-tung und die differenzierte Entwicklung der seit 1997 erheblich gestiegenen regionalen Sozial-hilfelasten berücksichtigen und ausgleichen. Seit seiner Einführung im Jahre 1997 bis 1999 betrug der Vorwegabzug 30,7 Mio. Euro. Er machte von 2000 bis 2005 50,6 Mio. Euro aus. 2004 war das ein Anteil von 20,4 % an den Ausgaben der Kommunen für Leistungen der überörtlichen Sozialhilfe und für das UVG. Zunächst sollen die Ergebnisse der Revision nach § 6 Abs. 4 AG SGB II unter Würdigung der Entlastungen und Belastungen der Kommunen abgewartet werden. Über die inhaltliche Neuausrichtung soll dann entschieden werden, wobei der Vorwegabzug voraussichtlich bis 2007 unverändert bleiben wird.

Sachsen-Anhalt:

Die Sozialhilfelasten werden im Finanzausgleich berücksichtigt. Kriterium sind die Zahl der Sozialhilfeempfänger und die Leistungsempfänger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Handlungsbedarf für eine Änderung des bisherigen Systems wird gesehen.

Keine Berücksichtigung von Soziallasten im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs

Brandenburg:

Das Brandenburgische Finanzausgleichsgesetz enthält keinen Soziallastenansatz. Auf der Grundlage der Verordnung über Zuweisungen zu den Kosten der sozialen Grundsicherung und der Jugendhilfe erhalten die örtlichen Träger der Sozialhilfe 40 Mio. Euro aus der Finanzausgleichsmasse, begrenzt auf die Jahre 2005 und 2006. Verteilungskriterium sind Einwohnergruppen bis zu bestimmten Lebensjahren und die Nettoaufwendungen der örtlichen Träger der Sozial- und Jugendhilfe. Die Sachgerechtigkeit der Regelung ab dem Jahr 2007 soll überprüft werden.

Sachsen:

Die Sozialhilfekosten spielen keine Rolle bei der Bemessung der Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich.

Thüringen:

In der Vergangenheit wurde im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs ein Sozialhilfelastenausgleich als besondere Finanzzuweisung an die örtlichen Träger der Sozialhilfe gewährt, zuletzt 5 Mio. € im Jahr 2005. Im Doppelhaushalt 2006/2007 ist kein Ansatz mehr vorhanden.

Ab dem Jahr 2005 sind im Landeshaushalt allerdings für die Kommunen neben dem Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft Zuweisungen zu den überproportionalen Lasten bei der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe für Erwerbsfähige in Höhe von 168 Mio. Euro vorgesehen, welche sich aus den Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen wegen struktureller Arbeitslosigkeit für die neuen Länder und einer Landeszuweisung - gespeist aus Einsparungen bei den Wohngeldausgaben – zusammensetzt.

Mit Ausnahme der Länder Brandenburg, Sachsen und Thüringen berücksichtigen damit alle anderen Flächenländer die Sozialhilfelasten in ihren Finanzausgleichsgesetzen. Dabei stellen alle Länder grundsätzlich auf Datenmaterial aus der Vergangenheit ab, die bis in das vorvergangene Jahr zurückreichen. Eine Anpassung an Hartz IV soll regelmäßig in den Ländern erst ab 2007 erfolgen, weil belastbare Zahlen erst so spät vorliegen werden, dass eine frühere Berücksichtigung nicht möglich ist.

Zu 2.:

Die tatsächlichen Be- oder Entlastungen der Kreise, kreisfreien Städte und der Region Hannover im Zuge des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt und des kommunalen Optionsgesetzes können derzeit nicht abschließend festgestellt werden. Derzeit mangelt es noch an einer mit den kommunalen Trägern und den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Berechnungsgrundlage.

Zu 3.:

Wie bereits in den Vorbemerkungen ausgeführt, wird nach Vorliegen des konkreten Zahlenmaterials über die Be- und Entlastungswirkungen bei den niedersachsischen Kommunen zu entscheiden sein, ob ein Ausgleich künftig über eine abweichende Verteilung des Landeszuschusses nach § 5 Nds. AG SGB II oder über eine geänderte Verteilung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs erfolgen soll. Eine Rückforderung bereits ausgezahlter Mittel wird nicht erfolgen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
27.01.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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