Niedersächsisches Disziplinarrecht
Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Gesetzentwurf der Landesregierung
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit dem heute zur Beschlussfassung anstehenden Gesetzentwurf wollen wir das niedersächsische Disziplinarrecht neu ordnen, um einerseits seit langem bestehende Forderungen nach einer Erneuerung des niedersächsischen Disziplinarrechts umzusetzen und andererseits aktuellen Erfordernissen Rechnung zu tragen.
Der Gesetzentwurf orientiert sich dabei an den drei Zielen Bürokratieabbau, Beschleunigung von Verfahren und Schaffung eines modernen Disziplinarrechts:
- Bürokratieabbau wird dadurch erreicht, dass gesetzliche Berichtspflichten nicht mehr vorgesehen sind. Aufgabenverantwortung und Entscheidungskompetenz werden zusammengelegt. Zuständig ist zukünftig nicht mehr der Dienstvorgesetzte, sondern die Behörde, die dies selbst im Rahmen ihrer Organisationshoheit regelt.
- Eine Beschleunigung der Disziplinarverfahren wird durch eine Straffung der Verfahrensabläufe erreicht.
- Die Unterscheidung in Vorermittlungs- und förmliches Untersuchungsverfahren, die nacheinander geschaltet sind und häufig doppelten Ermittlungsaufwand beinhalten, wird aufgegeben. Auf die Institution des unabhängigen Untersuchungsführers wird verzichtet. Diese Grundsätze aus der geltenden Disziplinarordnung sind noch ein Relikt aus einer Zeit, als die heute selbstverständlichen rechtsstaatlichen Garantien, vor allem die des gerichtlichen Disziplinarverfahrens noch nicht gewährleistet waren.
Insgesamt verfolgt der Gesetzentwurf das Ziel, das Disziplinarrecht konsequent als beamtenrechtliches Verwaltungsverfahren auszugestalten. Aus diesem Grund wird als Verfahrensrecht auch zukünftig nicht mehr die Strafprozessordnung angewandt; das Disziplinarverfahren soll vielmehr als Verwaltungsverfahren nach den Regeln des Verwaltungsverfahrensrechts durchgeführt werden.
Konsequenterweise findet damit auch eine Zuordnung zu den Verwaltungsgerichten statt und die eigene Disziplinargerichtsbarkeit entfällt.
Auf einige weitere Neuerungen möchte ich noch hinweisen:
Bei Ruhestandsbeamten wird es zukünftig möglich sein, eine Zurückstufung auszusprechen. Damit wird die große Kluft geschlossen zwischen den bisher möglichen Sanktionen der Kürzung und der Aberkennung des Ruhegehalts. In Anpassung an die gängige Praxis ist die Geldbuße nun im Gesetz geregelt worden.
Für das behördliche Ermittlungsverfahren wurde die Stellung der sog. betroffenen Beamtin bzw. des betroffenen Beamten gestärkt durch künftige Anwesenheitsrechten bei der Beweiserhebung und in dem Anspruch auf Protokolle.
Als Besonderheit und Abweichung zum Bundesrecht finden sich in dem Gesetz auch Regelungen zum Zeugenschutz. Abweichend vom Bund werden in den Ländern viele Disziplinarverfahren durchgeführt, in denen Schülerinnen und Schüler als Hauptzeugen in Betracht kommen.
Zum Schutz der Zeugen, die minderjährig sind, oder für die die Zeugenaussage eine besondere Belastung darstellt, ist die Möglichkeit der richterlichen Vernehmung vorgesehen.
Dies erspart den Zeugen – und letztlich auch dem Verfahren – Mehrfachvernehmungen.
Als erstes Land wird Niedersachsen eine Gebührenpflicht für gerichtliche Disziplinarverfahren einführen. Hiermit wird ein Beschluss der Justizministerkonferenz umgesetzt. Das heißt, wer vor Gericht erfolglos bleibt, hat die Kosten zu tragen. Im Gegenzug können dem Beamten im behördlichen Disziplinarverfahren die Kosten eines Bevollmächtigten oder Beistandes erstattet werden.
Die Änderung in den weiteren Artikeln sind überwiegend Folgeänderungen, die sich aus der Neustrukturierung des Disziplinarrechts auf Bundesebene ergeben.
Abschließend möchte ich nur noch auf eine Regelung in Artikel 2 – Änderung des Niedersäch-sischen Beamtengesetzes – eingehen, mit der eine Verfallsregelung für Vorteilsnahmen vorgesehen wird. Auf Initiative Niedersachsens ist Bund und Ländern empfohlen worden, für Fälle unzulässiger Vorteilsnahme durch Beamtinnen und Beamte einen Entzug der rechtswidrig erlangten Vorteile in den Beamtengesetzen zu regeln.
Vielen Dank!
Artikel-Informationen
erstellt am:
05.10.2005
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010