Scheinvaterschaften
SitzunInnenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Biester (CDU)g des Niedersächsischen Landtages am 20.05.2005; Fragestunde
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Seit 1998 gibt es Regelungen über die Behandlung von Scheinehen im Familienrecht. Zusätzlich sind das Eingehen sowie die Vermittlung einer Scheinehe gemäß § 92 a des Ausländergesetzes strafbar.
Dagegen klafft bezüglich der immer häufiger vorkommenden Scheinvaterschaften eine Regelungslücke, die immer häufiger ausgenutzt wird. Deutsche Männer oder ausländische Männer mit gesichertem Aufent-haltsstatus erkennen die Vaterschaft unmittelbar vor oder nach der Geburt eines Kindes einer ausländischen Frau an. Zum Teil werden auch ausländische Frauen von organisierten Banden an deutsche Staatsangehörige vermittelt. Dieser Vater hat dann keine biologische oder soziale Beziehung zu dem Kind. Der leibliche Vater lebt meist weiter mit Mutter und Kind zusammen. Mit der Anerkennung der Vaterschaft erhalten sowohl Mutter als auch Kind einen Aufenthaltstitel und Sozialleistungen.
Aber auch ausländische Männer können ein Aufenthaltsrecht und Sozialhilfeansprüche durch eine nur zum Schein erklärte Anerkennung der Vaterschaft des Kindes einer deutschen Mutter bekommen.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1. Wie viele konkrete Verdachtsfälle sind ihr bekannt, und wie hoch schätzt sie den Schaden, der durch die Scheinvaterschaften entstanden ist?
2. Welche Handhabe haben die Ausländerbehörden, einen durch eine Scheinvaterschaft ermöglichten Aufenthalt in Deutschland zu beenden?
3. Was will die Landesregierung tun, um den Missbrauch von Sozialhilfeleistungen und das Erschleichen eines Aufenthaltsstatus durch zum Schein erklärte Vaterschaftsanerkennungen zukünftig zu unterbinden?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Bevor ich die einzelnen Fragen beantworte, möchte ich gern in einer Vorbemerkung auf die der-zeitige Rechtslage eingehen.
Das Kind einer ausländischen Mutter erwirbt die deutsche Staatsangehörigkeit mit der Vater-schaftsanerkennung durch einen Deutschen (§ 4 Abs. 1 StAG) oder, falls das Kind in Deutschland geboren wurde, auch mit der Anerkennung durch einen Ausländer, wenn dieser zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes seit mindestens acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines Aufenthaltsrechts aufgrund europäischen Gemeinschaftsrechts ist (§ 4 Abs. 3 StAG). Die Mutter dieses dann deutschen Kindes erwirbt nach § 28 AufenthG einen Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge.
Da vielfach der Verdacht bestand, dass die Vaterschaftsanerkennung wahrheitswidrig allein zum Zweck der Vermittlung eines Aufenthaltsrechts für den ausländischen Elternteil erfolgt war, hatte die Ständige Konferenz der Innenminister und –senatoren der Länder bereits 2002 eine Arbeits-gruppe unter Vorsitz des Landes Bremen eingesetzt, die prüfen sollte, mit welchen gesetzgebe-rischen Maßnahmen diesem Missbrauch begegnet werden könne.
In der Folge wurden ein Jahr lang bundesweit bei den Ausländerbehörden die Fälle erfasst, in denen auf Grund einer Vaterschaftsanerkennung einem ausreisepflichtigen ausländischen Elternteil ein Aufenthaltsrecht vermittelt wurde, weil diese Fälle potentielle Verdachtsfälle darstellen.
Die Erhebung ergab bundesweit 3.061 Fälle, davon 345 aus Niedersachsen.
Die Innenminister und -senatoren der Länder haben diese Zählung und den Bericht der Arbeits-gruppe im November 2004 zum Anlass genommen, eine Änderung des Bürgerlichen Gesetzbu-ches zu fordern mit dem Ziel, bei Vaterschaftsanerkennungen den Trägern öffentlicher Belange ein befristetes Anfechtungsrecht zu gewähren. Die Konferenz der Justizministerinnen und –minister, die für eine solche Gesetzesänderung federführend ist und die Jugendministerkonfe-renz sowie die Arbeits- und Sozialministerkonferenz wurden von der IMK gebeten, diese Forderung zu unterstützen, da nur so eine zuverlässige rechtliche Handhabe geschaffen werden könne, um gegen zweckwidrige Vaterschaftsanerkennungen mit ihren ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgen vorzugehen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Gesicherte Erkenntnisse über Fallzahlen, in denen ein konkreter Verdacht von wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennungen angenommen wird, bestehen derzeit nicht. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass das deutsche Kindschaftsrecht auch den nichtleiblichen Vater als Vater im Rechtssinne akzeptiert und zweckwidrige Vaterschaftsanerkennungen dementsprechend ohne weiteres durch die zuständigen öffentlichen Stellen beurkundet werden.
Auch die von der IMK-Arbeitsgruppe durchgeführte Erhebung (über 3.000 Fälle) zeigt die Fälle, in denen ausreisepflichtige Ausländerinnen und Ausländer durch die Vaterschaftsanerkennung zunächst ein Aufenthaltsrecht erhalten haben. Es handelt sich nur um Verdachtsfälle, die aber auf ein erhebliches Missbrauchspotential hindeuten. Ob und in welcher Höhe durch möglicherweise zu Unrecht bezogene Sozialleistungen der öffentlichen Hand ein Schaden entstanden ist, lässt sich nicht genau ermitteln, weil nicht bekannt ist, in wie viel Fällen eines durch eine Vaterschafts-anerkennung erlangten Aufenthaltsrechts solche Leistungen bezogen werden. Unterstellt, dass dies in ca. 50 % der Fälle zuträfe, beliefe sich der Schaden auf mehr als 10 Mio. € jährlich bundesweit.
Zu 2.:
Der Nachweis einer wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung ausschließlich zum Zweck der Vermittlung eines Aufenthaltsrechts für einen Elternteil ist bisher außerordentlich schwer zu führen. Nur in den Fällen, in denen eine wahrheitswidrige Vaterschaftsanerkennung als wissent-liche Täuschung im Rechtsverkehr nachgewiesen werden kann und der Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt ist, haben die Ausländerbehörden die Möglichkeit, den Aufenthalts-titel zurückzunehmen und den Aufenthalt zu beenden. Diese Möglichkeiten würden sich durch die beabsichtigte Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches entscheidend verbessern.
Zu 3.:
Die Landesregierung wird die von der IMK angeregte Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Schaffung eines befristeten Anfechtungsrechts für Träger öffentlicher Belange bei einer Vaterschaftsanerkennung nachdrücklich unterstützen. Unabhängig davon werden die niedersäch-sischen Ausländerbehörden im Rahmen der fachaufsichtlichen Beratung immer wieder bestärkt, in Verdachtsfällen die ausländerbehördlichen Möglichkeiten zur Ermittlung und Aufdeckung von wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennungen auszuschöpfen.
Artikel-Informationen
erstellt am:
20.05.2005
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010
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