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Polizeireform

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 29.10.2004; Fragestunde Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Lennartz (Grüne)


Der Abgeordnete hatte gefragt:

Nach Aussage des Innenministers beinhaltet die gerade verabschiedete Polizeireform ein Polizeipersonalverteilungskonzept, das 210 Beamte, die bisher in den Stäben aktiv waren, dadurch für die operative Polizeiarbeit vor Ort "freisetzt".

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 16. September 2004, dass die Region Hannover im Rahmen der Polizeireform 120 Beamte verliert. 90 von ihnen sollen demnach bereits zum 1. Oktober 2004 in "ländlichen Dienststellen" überwiegend im Raum Osnabrück eingesetzt werden. Die übrigen 30 folgen zum 1. April 2005. Wie vom Innenministerium erläutert wurde, werde damit das Ziel verfolgt, die Polizei in der Fläche zu stärken. Darüber hinaus sei die Maßnahme vorübergehender Natur, in den kommenden fünf Jahren werde die Polizeidirektion wieder aufgestockt. Diese letzte Information wurde in der Kommentierung als "naiv" bezeichnet.

Nach Auskunft des designierten Polizeipräsidenten von Braunschweig, Harry Döring, zeitigt das Verteilungskonzept für seinen Zuständigkeitsbereich folgendes Ergebnis: Zunächst werde die Zusammenführung der Polizeiführungsstäbe der bisherigen Bezirksregierung und der alten Polizeidirektion Braunschweig zu Synergieeffekten und Personaleinsparungen führen. Zudem würde nur noch die Zuweisung von 15 % des Personals über den so genannten Personalsockel erfolgen; die übrigen 85 % sollen sich nach belastungsorientierten Parametern richten. Für die neue Braunschweiger Polizeidirektion bedeutet das eine personelle Verstärkung für die PI Goslar wegen der starken Tourismusströme im Harz und der besonderen Witterungslagen vor allem für den Oberharz einschließlich Braunlage. Die PI Wolfsburg bekommt ebenfalls mehr Personal als bisher - voraussichtlich schon zum Jahresende - wegen der polizeilich relevanten Auswirkungen auf die "Autostadt", die häufig von Staatsgästen besucht wird, aber auch wegen der Fußballbundesliga. Verstärkt werden zudem die PI Salzgitter, die auch die Landkreise Peine und Wolfenbüttel umfasst, sowie der Landkreis Gifhorn. Dennoch wird die Polizeidirektion Braunschweig nach dem landeseinheitlichen Personalberechnungsmodus insgesamt 73 ihrer bisherigen Planstellen abgeben müssen, um in anderen Direktionen des Landes eine vergleichbare Versorgung sicherzustellen (vgl. rundblick vom 16. August 2004)

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Personalwanderungen im Einzelnen bewirkt das Polizeipersonalverteilungskonzept im Bereich der demnächst neuen sieben Polizeidirektionen in Niedersachsen (bitte nach dem Vorbild Braunschweigs ausführen)?

2. Wie viele dieser Wanderungsbewegungen werden durch die "Freisetzung" bisher in den Stäben aktiver Beamter verursacht, wie viele sind Resultat "belastungsorientierter Parameter"?

3. Welche Kosten verursachen die Wanderungsbewegungen im Rahmen der Polizeireform einmalig (z. B. Umzüge, Umbauten, Ausstattung) sowie dauerhaft (z. B. Fahrtkosten, Trennungskosten)?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Am 15.09. dieses Jahres hat der Landtag das Gesetz zur Umorganisation der Polizei und zur Änderung dienst- und personalrechtlicher Bestimmungen verabschiedet und damit die Weichen für eine zukunftsorientierte Polizeiorganisation gestellt. Wir werden damit die Funktionalität und Eigenständigkeit der Polizei stärken, einheitliche Rahmenstrukturen für die Polizeiorganisation schaffen, die Kriminalitätsbekämpfung optimieren und die Stäbe verschlanken. So umfasst die Umorganisation der Polizei des Landes Niedersachsen die Bildung des Landespolizeipräsidiums im Ministerium für Inneres und Sport, die Herauslösung der Polizeiorganisation aus den Bezirksregierungen und die Bildung von sechs regionalen Polizeidirektionen sowie einer Zentralen Polizeidirektion. Die Polizeibehörden und –dienststellen werden zukünftig so aufgestellt werden, dass die übertragenen Aufgaben eigenständig erfüllt werden können und überschneidende Verantwortlichkeiten entfallen.

Auf Ebene der Polizeidirektionen und –inspektionen werden deutlich ausgewogenere Strukturdaten berücksichtigt, die Organisation der Dienststellen ist einheitlich.

Durch die Reduzierung von Führungsdienststellen sowie das Festschreiben von Obergrenzen für Stabsstärken in den Polizeidirektionen und –inspektionen werden landesweit ca. 210 Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte freigesetzt. Diese werden entweder in derselben Behörde bzw. Dienststelle im operativen Bereich eingesetzt oder sie finden in anderen Stabsfunktionen Verwendung und die bisherigen Dienstposteninhaber verändern sich von dort in den operativen Bereich. Da es zu einer Neugliederung von Behörden und Dienststellen kommt, erübrigt sich ein auf diese jeweiligen Organisationseinheiten bezogener Alt-/ Neuvergleich, die Zahl 210 lässt sich durch den Gesamteinsatz vor und nach der Umorganisation belegen.

Losgelöst von dieser Freisetzung ist das für den Polizeivollzugsdienst neu entwickelte Planstellenverteilungsmodell zu betrachten. Durch dieses Modell wird das den regionalen Polizeidirektionen zur Verfügung stehende Planstellenkontingent berechnet. Die Planstellen für die Zentrale Polizeidirektion, das Landeskriminalamt und das Bildungsinstitut der Polizei Niedersachsen werden vorab vom Landeskontingent abgezogen. Eine Verteilung unterhalb der Behördenebene (Polizeiinspektionen pp.) erfolgt durch die Polizeidirektionen in Anlehnung an das Landesmodell. Dadurch können regionale Besonderheiten und Schwerpunkte berücksichtigt werden. Das Modell ist grundsätzlich auf eine belastungsorientierte Verteilung ausgerichtet. In einem Umfang von unter 15% werden vorab die Planstellen als Sockel für bestimmte Aufgaben (Bsp. Staatsschutz, Diensthundführer) und Funktionen (Bsp. Stäbe auf PI- und PD-Ebene) verteilt. Die belastungsorientierte Verteilung basiert auf den Einflussgrößen Fläche (20%), Bevölkerung (45%) und faktorisierte Fallzahlen (35%).

Im Vergleich zum alten Modell erfolgt nunmehr eine sehr viel größere Berücksichtigung dieser belastungsorientierten Parameter. So wurde die Fläche bislang mit ca. 1,4 % des Gesamtplanstellenkontingents berücksichtigt, künftig steigt ihre Berücksichtigung um das ca. 12fache. Die Berücksichtigung der Einwohnerzahl wird künftig ca. 5fach stärker ausfallen. Die Fallzahlen werden zukünftig in faktorisierter Form in die Verteilungsberechnung einfließen. Dadurch werden die Delikte mit einem geringeren Arbeitsaufwand (Bsp. Ladendiebstahl) in Relation zu solchen Delikten mit einem hohen Arbeitsaufwand (Bsp. Mord) gesetzt.

Im alten Modell entfielen ca. 70 % des Gesamtplanstellenkontingents auf festgeschriebene Sockelanteile. Dabei wurden insbesondere die Behörden mit einem vergleichsweise hohen Anteil an Polizeikommissariaten mit Rund-um-die-Uhr-Dienst (mit einem Organisationssockel von mindestens 24 Planstellen) zu Lasten der Behörden mit hohem Anteil an Polizeikommissariaten mit Bedarfsdienst bevorteilt. Im neuen Modell wird auf eine Sockelung auf dieser Organisationsebene verzichtet. Bei in etwa vergleichbaren Belastungs- und Strukturdaten der Polizeiinspektionen Goslar und Gifhorn wird dieser Unterschied deutlich. Die PI Gifhorn verfügte bislang über einen Rund-um-die-Uhr-Dienst sowie fünf Polizeikommissariate mit Bedarfsdienst. Die Behörde bekam für diese PI bislang einen Sockel von 62 Planstellen zugewiesen. Die PI Goslar hingegen war mit vier Rund-um-die-Uhr-Diensten sowie zwei Polizeikommissariaten mit Bedarfsdienst ausgestattet. Hierfür bekam die Behörde einen Sockel von 161 Planstellen zugewiesen. Bei in etwa vergleichbaren Grunddaten dieser beiden PI’en differierte die Sockelung somit um ca. 100 Planstellen. Diese Ungleichbehandlung wird zukünftig nicht mehr erfolgen. So wird auf Behördenebene für beide PI’en zukünftig lediglich ein Sockel für den jeweiligen PI-Stab von 13 Planstellen angerechnet, die weitere Planstellenverteilung orientiert sich an den tatsächlichen Belastungs- und Strukturdaten.

Nach diesem neu entwickelten Verteilungsmodell werden die Vollzugsplanstellen auf die Polizeidirektionen verteilt. Die sich aus dem neuen Modell ergebenden Veränderungen werden stufenweise umgesetzt, so dass natürlich nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt eine vollständige Umstellung vom bisherigen zum neuen Planstellenverteilungsmodell erfolgen kann. Dies würde in der Tat "Personalwanderungen" einschließlich der damit verbundenen Kosten mit sich bringen, die nicht vertretbar wären. Das ist aber auch gar nicht erforderlich, weil durch natürliche Abgänge und unterschiedliche Altersstrukturen in den einzelnen Dienststellen und Behörden in einem mehrjährigen Umsetzungsprozess problemlos die Realisierung des neuen Verteilungsmodells durch die Umverteilung im Wege des Nachersatzes aus der Fachhochschule bzw. Bereitschaftspolizei erfolgen kann. Im ersten Umsetzungsschritt zum 01.10.2004 wurden im Rahmen dieses Nachersatzes der zukünftigen PD Osnabrück 145, der PD Oldenburg 86 und der PD Lüneburg 78 Planstellen zugewiesen. In den PD’en Braunschweig, Göttingen und Hannover wurden die – zumeist altersbedingten – Abgänge zum Versetzungstermin 01.10.2004 nicht ausgeglichen. Aus der PD Hannover heraus wurden zudem 55 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte in andere Behörden versetzt. Die Personalreduzierung in Hannover (minus 90 Stellen zwischen dem 01.04. und 01.10.2004) wird - auch in der Zukunft - eine Grenze von 120 Planstellen nicht überschreiten. Die von der Landesregierung veranlassten zusätzlichen Einstellungen in die Polizei werden sich in den nächsten Jahren nach Ablauf des dreijährigen Studiums erheblich auf die tatsächliche Stärke der Polizei auswirken. Davon profitieren insbesondere die Polizeidirektionen, denen damit mehr Personal für den Dienst am Bürger zur Verfügung stehen wird. Vor diesem Hintergrund wird auch für die Personalstärke in Hannover ein Ausgleich erfolgen.

Dieses vorangestellt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.

Das Planstellenverteilungsmodell bezieht sich lediglich auf die sechs neuen regionalen Polizeidirektionen. Das Planstellenkontingent der Zentralen Polizeidirektion wird als feste Größe in Vorabzug gebracht, sodass hierdurch keine "Personalwanderungen" ausgelöst werden.

Der erste Schritt zur Umsetzung des neuen Planstellenverteilungsmodells auf Behördenebene ist am 01.10.2004 erfolgt. Die Umsetzung auf Ebene der Polizeiinspektionen erfolgt größtenteils ebenfalls in einem abgestuften Verfahren. Im Folgenden werden Änderungen im Planstellenbestand in Folge dieses ersten Umsetzungsschrittes dargestellt. Als Bezugsgröße wurde der Planstellenbestand zum 01.04.2004 herangezogen. Auf die Darstellung geringer Veränderungen (bis zu 1 %) verzichte ich.

In den zukünftigen Polizeiinspektionen Hildesheim, Harburg, Rotenburg, Soltau-Fallingbostel, Stade, Cuxhaven/Wesermarsch, Aurich, Emsland/Grafschaft Bentheim, Leer/Emden und Osnabrück hat der Planstellenbestand um bis zu 10 % zugenommen, in den PI’en Diepholz und Cloppenburg/Vechta liegt dieser Wert sogar über 10 %.

In den zukünftigen Polizeiinspektionen Braunschweig, Peine/Salzgitter/Wolfenbüttel, Northeim/Osterode, Lüneburg/Lüchow-Dannenberg/Uelzen, Oldenburg-Stadt/Ammerland und Verden/Osterholz verringert sich der Planstellenbestand um bis zu 2%. In der zukünftigen PI Nienburg/Schaumburg beträgt dieser Wert ca. 2,8%, in der zukünftigen PI Wilhelmshaven/Friesland/Wittmund ca. 2,5 %. Die PD Hannover hat insgesamt ca. 3% der Stellen abgegeben, wobei innerhalb der PD die zukünftigen Polizeiinspektionen Burgdorf und Garbsen im etwas ländlicher strukturierten Bereich zusätzliche Planstellen erhalten haben.

Vor dem Hintergrund der in den kommenden Jahren wirkenden zusätzlichen Einstellungen wird sich der Planstellenbestand in den sechs Polizeidirektionen positiv entwickeln. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.

Zu 2.

Siehe Vorbemerkungen.

Zu 3.

Der Raum- und Ausstattungsbedarf der Gesamtorganisation Polizei wird sich durch die Umorganisation grundsätzlich nicht erhöhen, da der Gesamtpersonalbestand sich nicht verändert hat. Für das Jahr 2005 werden personalumsetzungsabhängige Kosten in Höhe von ca. 0,8 Mio. € für zu gewährende Trennungsgelder sowie Umzugs- und Fahrtkosten veranschlagt.

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