Umorganisation der Polizei
Sitzung des Niedersächsischen Landtages; TOP 5 und 6 Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP und zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Anrede
wir haben in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben, die bestehende Polizeiorganisation grundlegend zu überprüfen und im erforderlichen Umfang Strukturveränderungen vorzunehmen. Ziel dieser Strukturveränderungen ist die Schaffung einer effektiven und effizienten Polizeiorganisation zur Verbesserung der inneren Sicherheit in Niedersachsen. Unmittelbares Ziel der Umorganisation ist deshalb gerade nicht – und das sage ich jetzt ganz bewusst gleich zu Beginn –Kosten einzusparen. Insofern unterscheidet sich die Organisationsreform der Polizei von der Modernisierung der Landesverwaltung.
Mit dem hier zur abschließenden Beschlussfassung vorliegenden Gesetzentwurf wird nicht nur dieser wichtige Punkt der Koalitionsvereinbarungen erfüllt, sondern bereits mit der Realisierung eines weiteren zentralen Punktes begonnen. Denn gleichzeitig erfolgt heute auch der erste gesetzgeberische Schritt zur Umsetzung der Neuorganisation der Landesverwaltung mit der beschlossenen Auflösung der Bezirksregierungen, die derzeit organisatorisch als Polizeibehörden noch polizeiliche Aufgaben wahrnehmen.
Anrede,
auf der Grundlage des Abschlussberichts der von mir eingerichteten Arbeitsgruppe "Organisation der Polizei" wird es zukünftig in Niedersachsen acht Polizeibehörden geben. Neben dem Landeskriminalamt sind dies die sechs regionalen Polizeidirektionen sowie die Polizeibehörde für zentrale Aufgaben.
Die neue Organisationsstruktur ist mit Anzahl und Zuschnitt der Polizeidirektionen an der sicherheitspolitischen Strategie der Landesregierung, den kriminalgeografischen Aspekten, den poli-zeilichen Einsatzbelangen, effizienten Arbeits- und Führungsstrukturen sowie den Regionalstrukturen des Landes ausgerichtet. Sie gewährleistet ein durchgängig hohes Maß an erforderlicher Funktionalität und Leistungsfähigkeit. Bisherige Unebenheiten werden beseitigt. So werden künftig nicht mehr in einer Polizeidirektion fast 10-mal so viel Einwohner zu betreuen sein wie in einer anderen, sondern nur noch maximal das 1 ½-fache. Auch wird eine Polizeibehörde nicht mehr das 5-fache an Personal haben wie eine andere. Zukünftig werden sich die vorhandenen kriminalgeografischen und einsatztaktischen Aktionsräume grundsätzlich in einer polizeilichen Behördenverantwortung befinden – dies betrifft insbesondere die Ballungsgebiete innerhalb Niedersachsens aber auch die Grenzen zu Hamburg, Bremen und den Niederlanden. Vergleich-bares gilt für andere Struktur- und Belastungsdaten wie Straftatenaufkommen, Anzahl der Verkehrsunfälle und die zu betreuende Fläche.
Weiterhin wird zusätzliches Personal für polizeiliche Exekutiv- und Präsenzaufgaben insbesondere durch die Zusammenlegung der bisherigen 50 Polizeiinspektionen auf zukünftig 33 Inspektionen freigesetzt.
Anrede,
durch diese Umstrukturierung werden die Rahmenbedingungen der polizeilichen Arbeit verbessert, die Stärkung der Fläche wird neben der beschlossenen zusätzlichen Einstellung von Polizeianwärtern durch die Verschlankung der Stäbe erreicht und die Kriminalitätsbekämpfung wird durch einen zielgerichteteren Einsatz von Kompetenzen und Ressourcen optimiert.
Anrede,
im niedersächsischen SOG wird jedoch nicht nur die neue Organisationsstruktur der Polizeibehörden festgelegt. Da die Verwaltungsmodernisierung mit der Auflösung der Bezirksregierungen auch die Organisation der Verwaltungsbehörden der allgemeinen Gefahrenabwehr nach dem niedersächsischen SOG betrifft, werden die regionalen Polizeidirektionen in Zukunft gleich-falls auch Aufgaben der Gefahrenabwehrbehörden übernehmen.
Anrede,
zu den Kosten der Umorganisation lassen Sie mich folgendes sagen:
Die Regierungsfraktionen haben mit der Gesetzesvorlage eine solide Abschätzung über die mit der Umorganisation der Polizei unmittelbar verbundenen Kosten vorgelegt. Ich finde es schon bemerkenswert, wie von der Opposition versucht wird, die Kosten dieser Umorganisation einseitig und in untauglicher Weise in die Höhe zu reden und gleichzeitig mit keinem Wort auch nur andeutungsweise den Blick auf den Nutzen der Reform zu richten.
Meine Damen und Herren von der Opposition:
Wenn sich die frühere Landesregierung auch nur annähernd die gleichen Gedanken über die Kostenfolgen ihrer Maßnahmen gemacht hätte, wie jetzt diese Landesregierung zusammen mit den sie tragenden Fraktionen, dann hätten wir heute eine Menge weniger Probleme.
Wesentliche Eckpunkte der kostenmäßigen Auswirkung der Polizeireform sind:
• Aus sechs polizeilichen Flächenorganisationen werden sechs Flächendirektionen.
• Die Anzahl der Polizeiinspektionen wird von 50 auf 33 reduziert.
• Die Umorganisation führt zu einer Verschlankung der Stäbe bei gleichzeitiger Qualitätsverbesserung und Effizienzerhöhung, denn die Verschlankung der Stäbe führt letztlich zur "Freisetzung" von etwa 210 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten für die operative Polizeiarbeit vor Ort.
• Die Verringerung der Anzahl der Polizeiinspektionen führt für den Bereich der Notrufstellen zu einer Verminderung der in der Altorganisation notwendigen Investitionen im Technikbereich.
• Zur Unterbringung der Behörden und Dienststellen werden nicht "zusätzliche" sondern lediglich "andere" Flächen/Gebäude benötigt.
• Entbehrliche Liegenschaften werden so schnell wie möglich einer Verwertung durch den Landesliegenschaftsfonds zugeführt um zu einer Entlastung des Landeshaushaltes beizutragen.
Dieses führt im Bezug auf die Kosten zu:
• mittel- bis langfristig zu einem derzeit noch nicht bezifferbaren Beitrag zur Entlastung des Landeshaushaltes insbesondere im Verbund mit dem Fortgang der Verwaltungsmodernisierung;
allerdings auch
• zu der Notwendigkeit einer "Anschub-Finanzierung" –und damit zu einem befristeten Mehrbedarf im Haushalt.
Insgesamt ergibt sich ein Anschubfinanzierungsbedarf in den ersten drei Jahren i.H.v. rd. 9 Mio. Euro.
Anrede,
unsere Vorstellung von effektivem Mitteleinsatz heißt: Wir wollen mit dem, was wir haben, bessere Arbeit leisten können. Das werden wir mit der Umorganisation der Polizei erreichen und das ist auch eine Form von Sparsamkeit.
Anrede,
in diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung zur Übertragung der Aufgaben des Brand- und Katastrophenschutzes von den Bezirksregierungen auf die Polizeidirektionen.
Sowohl von den Aufgabeninhalten als auch von den zu erwartenden positiven Effekten bei der Verknüpfung mit den anderen Aufgaben der Polizeidirektionen - etwa im Bereich der Stabsarbeit – gibt es zu dieser Lösung keine Alternative. Eine gleichmäßige Aufgabenwahrnehmung durch alle sechs Polizeidirektionen erleichtert und optimiert in der Alltagsarbeit insbesondere die erforderliche Koordination mit anderen Landesbehörden und gewährleistet eine sachgemäße Beratung und Unterstützung der kommunalen Aufgabenträger.
Das Personal der Bezirksregierungen wird an deren Standorten in vorhandenem Umfang – zwei Stellen des höheren Dienstes, vier Stellen des gehobenen Dienstes und eine Stelle des mittleren Dienstes – von den Polizeidirektionen übernommen. Die Polizeidirektionen in Osnabrück und Göttingen werden – soweit nach den Anforderungsprofilen möglich - zunächst mit kw-Stellen ausgestattet, sofern sie auf Dauer erforderlich sind. Nach deren Wegfall sind die Stellen im Bereich des Kapitels 0320 zu erwirtschaften.
Dadurch können nennenswerte finanzielle Belastungen durch die Erhöhung der Zahl der Behörden vermieden werden.
Anrede,
zum Abschluss noch einige Anmerkungen zum Entschließungsantrag der Grünen.
Wir haben in einer Rechtsfrage, zu der in der Rechtsliteratur – was ja durchaus nicht gerade unüblich ist – unterschiedliche Meinungen vertreten werden eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegen. Wir haben die grundsätzliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Einrichtung staatlicher Behörden einschließlich der Zuständigkeitsabgrenzungen nicht dem Gesetzesvorbehalt unterliegen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat unmissverständlich dargelegt, dass der Artikel 41 der Niedersächsischen Verfassung, wonach allgemein verbindliche Vorschriften der Staatsgewalt, durch die Rechte oder Pflichten begründet, geändert oder aufgehoben werden, der Form des Gesetzes bedürfen, eben nicht so zu verstehen ist, dass sich dieser Gesetzesvorbehalt auch auf organisatorische Regelungen und Zuständigkeiten erstreckt.
Meine Damen und Herren von den Grünen,
wenn Sie hier schon einen Entschließungsantrag stellen, dann sollten Sie doch auch die Frage beantworten können, warum Sie denn selber, als sie 1994 die Mitverantwortung für die Schaffung des Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetzes hatten, darin gesetzliche Bestimmungen für die Bezirksregierungen und die Polizeidirektionen aufgenommen haben, die genau so wenig die sachliche Zuständigkeit regelten wie die heute von Ihnen so vehement kritisierte Regelung des
§ 90 des Nds. SOG ?
Regelungen über die sachliche Zuständigkeit von Polizeibehörden greifen nicht unmittelbar in die Grundrechte unserer Bürgerinnen und Bürger ein. Diese Rechte sind erst dann betroffen, wenn die Polizei im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung Maßnahmen ergreifen muss, wenn sie etwa Durchsuchungen vornimmt, Ingewahrsamnahmen ausspricht oder auch Observationen durchführt.
Anrede,
selbstverständlich ist der Vorbehalt des Gesetzes unbedingt einzuhalten, wenn es zu diesen Eingriffsmaßnahmen kommt. Dafür haben wir im niedersächsischen SOG für alle polizeilichen Eingriffsmaßnahmen klare gesetzliche Befugnisse.
An dieser Stelle sind sie zum unmittelbaren Grundrechtsschutz der Betroffenen auch erforderlich. Organisatorische Regelungen von polizeilichen Zuständigkeiten haben demgegenüber keine unmittelbare Eingriffsqualität.
Meine Damen und Herren von den Grünen,
ich darf Ihnen versichern, unsere Bürgerinnen und Bürger wissen genau, dass sie nicht – wie Sie hier suggerieren wollen - vor polizeilichem Handeln geschützt werden müssen, sondern dass die niedersächsische Polizei in ihrer täglich schwierigen und vielfältigen Aufgabenerfüllung ein Garant für ihren Schutz und ihre Sicherheit ist.
Artikel-Informationen
Nds. Ministerium für Inneres, Sport und Digitalisierung
Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport
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