Polizeieinsatz bei NPD-Kundgebung
Sitzung Nds. Landtag am 25.06.2004; Fragestunde Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lennartz, Meihsies und Briese (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Abgeordneten hatten gefragt:
Während einer Kundgebung zum Thema "Nein zum Beitritt der Türkei" der NPD und deren Jugendorganisation am 13. März 2004 auf dem Marktplatz von Rotenburg/Wümme wurde unter den Augen der Polizei ein passiv beteiligter Jugendlicher von einem Neonazi mit einer hölzernen Plakatstange brutal zusammengeschlagen. Der Jugendliche wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht und trägt noch heute zur Stabilisierung seines Jochbeins eine Stahlplatte im Schädelknochen. Nach Medienberichten hat die Polizei, obwohl direkt anwesend und nebenstehend, den Schläger lediglich beiseite geschoben, eine direkte Festnahme erfolgte nicht. Erst nach mindestens einer halben Stunde wurde der Täter am Bahnhof festgenommen.
Wir fragen die Landesregierung:
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Welche polizeitaktischen Maßnahmen haben dazu geführt, dass der offensichtliche Straftäter erst weit nach der Tat festgenommen wurde, obwohl mindestens drei Polizeibeamte die Tat beobachtet haben?
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Welche Maßnahmen hat die Polizei eingeleitet, um die Flucht des Täters zu verhindern?
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War der Polizei der Täter namentlich und hinsichtlich seiner Gewaltbereitschaft bekannt? Wenn ja, warum hat die Polizei nicht schon vor oder während der Kundgebung die Person isoliert?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Am 26.02.2004 meldete der Ortsverband der Kreisgruppe Verden/Rotenburg der NPD/JN beim Landkreis Rotenburg für den 13.03.2004 in dem Zeitraum von 10.00 – 14.00 Uhr eine Kundgebung unter dem Motto: "Nein zum EU-Beitritt der Türkei" auf dem Pferdemarkt in Rotenburg (Wümme) an. Der Veranstalter ging von ca. 75 Teilnehmern aus.
Das "Rotenburger Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus" meldete am 09.03.04 für den gleichen Tag in der Zeit von 09.30 – 11.00 Uhr eine Demonstration (Auftakt-/ Abschlusskundgebung und Aufzug) in Rotenburg gegen die Kundgebung der NPD/JN an. Der Anmelder erwartete ca. 200 – 250 Teilnehmer.
Beide Versammlungen hatte der Landkreis Rotenburg unter Erteilung von Auflagen bestätigt. Der Einsatz wurde von der Polizeiinspektion Rotenburg vorbereitet und durchgeführt. Vorrangiges Ziel war die Gewährleistung eines friedlichen Verlaufes der versammlungsrechtlichen Aktionen, u. a. durch eine strikte Trennung des rechten und linken Spektrums.
Am 13.03.04 begann gegen 10.00 Uhr die angekündigte Gegendemonstration mit zunächst ca. 350 Teilnehmern. Im weiteren Verlauf stieg die Teilnehmerzahl auf ca. 600 Personen an.
Gegen 11.00 Uhr trafen 33 Angehörige der NPD/JN am Bahnhof in Rotenburg ein und wurden durch Polizeikräfte zum Veranstaltungsort, dem Pferdemarkt, begleitet.
Nach dem die Gegendemonstration gegen 11.25 Uhr beendet wurde, bildeten sich aus diesem Spektrum mehrere Gruppen, die sich in Richtung des Veranstaltungsortes der NPD/JN bewegten.
Während der Kundgebung der NPD/JN kam es zu vereinzelten Stein- bzw. Eierwürfen. Ein Polizeibeamter wurde hierbei durch einen Steinwurf verletzt. Eine tatverdächtige Person konnte identifiziert und festgenommen werden. Durch konsequentes und zielgerichtetes Einschreiten der Polizei konnte zu diesem Zeitpunkt ein Aufeinandertreffen links- und rechtsgerichteter Personen verhindert werden.
Um 12.34 Uhr beendete der Versammlungsleiter die Kundgebung der NPD/JN, an der insgesamt etwa 35 Personen teilgenommen hatten. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch etwa 400 Personen der vorangegangenen Gegendemonstration im Bereich des Kundgebungsortes.
Zur weiteren Verhinderung des Aufeinandertreffens der rivalisierenden Gruppen geleitete die Polizei die Teilnehmer der Kundgebung der NPD/JN geschlossen zur Rückfahrt zum Bahnhof. Es kam zu einzelnen Beschimpfungen und Versuchen, unmittelbar an die Personengruppe der NPD/JN heranzukommen. Die Stimmung war insgesamt sehr gereizt.
In dieser Phase verletzte eine Person aus der Gruppe der NPD/JN eine Person aus der rivalisierenden Gruppe durch einen Schlag mit einer hölzernen Plakatstange samt Plakat am Kopf. Ein in unmittelbarer Nähe befindlicher Polizeibeamter schritt daraufhin unverzüglich ein, stellte das Tatwerkzeug als Beweismittel sicher, führte eine Identitätsfeststellung durch und nahm den Tatverdächtigen fest. Gleichzeitig gewährleistete ein weiterer Polizeibeamter die ärztliche Versorgung der verletzten Person.
Der festnehmende Beamte wurde bei seinem Einschreiten von anwesenden Personen, die dem linken Spektrum zuzuordnen waren, bespuckt und massiv bedrängt.
Aus Gründen der Eigensicherung und um eine weitere Eskalation der Situation zu vermeiden, sah der Beamte in diesem Moment keine Möglichkeit zum Abtransport der festgenommenen Person.
Aus diesem Grund veranlasste er über die Einsatzleitung einen Transport nach dem Erreichen des Bahnhofes zum Zwecke der Durchführung weiterer polizeilicher Maßnahmen. Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch gegen die festgenommene Person eingeleitet.
Der Rat der Stadt Rotenburg (Wümme) hat sich in einer gemeinsamen Resolution nachdrücklich bei der Polizei für den "besonnenen und konsequenten Einsatz" bedankt (Rotenburger Kreiszeitung v. 27.03.2004)
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage der Abgeordneten namens der Landesregierung wie folgt:
zu 1.:
Siehe Vorbemerkungen.
zu 2.:
Siehe Vorbemerkungen.
zu 3.:
Nein.