Widerspruchsverfahren
Sitzung Nds. Landtag am 25.06.2004; Fragestunde Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Emmerich-Kopatsch (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!
Die Landeszeitung vom 09. Juni 2004 berichtet, dass sich innerhalb der Gerichte der Widerspruch gegen die von CDU und FDP geplante Abschaffung des Widerspruchsverfahrens mehrt. Dieses Vorhaben im Zuge der ohne ergebnisoffene Aufgabenkritik und ohne vorherige Folgekostenabschätzung beschlossenen Abschaffung der vier niedersächsischen Bezirksregierungen wird als "bürgerunfreundliche Maßnahme" bezeichnet, weil dem Bürger die Möglichkeit genommen wird, dass ein Bescheid noch einmal überprüft wird, ohne dass gleich der gerichtliche Weg beschritten werden muss.
Ich frage die Landesregierung:
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Teilt sie die Einschätzung der Verwaltungsgerichte, dass die Qualität verwaltungsbehördlicher Entscheidungen durch das Vorhandensein einer verwaltungsinternen Prüfungsinstanz maßgeblich beeinflusst wird und daher durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahren abnehmen wird, wenn nein, warum nicht?
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Welche Auswirkungen hat die Abschaffung des Widerspruchsverfahren für den Rechtsschutz der Bürgerinnen und Bürger?
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Ist eine Klage kostengünstiger als ein verwaltungsbehördliches Widerspruchsverfahren, oder trifft es zu, dass sich der Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger durch die Abschaffung des Widerspruchsverfahren verteuern wird und ihnen die Chance genommen wird, einfach und schnell zu ihrem Recht zu kommen?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Die Landesregierung will im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung Verwaltungsentscheidungen vereinfachen und beschleunigen. Dem dient auch der Entwurf des Gesetzes zur Modernisierung der Verwaltung in Niedersachsen, mit dem die Bezirksregierungen aufgelöst und das Vorverfahren im Wesentlichen abgeschafft werden soll. Die Abschaffung des Vorverfahrens dient der Verschlankung von Verwaltung. So besteht die Chance für schnellere Entscheidungen.
Im Ergebnis der Anhörung sind im Entwurf nun Ausnahmen für Vorverfahren vorgesehen, bei denen eine besonders hohe Abhilfequote vorlag und vom Vorverfahren eine ausgeprägte Befriedungswirkung erwartet wird. Damit soll eine überproportionale Steigerung der Arbeitsbelastung bei den Verwaltungsgerichten bzw. Sozialgerichten und eine dadurch einhergehende unnötige Kostensteigerung vermieden werden.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Behörden der Kommunen und des Landes treffen ihre Entscheidungen mit einer sehr hohen Richtigkeitsgewähr. In der Regel werden ihre Entscheidungen von der Widerspruchsbehörde und, im Falle einer Klage, von den Verwaltungsgerichten bestätigt. Einen maßgeblichen Einfluss des Vorverfahrens auf die Qualität der Entscheidungen kann die Landesregierung deshalb nicht feststellen. Die Landesregierung geht davon aus, dass mit der Stärkung der Kommunen als Ergebnis der Verwaltungsmodernisierung die Qualität der Verwaltungsentscheidungen zunehmen wird.
Zu 2.:
Mit der prinzipiellen Abschaffung des Vorverfahrens wird ein förmlicher außergerichtlicher Rechtsbehelf unstatthaft, dessen Misserfolg derzeit formale Voraussetzung für die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage ist. Der gerichtliche Rechtsschutz wird nicht berührt. Eine verwaltungsinterne Überprüfung von Entscheidungen in rechtlicher und fachlicher Hinsicht ist allerdings weiterhin durch die zahlreichen nichtförmlichen Rechtsbehelfe (Eingaben, Petitionen o. ä.) möglich.
Zu 3.:
Die Verwaltung arbeitet rechtlich auf so hohem Niveau, so dass der Bürger in der Regel bereits mit der ersten Entscheidung der Behörde die rechtlich richtige Entscheidung erhält, also in dem Falle, dass der Bürger einen Anspruch geltend macht, "zu seinem Recht" kommt. Ein erfolgloses Vorverfahren ist für den Widerspruchsführer regelmäßig mit geringeren Kosten verbunden als eine abgewiesene Klage. Die Landesregierung ist jedoch davon überzeugt, dass auch das informelle Konfliktmanagement der Behörden eine hohe Befriedungswirkung für die Betroffenen haben wird.