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Abschaffung des Widerspruchsverfahrens

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 25.06.2004; Fragestunde Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Helberg (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!


Der Abgeordnete hatte gefragt:

Die CDU/FDP-Landesregierung will im Zuge der von ihr ohne Folgekostenanalyse beschlossenen Abschaffung der Bezirksregierungen das Widerspruchsverfahren in Niedersachsen nahezu vollständig abschaffen, verbleibende Widerspruchsverfahren sollen nach Möglichkeit einstufig ausgestaltet werden, d. h. die Ausgangsbehörde ist gleichzeitig auch Widerspruchsbehörde.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Wie hoch war in den Jahren 2002 und 2003 die Klagequote und wie hoch die Erfolgsquote von Klagen gegen Verwaltungsakte, in denen die Ausgangsbehörde zugleich Widerspruchsbehörde war?

  2. Wie hoch war in den Jahren 2002 und 2003 die Klagequote und wie hoch die Erfolgsquote von Klagen gegen Verwaltungsakte, bei denen Bezirksregierungen über den Widerspruch entschieden haben?

  3. Wie erklärt sich die Landesregierung diese Unterschiede?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zu 1.:

Die Bezirkregierungen waren insbesondere im Bereich des Arbeits- und Beamtenrechts, bei Berufserlaubnissen und Approbationen für Ärzte und Apotheker, bei kommunalaufsichtlichen Verwaltungsakten, bei der Sparkassenaufsicht, bei Lotterien und Sportwetten sowie im Zuwendungsrecht sowohl Ausgangsbehörde des Erstbescheides als auch Widerspruchsbehörde. Eine erhöhte Widerspruchs- und Klagequote war hier nur auf dem Gebiet des Arbeits- und Beamtenrechts zu verzeichnen. Im Jahr 2002 wurden von 199 eingelegten Widersprüchen 156 zurückgewiesen. Von 77 eingelegten Klagen wurden zwei stattgegeben, 14 abgewiesen, 61 sind noch anhängig. 2003 wurden 126 Widersprüche erhoben, von denen 100 zurückgewiesen wurden. Bei 38 Klagen sind 36 noch anhängig, einer wurde stattgeben und eine abgewiesen. In den anderen Rechtsgebieten ist die Widerspruchsquote sehr gering. Bei der Gewährung von Zuwendungen im Bereich der Jugendarbeit wurden beispielsweise 2002 von 27 eingelegten Widersprüchen 22 zurückgewiesen. Es wurde keine Klagen erhoben. 2003 wurden 21 Widersprüche erhoben, von denen 14 zurückgewiesen wurden. Es gab wiederum keine Klagen.

Zu 2.:

Die Bezirkregierungen sind auf rund 65 unterschiedlichen Rechtsgebieten zweitinstanzlich als Widerspruchsbehörde tätig. In den meisten so genannten Massenverfahren wie dem Ausländerrecht mit jährlich ca. 1.300 Widersprüchen, dem Straßenverkehrsrecht mit knapp 1.000 Widersprüchen, bei der Erteilung bzw. dem Entzug von Fahrerlaubnissen mit rund 600 Widersprüchen sowie dem Erziehungsgeld mit 200 Widersprüchen liegt die Zurückweisungsquote bei rund 85 %. Die Klagenquote im Ausländerrecht liegt zwar jährlich bei ca. 45 %, wovon aber nur 2-3 % der Klagen stattgegeben wurden. Ähnlich verhält es sich bei den Fahrerlaubnissen, wo 2002 die Klagequote 26% und 2003 17 % betrug, aber die Stattgabequote unter einem Prozent lag.

Zu 3.:

Ein signifikanter Unterschied zwischen der zweitinstanzlichen Tätigkeit als reine Widerspruchsbehörde zu der erstinstanzlichen Tätigkeit als Ausgangs- und Widerspruchsbehörde ist nicht zu verzeichnen. Vielmehr ergeben sich die Unterschiede durch die Verschiedenartigkeit der Rechtsgebiete. Bei Verwaltungsakten im Gebiet des Ausländerrechts, der Entziehung von Fahrerlaubnissen als auch auf dem Gebiet des Arbeits- und Beamtenrechts ist die Bereitschaft, den vollen Rechtsweg zu beschreiten, wesentlich ausgeprägter als beispielsweise beim Erziehungsgeld (Klagequote ca. acht Prozent bei rund 200 Widerspruchsverfahren). Im Schulrecht enthielten die von den Schulen gefertigten Ausgangsbescheide oftmals formelle Mängel, die die hohe Abhilfequote von ca. 40 Prozent bei rund 800 Widersprüchen erklärt. Die Klagequote betrug hingegen nur noch ca. 20 Prozent wovon auch nur 20 Prozent stattgegeben wurden.

Die Landesregierung hat diesen Unterschieden bereits Rechnung getragen und daher das Widerspruchsverfahren bei problematischen Rechtsgebieten, wie dem Schulrecht, dem Beamtenrecht, dem Baurecht, im gesamten Umweltrecht und auf dem Gebiet der Sozialhilfe beibehalten. Bei den Rechtsgebieten, wo die Erfolgsquote des Widerspruchs durch die gute Qualität der Ausgangsentscheidung gering bzw. die Anzahl der Widerspruchsverfahren marginal und keine überproportionale Mehrbelastung der Verwaltungsgerichte zu befürchten war, wurde das Vorverfahren abgeschafft.

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