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Zugunglück in Bad Münder

Sitzung des niedersächsischen Landtages; Fragestunde Innenminister Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bartling und Brockmann (SPD)


Die Abgeordneten hatten gefragt:

Nach dem Zugunglück am 9. September 2002 in Bad Münder wurde die Besorgnis geäußert, dass mittelbar und unmittelbar am Unfallgeschehen Beteiligte sowie möglicherweise sogar die Bevölkerung gesundheitliche Schäden durch frei gewordene Chemikalien davongetragen haben könnten. Es wurden Untersuchungen zugesagt, um diesen Befürchtungen nachzugehen.

Nach aktuellen Pressemitteilungen wurde in Feuerwehrversammlungen in Bad Münder und in Eimbeckhausen Unverständnis darüber geäußert, dass diese Untersuchungen für Beamtinnen und Beamte der Polizei und des Bundesgrenzschutzes abgeschlossen seien, sich dies aber für Feuerwehr und Bevölkerung noch hinziehen würde.

Wir fragen die Landesregierung:

1.Ist die Information richtig, dass für Beamtinnen und Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz die entsprechenden Untersuchungen abgeschlossen sind?

2.Welche Gründe liegen für die bisher nicht erfolgten abschließenden Untersuchungen der Feuerwehrkräfte und der Bevölkerung vor, und kann die Landesregierung ausschließen, dass der finanzielle Aufwand für die Realisierung der noch notwendigen Untersuchungen ein Grund für Verzögerung bzw. Nichtdurchführung ist?

3.Ist die Information aus den Presseveröffentlichungen richtig, dass für Feuerwehr und Bevölkerung "weitaus feinere Messmethoden" angewandt werden sollen? Wenn ja, besteht die Absicht, für Polizei und BGS diese "weitaus feineren Messmethoden" nachträglich anzuwenden?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Der beim Bahnunfall in Bad Münder ausgetretene Stoff Epichlorhydrin ist eine giftige, Krebs erzeugende und Erbgut schädigende Substanz. Bei der Aufnahme in den Körper entstehen so genannte Hämoglobinaddukte, die zwar noch nichts über die gesundheitlichen Auswirkungen aussagen, aber es erlauben, die tatsächlich aufgenommene Epichlorhydrindosis nachträglich zu bestimmen.

Nach dem Epichlorhydrin-Gefahrgutunfall in Bad Münder sind von verschiedener Seite unter-schiedliche Untersuchungsmethoden eingesetzt worden, um mit komplexer und zeitintensiver Labordiagnostik der Frage nachzugehen, ob sich bei Einsatzkräften oder auch betroffenen Bürgern Hinweise auf einen Epichlorhydrinkontakt finden.

Für Polizeivollzugsbeamte des Landes und des Bundesgrenzschutzes sind unmittelbar nach dem Unfall Adduktbestimmungen bei der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in Auftrag ge-geben worden. Für diese Untersuchungen musste zunächst ein Verfahren aufgebaut und validiert werden. Das nunmehr entwickelte Verfahren ermöglicht es, Spitzenbelastungen sicher aufzu-decken – ein vorgeblich empfindlicheres Verfahren aus Schweden konnte hingegen weder von den Instituten der MHH noch später der Universität Göttingen reproduziert werden. Die Adduktbestimmungen für die Polizei- und BGS-Beamten mit dem MHH-Verfahren sind abgeschlossen.

Ebenfalls unmittelbar nach dem Unfall beauftragte die Feuerwehrunfallkasse das Umweltbundesamt mit spezifischen Untersuchungen an der Erbsubstanz einer Gruppe von Feuerwehrleuten. Die Gruppe besteht aus Personen, bei denen ein Kontakt mit Epichlorhydrin wahrscheinlich ist; sie wurden anhand der Ergebnisse der direkt nach dem Unfall vom Gesundheitsamt Hameln-Pyrmont eingeleiteten Leberwertbestimmungen ausgesucht.

Der öffentliche Gesundheitsdienst (Niedersächsisches Sozialministerium, Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, Gesundheitsamt des Landkreises Hameln-Pyrmont) führt für alle Beteiligten ein mehrstufiges Untersuchungsprogramm durch. Dieses umfasst dabei nicht nur Anwoh-ner, sondern auch Feuerwehrleute und sonstige Einsatzkräfte, bei denen zum Teil fremdveranlasste, das offizielle Untersuchungsprogramm ergänzende Untersuchungen vorgenommen wurden.

Dieses Untersuchungsprogramm besteht dabei sowohl aus epidemiologischen Untersuchungen wie aus Laborverfahren. Die Universität Göttingen, die im Rahmen dieses Programms den Auftrag für die umfangreichen Blutuntersuchungen einschließlich Adduktbestimmungen erhalten hat, versucht u.a. derzeit, ein empfindlicheres Verfahren als die von der MHH bereits eingesetzte Methode zur Adduktbestimmung zu entwickeln.

Einsatzkräfte und die Bürgerinitiativen sind in einer vom Kompetenzzentrum für Großschadenslagen im Ministerium für Inneres und Sport organisierten Informationsveranstaltung am 20.08.2003 in Bad Münder über das Untersuchungsprogramm zur Gesundheitsfolgenabschätzung informiert worden. Eine weitere Veranstaltung zum aktuellen Stand der Untersuchungen ist für den 01.06.2004 geplant.

Dies vorausgeschickt beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Ja.

Es gibt zurzeit keinen wissenschaftlich begründeten Hinweis auf eine gesundheitliche Schädigung mit eventuellen bleibenden gesundheitlichen Folgen durch den beruflichen Einsatz beim Bahnunfall in Bad Münder.

Zu 2: Der Zeitbedarf für das Untersuchungsprogramm zur Gesundheitsfolgenabschätzung ergibt sich aus der Komplexität der Untersuchungen, der Menge der zu untersuchenden Blutproben sowie der notwendig geworden Modifikationen im Untersuchungsablauf.

Die zeitliche Streckung des Untersuchungsprogramms beruht auf den geschilderten Schwierigkeiten, das Verfahren zur Adduktbestimmung zu modifizieren und zu verbessern. Finanzierungsfragen haben keinen Einfluss auf die Untersuchungsdauer.

Zu 3:

Medizinisches Wissen und labortechnische Untersuchungsmöglichkeiten entwickeln sich ständig weiter. Die Medizinische Hochschule Hannover und die Universität Göttingen arbeiten an einer Verbesserung der Nachweisgrenze für Hämoglobinaddukte. Das Land hat – unabhängig von der Finanzierung der alternativen Methodenentwicklung in Göttingen – der MHH die für die Beschaffung einer Ionenquelle benötigten Mittel zur Verfügung gestellt, mit der voraussichtlich die Nach-weismöglichkeit um den Faktor zwei verbessert werden kann. Wenn mit der so verbesserten Methode oder mit der alternativen Methode auffällige Hämoglobinadduktnachweise bei den in den Labors vorhandenen Blutproben der mutmaßlich am höchsten belasteten Personen gelin-gen, besteht die Möglichkeit – wie im Zeitplan des Untersuchungsprogramms vorgesehen - die Untersuchungen auf die weiterhin noch eingelagerten Blutproben auszudehnen. Eine Ungleichbehandlung der Einsatzkräfte wird es prinzipiell nicht geben; die Blutproben der untersuchten Polizeibeamten sind im Institut für Arbeitsmedizin der MHH so gelagert, dass eine nochmalige Untersuchung jederzeit möglich ist.

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