Kompetenzzentrum Großschadenslagen
Sitzung des niedersächsischen Landtages; TOP 24 Rede von Innenminister Schünemann zur Großen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Anrede,
die Landesregierung hat die Katastrophen und Großschadensfälle der vergangenen Jahre ausgewertet und ist gemeinsam mit den anderen Ländern und dem Bund dabei, die neu entwickelte "Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung" umzusetzen. Die Ereignisse des 11. September 2001, das Elbehochwasser 2002 und nicht zuletzt der Bahnunfall in Bad Münder am 09. September 2002 haben uns vor Augen geführt, wie wich-tig und notwendig in der Bundesrepublik Deutschland ein von gesamtstaatlicher Verantwortung getragenes gemeinsames Krisenmanagement von Kommunen, Ländern und Bund ist. Das Land steht – gemeinsam mit den anderen Ländern und dem Bund – zu seiner Verantwortung für die Sicherheit und den Schutz der Bevölkerung in Katastrophenfällen, bei großflächigen Schadensereignissen und im Fall einer Bedrohung durch den internationalen Terrorismus. Die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gibt mir eine willkommene Gelegenheit, dieses Haus und die Öffentlichkeit über die Aktivitäten des Landes zu unterrichten.
Die Einrichtung des Kompetenzzentrums für Großschadenslagen durch die damalige Landesregierung entspricht einem einmütigen Beschluss dieses Hauses. Es wird von der Erkenntnis getragen, dass die Bewältigung außergewöhnlicher, großflächiger Gefahren- und Schadenslagen ein neues strategisches Denken erfordert, das nicht an Gebiets- und Zu-ständigkeitsgrenzen aufhören darf. Informationsflüsse müssen horizontal und vertikal optimiert und koordiniert, das Ressourcenmanagement muss einheitlich strukturiert und fachübergreifend organisiert werden.
Die "Neue Strategie zum Schutze der Bevölkerung" zielt darauf ab, auf der Grundlage von Risikoanalysen ein abgestuftes System von örtlichen, überörtlichen und speziellen bundesweit einsetzbaren Einsatzkräften zu schaffen und einzusetzen. Die bestehenden Hauptgefährdungspotenziale werden zurzeit mit Blick auf die bundeseinheitlichen Planungsziele aufbereitet. Auf dieser Grundlage werden die Entscheidungen über die Verteilung und Stationierung einer ergänzenden Bundesausstattung nach einheitlich beschriebenen und gewichteten Kriterien erfolgen. Bund und Länder werden ihre Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung in allen denkbaren Schadens- und Katastrophenfällen weiterhin in abgestimmter Form wahrnehmen. Zu den flächendeckend vorhandenen Schutz-potenzialen im Alltag und standardisierte Ergänzung treten in einer 3. Ausstattungsstufe spezielle Einsatzkräfte und –mittel für gefährdete Regionen und Einrichtungen wie Kernkraftwerke und Seveso-II-Betriebe und in einer 4. Stufe Spezialkräfte (Task Forces) für von Bund und Ländern gemeinsam definierte besondere Gefahren.
Das Kompetenzzentrum, meine Damen und Herren, besteht in einem Großschadensfall zunächst aus den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Brand- und Katastrophenschutz-referate des Ministeriums für Inneres und Sport als Kern eines Krisenteams. Andere Fachleute der Landesverwaltung und darüber hinaus alle, die zur Bekämpfung der jeweiligen Großschadenslage mit spezifischen Fachkenntnissen beitragen sollen, werden nach Bedarf hinzugezogen. Es ist rund um die Uhr erreichbar. Die Alarmierung erfolgt über das ständig besetzte Lagezentrum der Landesregierung des Innenministeriums vorhandene technische Ausstattung und Infrastruktur im Ereignisfall zur Verfügung steht. Zusätzlich angeschaffte Technik und organisatorische Vorkehrungen stellen sicher, dass im Ereignisfall die Lagebewertungen der Polizei, der Feuerwehr und der Fachbehörden zu einem umfassenden Lagebild zusammengeführt werden, das zur Unterrichtung der Landesregierung genutzt werden kann und es erlaubt, Beratungsbedarf zu erkennen.
Auch nach der Einrichtung des Kompetenzzentrums bleibt die bewährte Aufgabenverteilung im Bereich des Katastrophenschutzes und der Gefahrenabwehr erhalten. Die Verantwortung für wirkungsvolle Abwehrmaßnahmen und Vorsorgeplanungen liegt bei den örtlichen Behörden. Nur sie sind auf Grund ihrer spezifischen, ortsbezogenen Kenntnisse in der Lage, sofort die geeigneten Maßnahmen einzuleiten. Die gegenseitige Unterstützung aus der Nachbarschaft und darüber hinaus ist gesetzlich geregelt und praktisch erprobt. In dieses operative Krisenmanagement kann und soll das Kompetenzzentrum nicht eingreifen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kompetenzzentrums versuchen vielmehr, schon in der akuten Schadensbekämpfungsphase gemeinsam mit den verantwortlichen Führungskräften Schwachstellen zu erkennen, die zum Beispiel durch zusätzliche fachkundige Beratung beseitigt werden können. Sie wirken auch darauf hin, dass Informationen weitergeleitet werden, so dass zum Beispiel Schadensfolgenabschätzungen frühzeitig eingeleitet und die dafür notwendigen Datenerhebungen vorgenommen werden. Nach dem Bahnunfall in Bad Münder hätte so möglicherweise die Schadstoffexposition zumindest eines Teils der Bevölkerung vermieden oder zumindest vermindert werden können. Das Kompetenzzentrum hat in Bad Münder die Aufgabe übernommen, Informationen über die eingeleitete Gesundheitsfolgenabschätzung für Bevölkerung und Einsatzkräfte zu kommunizieren. Anfang Juni wird die nächste, mit den Betroffenen verabredete Informationsveranstaltung durchgeführt.
Das Kompetenzzentrum ist in den vergangenen Monaten in die Lagebewältigung mehrerer Schadensfälle einbezogen worden bzw. unterrichtet worden. Der Verlust von Gefahr-gutfässern von einem Frachter in der Nordsee gehörte ebenso dazu, wie ein Gasaustritt in Hameln und das Eisenbahnunglück in Osnabrück eine Nacht später. Der Ausbruch der Vogelgrippe in Asien war Anlass, sich von der funktionierenden Kommunikation zwischen den bei einem Übergreifen nach Europa betroffenen Fachbehörden zu überzeugen.
Die Verwaltungsmodernisierung führt zu neuen Strukturen auch im Krisenmanagement. Das Kompetenzzentrum wird durch regionale Sicherheitskonferenzen dazu beitragen, dass die neu organisierten Behörden des Landes mit den Kommunen und den eingebundenen Organisationen und Einrichtungen den Schutz der Bevölkerung im Sinne eines ganz-heitlichen Konzeptes optimieren.
Das Deutsche Notfallinformationssystem DeNIS, das satellitengestützte Warnsystem des Bundes und das gemeinsame Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder für Großschadenslagen sind weitere Bausteine der Neuen Strategie zum Schutz der Be-völkerung. Sie sind eingerichtet und arbeitsfähig, zumindest in einem fortgeschrittenen Aufbaustadium. Die Katastrophenschutz- und Brandschutzreferate meines Hauses übernehmen wichtige Mittlerfunktionen zwischen den operativ tätigen örtlichen Behörden und Einrichtungen und den Informations- und Lagezentren der Länder, des Bundes und der EU.
Sie sehen, meine Damen und Herren, dass die im Innenministerium entwickelten Gedanken und die von Fachleuten des Bundes und der Länder erarbeiteten Strategien zu einer Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung beitragen. Das Kompetenzzentrum ist ein wesentlicher Beitrag des Landes zu dem Gesamtsystem, das uns befähigt, auf die denk-baren Herausforderungen in der Zukunft effektiv und flexibel zu reagieren. Dies ist ein Entwicklungsprozess, der stetig voranschreiten muss und dessen Fortentwicklung diese Landesregierung aktiv betreibt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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Nds. Ministerium für Inneres und Sport
Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport
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