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Öffentliche Sicherheit und Ordnung

Sitzung Nds. Landtag am 28.04.2004; TOP 5 und 6 Rede von Innenminister Schünemann zu den Gesetzentwürfen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der FDP Es gilt das gesprochene Wort!


Anrede,

mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Umorganisation der Polizei und zur Änderung von dienst- und personalrechtlichen Bestimmungen befinden wir uns auf der Zielgeraden zur Erfüllung eines weiteren Eckpunktes zur Verbesserung der Inneren Sicherheit in Niedersachsen, den wir mit der Überprüfung der bestehenden Polizeiorganisation in der Koalitionsvereinbarung festgeschrieben haben.

Unabhängig davon ist dies auch der gesetzgeberische Akt zur Umsetzung der Neuorganisation der Landesverwaltung mit der beschlossenen Auflösung der Bezirksregierungen, die derzeit organisatorisch als Polizeibehörden noch polizeiliche Aufgaben wahrnehmen.

Anrede,

die Landesregierung hat am 16.12.2003 meinen Vorschlägen zur Umorganisation der Polizei, die im Abschlussbericht der von mir eingerichteten Arbeitsgruppe "Organisation der Polizei" vorgelegt wurden, zugestimmt.

In dem nunmehr von den Regierungsfraktionen vorgelegten Artikelgesetz werden die für die Umorganisation der Polizei erforderlichen zentralen Neuregelungen im Schwerpunkt durch Änderungen des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung umgesetzt.

Nach Maßgabe des vom Kabinett gebilligten Abschlussberichts wird es nunmehr in Niedersachsen in der Organisationsstruktur acht Polizeibehörden geben. Neben dem Landeskriminalamt sind dies die sechs regionalen Polizeidirektionen in Braunschweig, Göttingen, Hannover, Lüneburg, Oldenburg und Osnabrück sowie die Polizeibehörde mit zentralen Aufgaben. Diese zentrale Polizeidirektion bündelt die Aufgaben der heutigen Landesbereitschaftspolizei, der Wasserschutzpolizei, der Polizeihubschrauberstaffel, der Medizinischen Dienste sowie des Polizeiamtes für Technik und Beschaffung Niedersachsen. Es wird damit eine zentrale Direktion mit Service- und Unterstützungsaufgaben aber auch exekutiver Zuständigkeit gebildet.

Die Anzahl sowie der Zuschnitt der Polizeidirektionen ist ausgerichtet an der sicherheitspolitischen Strategie der Landesregierung, den kriminalgeografischen Aspekten, den polizeilichen Einsatzbelangen, effizienten Arbeits- und Führungsstrukturen sowie den Regionalstrukturen des Landes.

Die Anzahl von sechs regionalen Direktionen gewährleistet ein durchgängig hohes Maß an erforderlicher Funktionalität und Leistungsfähigkeit. Bei weitgehender Ausgewogenheit werden bisherige Unebenheiten beseitigt. So werden künftig nicht mehr in einer Polizeidirektion fast 10-mal so viel Einwohner zu betreuen sein wie in einer anderen, sondern nur noch maximal das 1 ½-fache. Auch wird eine Polizeibehörde nicht mehr das 5-fache an Personal haben wie eine andere. Zukünftig werden sich die vorhandenen kriminal-geografischen und einsatztaktischen Aktionsräume grundsätzlich in einer polizeilichen Behördenverantwortung befinden – dies betrifft insbesondere die Ballungsgebiete innerhalb Niedersachsens, aber auch die Grenzen zu Hamburg, Bremen und den Niederlanden. Vergleichbares gilt für andere Struktur- und Belastungsdaten wie Straftatenaufkommen, Anzahl der Verkehrsunfälle und die zu betreuende Fläche.

Zusätzliches Personal für polizeiliche Exekutiv- und Präsenzaufgaben wird im Rahmen der Umorganisation nachfolgend insbesondere durch die Zusammenlegung der bisherigen 45 Polizeiinspektionen in der Fläche auf zukünftig 27 Inspektionen freigesetzt.

Anrede,

durch diese Umstrukturierung werden im Ergebnis die Rahmenbedingungen der polizeilichen Arbeit verbessert, die Stärkung der Fläche wird neben der beschlossenen zusätzlichen Einstellung von Polizeianwärtern durch die Verschlankung der Stäbe erreicht und die Kriminalitätsbekämpfung wird durch einen konzentrierten Einsatz von Kompetenzen und Ressourcen optimiert.

Anrede,

im niedersächsischen SOG wird jedoch nicht nur die neue Organisationsstruktur der Polizeibehörden festgelegt. Da die Verwaltungsmodernisierung mit der Auflösung der Bezirksregierungen auch die Organisation der Verwaltungsbehörden der allgemeinen Gefahrenabwehr nach dem niedersächsischen SOG betrifft, werden die regionalen Polizeidirektionen in Zukunft gleichfalls auch Aufgaben der Gefahrenabwehrbehörden übernehmen.

Anrede,

bereits in das Artikelgesetz zusätzlich mit aufgenommen werden die erforderlichen Änderungen des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes.

Die Ereignisse des 11. Septembers 2001, das Elbehochwasser und die Terroranschläge der letzten Monate, jüngst der verheerende Anschlag auf Züge in Madrid mit einem Massenanfall an Toten und Verletzten, haben die Notwendigkeit eines funktionsfähigen Katastrophenschutzmanagements gezeigt. Nachdem in der Vergangenheit nach Beendigung des "Kalten Krieges" in diesen Bereich Ressourcen abgebaut worden sind, viele Einrichtungen für verzichtbar erklärt wurden, ist nunmehr mit der zwischen Bund und Ländern abgestimmten "Neuen Strategie für den Bevölkerungsschutz" wieder ein Schwerpunkt des politischen Handelns auf den Bereich des Katastrophenschutzes gesetzt worden. Das Land trägt dem im Rahmen der Umorganisation der Verwaltung Rechnung, in dem nun den sechs Polizeidirektionen die Aufgaben des Katastrophen- und auch Brand-schutzes übertragen werden. Sowohl von den Inhalten als auch von den zu erwartenden Verknüpfungen der in den Polizeidirektionen wahrzunehmenden Aufgaben gibt es zu dieser organisatorischen Einbindung keine Alternative. Eine gleichmäßige Aufgabenwahrnehmung durch alle sechs Polizeidirektionen erleichtert und optimiert in der Alltagsarbeit insbesondere die erforderliche Koordination mit anderen Landesbehörden und gewährleistet eine sachge-mäße Beratung und Unterstützung der kommunalen Aufgabenträger.

Im Rahmen der Neuorganisation des Brandschutzes und der Hilfeleistung werden die bisherigen neun Bezirksbrandmeister der Bezirksregierungen als Regierungsbrandmeister organisatorisch meinem Hause angegliedert und dort weiterhin ehrenamtlich ihre Aufgaben erfüllen. Die verwaltungsmäßige Betreuung soll durch die Landesfeuerwehrschulen Celle und Loy erfolgen.

Anrede,

lassen sie mich zum Abschluss noch einige Ausführungen zum Antrag der Grünen treffen, das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie auch das Verfassungsschutzgesetz aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zur akustischen Wohnraumüberwachung zu ändern.

Meine Damen und Herren von den Grünen,

die Niedersächsische Landesregierung wird sich auch durch Ihren Antrag nicht zu Schnellschüssen und übereilten Entscheidungen hinreißen lassen.

Ich bin Ihnen jedoch für Ihren Gesetzesantrag dankbar, da er mir die Gelegenheit bietet, unseren Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen nochmals deutlich machen zu können, dass wir es als eine unserer wichtigsten Aufgaben ansehen, die Sicherheit der Menschen in Niedersachsen zu gewährleisten. Wir treffen daher Entscheidungen zur Einschränkung von Eingriffsbefugnissen der Polizei und des Verfassungsschutzes, die zu Lasten der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen gehen, erst nach intensiver und reiflicher Prüfung aller verfassungsrechtlichen Voraussetzungen. Diese Vorgehensweise entspricht auch den Vorstellungen des Bundesverfassungsgerichts, das dem Bundesgesetzgeber für die Änderung der Strafprozessordnung eine Frist bis zum Juni 2005 eingeräumt hat.

Anrede,

auch wenn das Bundesverfassungsgericht unmittelbar über die Bestimmungen zur akustischen Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung entschieden hat nehmen wir und nehmen übereinstimmend alle Länder diese Entscheidung vor dem Hintergrund der in den Polizeigesetzen aufgenommenen Regelungen zur präventiven akustischen Wohnraumüberwachung sehr ernst.

So ist bereits Ende März bei Gremienberatungen der Konferenz der Innenminister und Innensenatoren der Länder der Beschluss gefasst worden, eine länderoffene Arbeitsgruppe zu dem Thema "Auswirkungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf die rechtlichen Regelungen zur Gefahrenabwehr durch die Polizei" unter Leitung des – und das müsste von Ihnen doch begrüßt werden - Landes Nordrhein-Westfalen einzusetzen, die sich mit den präventivpolizeilichen Auswirkungen des Urteils auf die Polizeiarbeit befasst und hierzu einen Bericht dem Arbeitskreis "Innere Sicherheit" der IMK vorlegen wird. Unmittelbar mit der Beschlussfassung über die Einrichtung der Arbeitsgruppe ist vom Vertreter meines Hauses die Teilnahme Niedersachsens erklärt worden.

Anrede,

das gleiche gilt auch für eine mögliche Änderung des Verfassungsschutzgesetzes. Auch das für den Verfassungsschutz zuständige Gremium der IMK wird sich auf seiner Sitzung im Mai mit dieser Thematik befassen, denn auch in den anderen Ländern und im Bund gelten nahezu ähnliche Regelungen.

Anrede,

die Befassung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird jedoch – ohne an dieser Stelle Ergebnisse vorwegnehmen zu können – die Wohnraumüberwachung kaum auf Bereiche außerhalb des Schutzbereichs des Artikel 13 des Grundgesetzes beschränken wie es in der Begründung zum Gesetzentwurf ausgeführt wird.

Mir scheint, meine Damen und Herren von den Grünen, sie haben die Entscheidung des Gerichts völlig missverstanden. Das Bundesverfassungsgericht hat keineswegs wie Ihre Begründung es nahe legt die Wohnraumüberwachung ausgeschlossen oder nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben für zulässig erachtet, sondern vielmehr bestimmte Maßstäbe für deren Durchführung festgelegt. Ob und in welcher Weise diese vom Gericht – und ich betone nochmals zur Strafprozessordnung – festgelegten Rahmenbedingungen auf die niedersächsische Regelungen im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder auf das Verfassungsschutzgesetz zu übertragen sind, wird umfassend und unaufgeregt überprüft.

Aber meine Damen und Herren,

wir werden nicht so tun, als hätte es den 11. September 2001 nicht gegeben und wir werden auch nicht so tun, als würde uns der 11. März 2004 unberührt lassen.

Meine Damen und Herren von den Grünen

wir werden alle verfassungsrechtlich zulässigen Maßnahmen ergreifen, um zu versuchen, unsere Bürgerinnen und Bürger vor ähnlich menschenverachtenden Terrormaßnahmen wie in New York und in Madrid zu schützen.

Anrede,

wir brauchen in Niedersachsen den denkbar größten Schutz für unsere Bürgerinnen und Bürger durch Eingriffsbefugnisse, die sich an den aktuellen sicherheitsrelevanten Entwicklungen orientieren. Ihnen allen ist doch in den Gesetzgebungsberatungen im letzten Jahr vielfach die Problematik verdeutlicht worden, innerhalb einer abgeschotteten extremistischen Vereinigung Informationen zu beschaffen. Dies gilt für die klassische Gefahrenabwehr ebenso wie für den aktuellen Auftrag des Verfassungsschutzes, der beispielsweise im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus seine Aufgabe allein mit den herkömmlichen nachrichtendienstlichen Mitteln ohne die Möglichkeit der Wohnraumüberwachung nicht erfüllen kann.

Und dies gilt letztlich gerade auch für die Befugnis der von uns eingeführten präventiven Telekommunikationsüberwachung, die Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung einschränken wollen.

Vielleicht sollten Sie sich einfach einmal auch die Entscheidung des Bundesverfassungs-gerichts vom selben Tag zu den Befugnissen des Zollkriminalamtes ansehen. Unabhängig von der durch das Gericht festgestellten fehlenden verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheit der Regelungen des Außenwirtschaftsgesetzes zur Telekommunikationsüberwachung hat das Gericht ganz eindeutig diese Eingriffsbefugnis auch für den Bereich der Gefahrenabwehr allgemein für zulässig erachtet. Die Telekommunikationsüberwachung ist danach grundsätzlich nicht nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person, sondern auch zur Verhütung von Straftaten und zur Vorsorge für die Verfolgung zukünftig eventuell begangener Straftaten zulässig.

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