Brandschutz im Wesertunnel
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 12.12.2003; Fragestunde Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Wulf (SPD) Es gilt das gesprochene Wort!
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Mit der absehbaren Fertigstellung des Wesertunnels muss endgültig die Frage beantwortet werden, wie es sich mit dem Brandschutz in dem Tunnel verhalten wird. Seit 1996 wird eine Auseinandersetzung darüber geführt, wie die Sicherheit der Tunnelbenutzer und im Einzelfall auch der Feuerwehr- und Rettungskräfte gewährleistet werden kann. Bereits 1996 hat der Rat der Gemeinde Stadland die Aufstellung, die Unterhaltung und die Einsatzfähigkeit einer Werksfeuerwehr durch den Tunnelbetreiber gefordert. Dabei hat der Rat deutlich gemacht, dass für die Bereitstellung und Unterhaltung der dadurch bedingten zusätzlichen Ausrüstung für die Ortsfeuerwehren Rodenkirchen und Dedesdorf keine Kosten entstehen dürfen, diese wären im Entstehungsfall durch den Tunnelbetreiber zu tragen. Diese Position hat die Gemeinde Stadland in einer weiteren Resolution vom 30. Mai 2000 bekräftigt.
Inzwischen scheint die technische Entwicklung so weit vorangeschritten, dass für den Tunnel eine automatische Tunnelwarte vorgesehen werden könnte. Darüber gibt es heftige Diskussionen bei den Betroffenen, die im Rahmen des Rates der Gemeinde Stadland hinsichtlich des Umgangs mit Landesbehörden eskalierte. In dieser Angelegenheit hat daher der ehemalige Landrat des Krei-ses Wesermarsch, Herr Udo Zempel, mit Datum vom 26. August 2003 an den Niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff geschrieben. In diesem Schreiben bittet Herr Zempel den Ministerpräsidenten um Auskunft über den aktuellen Sachstand. Doch Herr Zempel hat seit über vier Monaten keine Antwort von der Niedersächsischen Landesregierung erhalten.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
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Warum lässt sich der Ministerpräsident so viel Zeit damit, auf dringliche Anliegen aus der Bevölkerung, die auch Sicherheitsfragen betreffen, zu antworten?
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Welche Version der Tunnelsicherheit wird im Wesertunnel zur Ausführung und Anwendung kommen?
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Wie verhält sich die Landesregierung zur Kritik des ehemaligen Landrates Zempel an der Art und Weise, wie im Rat der Gemeinde Stadland mit Landesbehörden umgegangen worden ist, bzw. teilt die Landesregierung die veröffentlichte Auffassung der Ratsmehrheit (CDU/Grüne/FDP), dass sich staatliche Behörden und Dienstellen "in der Sache rechtswidrig und willkürlich" verhalten bzw. Mittel der Vertuschung angewandt hätten?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:
Dem Bau des Wesertunnels im Zuge der B 437, der in Kürze für den öffentlichen Verkehr freigegeben wird, liegt der Planfeststellungsbeschluss vom 20.12.1996 zugrunde. Die darin enthaltenen Regelungen für den Brandschutz haben sich insbesondere angesichts der verheerenden Brände in den Alpentunneln als verbesserungsfähig erwiesen. Seit Januar 2000 befasst(e) sich der Arbeitskreis "Brandschutz im Wesertunnel", an dem unter Federführung des Innenministe-riums die Straßenbauverwaltung, die kommunalen Körperschaften, Vertreter der Einsatzkräfte (Feuerwehren) und die Planungsbüros beteiligt waren, mit der Erarbeitung zusätzlicher Brandschutzmaßnahmen.
Nachstehende, vom Arbeitskreis geforderte und vom Bundesministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) akzeptierte Zusatzausstattung des Tunnels ergänzt das Brandschutzkonzept und trägt den besonderen Einsatzbedingungen am Wesertunnel Rechnung:
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Orientierungsbeleuchtung (Kennzeichnung der Flucht- und Notgehwege, statt Piktogramme),
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Druckwasserleitung mit 15 Hydranten pro Röhre ca. alle 103 m in der Fahrbahnmitte (statt 10 Hydranten),
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Branddetektion durch Temperaturmessung nach dem Lichtwellenleiterkabel-Prinzip, zusätzliche Rauchdetektion durch Sichttrübungsmessung,
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Aufstell- und Bewegungsflächen mit Schaffung einer Überfahrt im Bereich der Mittelstreifen in den Tunnelportalen,
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Schrankenanlage vor Tunneleinfahrten / im Portalbereich, in Trogwänden oder am Anfang der Rampenstrecken,
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Verkehrserfassung im Tunnel und hinter den Tunnelausfahrten durch Induktionsschleifen (alle 300 m); Auswertung durch Zähleinrichtung; entsprechend werden die vor und im Tunnel aufgestellten Wechselverkehrszeichen geschaltet,
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Videoüberwachungsanlage (in Zentrale), gekoppelt an die Verkehrserfassungsanlage, zur Überwachung stehen gebliebener oder ungewöhnlich langsam fahrender Fahrzeuge,
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Radarkontrollen,
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Vor dem Tunnel Hinweisschild für das Einschalten des Verkehrsfunks mit Sender- und Frequenzangabe; Einsprechmöglichkeit in den Verkehrsfunk,
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Lautsprecheranlagen (im Tunnel, in den Querschlägen und Portalbereichen) mit Einsprechmöglichkeit aus der Einsatzleitstelle,
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Notrufsäulen im Tunnel und Feuerlöscher in den Nischen zur Selbsthilfe der Verkehrsteil-nehmer im Anfangsstadium eines Brandes,
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4 statt 3 Querschläge (Fluchtwege) zur Nachbarröhre mit einer Entfernung von max.160 m zu einer Fluchttür in die Nachbarröhre.
Darüber hinaus hat das Land 614.000 € für zwei Tunnelfahrzeuge nebst Zusatzausrüstung den betroffenen Gemeinden zugewiesen.
Damit gehört der Wesertunnel zu den sichersten Bauwerken seiner Art; die mit dem Bund aus-gehandelte Ausstattung hat danach Eingang in die neuen "Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln (RABT)", Ausgabe 2003, gefunden.
Dies vorangestellt, beantworte ich die kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Das in der Kleinen Anfrage angesprochene Schreiben ist inzwischen beantwortet worden. Es geht in diesem Schreiben im Kern nicht um Sicherheitsfragen. Vielmehr wird der Stil der Auseinandersetzung im Rat der Gemeinde Stadland beklagt und die Landesregierung gegen Vorwürfe in Schutz genommen. Die Landesregierung nimmt das mit Genugtuung zur Kenntnis.
Zu 2.:
Infolge des 2. Planfeststellungsänderungsbeschlusses vom 06.11.2003 änderte sich das Be-triebskonzept des Wesertunnels insoweit, als auf die zunächst vorgesehene ständig besetzte Tunnelwarte zugunsten einer 24h-Überwachung des Tunnels mittels ISDN-Fernübertragung verzichtet wird. Das Konzept einer ständig besetzten Tunnelwarte entsprach dem Stand der Technik zur Zeit der Erstellung des Bauwerksentwurfes im Jahre 1994. Eine abgesetzte Überwachungsstation in einer Meisterei bzw. Betriebszentrale war damals wegen der erforderlichen Aufwendungen für die Nachrichtenübertragung unzweckmäßig. Das Planfeststellungsverfahren wurde 1996 auf diesem Stand der Technik abgeschlossen. Bis zur Erstellung der Ausschrei-bungsunterlagen im Jahre 2001 hatte sich die Nachrichtentechnik soweit weiterentwickelt, dass die erforderliche 24h-Überwachung eines Tunnels mittels ISDN-Fernübertragung abgesetzt vom Tunnel möglich wurde.
Die Überwachungsqualität ist bei der abgesetzten Tunnelüberwachung ebenso hoch wie bei einer Tunnelwarte vor Ort, da in beiden Fällen die Überwachungsperson über elektronische Medien den gesamten Tunnelbetrieb überwacht. Es ergeben sich durch die Änderung keine sicherheitsrelevanten Nachteile.
Die Tunnelwarte wäre nur mit einer Person besetzt. Diese Person hätte lediglich Überwachungsaufgaben zu erfüllen und könnte im Ereignisfall lediglich Alarm auslösen, ohne selbst in die Bekämpfung des Schadensereignisses einzugreifen. Mit dem Verzicht auf die Tunnelwarte ist daher auch kein weiterer Zeitverlust für die Einsatzkräfte verbunden.
Des Weiteren soll das ursprünglich außerhalb des Tunnelportals geplante Betriebsgebäude in das Portalgebäude integriert werden. Die hierdurch frei werdenden Flächen sind als Stellflächen für die Einsatzleitungen der Rettungskräfte vorgesehen.
Zu 3.:
Die Landesregierung beteiligt sich nicht an der im Rat der Gemeinde Stadland geführten Diskussion.