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Gesetz zur Förderung der Integration von Ausländern; Änderung des Bundesvertriebenengesetzes

Sitzung des Bundesrates am 11. Juli 2003 Rede von Innenminister Uwe Schünemann zu den niedersächsischen Gesetzentwürfen


Anrede,

die Niedersächsische Landesregierung hat die vorliegenden Gesetzesentwürfe in den Bundesrat eingebracht, weil sie der Überzeugung ist, dass bei der Förderung der Integration von Ausländern und Spätaussiedlern dringender Handlungsbedarf besteht.

In der gesellschaftlichen Realität unseres Landes zeigen sich gravierende Anzeichen für eine fehlgeschlagene Integration von Zuwanderern:

Die Arbeitslosigkeit bei der Gruppe der Zugewanderten nimmt dramatisch zu. Ihr Anteil an den Empfängern von Sozialleistungen ist überproportional hoch. Die mitgebrachten Qualifikationen entsprechen häufig nicht den hiesigen Anforderungen. Viele kommen aus Berufen, die bei uns nicht gefragt sind. Zu viele jugendliche Zuwanderer verfügen über keinen Schul- oder Berufsabschluss.

Seit längerem kommen immer mehr Familienangehörige von Spätaussiedlern nach Deutschland, die die deutsche Sprache nicht beherrschen.

Soziale Isolierung, Akzeptanzverlust in der Öffentlichkeit, Frustration und Selbstzweifel sind die Folge.

Ein erster aber entscheidender Schritt, um aus diesem Teufelskreis heraus zu kommen, ist das Erlernen der deutschen Sprache. Sprachkenntnisse sind eine unverzichtbare Voraussetzung zum Gelingen der sozialen und gesellschaftlichen Integration in Deutschland.

Wir brauchen eine gezielte und strukturierte Integrationspolitik, die das klare Ziel hat, dass alle Zuwanderer die deutschen Sprache erlernen und Kenntnisse über unsere Rechtsordnung, Kultur und Geschichte erwerben.

Kern der Initiative der Niedersächsischen Landesregierung ist daher in ihrem ersten Teil, dem Gesetz zur Förderung der Integration, die verpflichtende Teilnahme von Ausländern an Kursen zum Erlernen der deutschen Sprache.

Dabei orientiert sich der Entwurf zunächst an den entsprechenden Bestimmungen des (im Bundesrat abgelehnten) Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Zuwanderungsgesetz, setzt jedoch im Weiteren neue eigene Akzente.

So fordern wir in unserem Gesetzentwurf - in viel stärkerem Maße als die Bundesregierung - die aktive Bereitschaft der Zugewanderten, sich am Integrationsprozess zu beteiligen. Wir gehen von der Grundvoraussetzung des "Förderns und Forderns" aus und erwarten folgerichtig auch eine Beteiligung der Ausländer an den Kosten zu ihrer Integration in die hiesigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse.

Mit einem Umfang der Kurse von 930 Unterrichtsstunden sieht unser Entwurf 300 Stunden mehr vor als der Entwurf des Zuwanderungsgesetzes. Wir meinen, dass diese Aufstockung notwendig ist, um ein Sprachniveau zu erreichen, auf dem sich weitere Integrationsmaßnahmen aufbauen lassen.

Weiterhin ist neu, dass die Verpflichtung zur Teilnahme an den Kursen neben den Neuzuwanderern auch die bereits auf Dauer in Deutschland lebenden Ausländer betrifft, wenn sie Sozialhilfe beziehen oder arbeitslos gemeldet sind. Damit werden auch diejenigen einbezogen, die nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen und aus diesem Grund nur schwer den Weg in den Arbeitsmarkt zurück finden.

Neu ist auch, dass mit dem "Gemeinsamen europäischen Referenzrahmen für Sprachen" das Sprachniveau einheitlich bestimmt wird.

Neuzuwandernde sollen grundsätzlich die Kursgebühren selber tragen. Wir meinen, dass es zumutbar ist, wenn die Ausländer diesen finanziellen Beitrag zur Integration leisten. Damit werden nicht nur die Länderhaushalte sondern auch der Bund finanziell entlastet.

Ein besonderes Anliegen unserer Gesetzesinitiative besteht darin – und damit unterscheiden wir uns von allen anderen bisher bekannten Vorschlägen – dass nicht nur eine klare Verpflichtung zur Teilnahme an den Kursen begründet wird, sondern auch wirksame Instrumente zur Verfügung gestellt werden, um diese Verpflichtung durchzusetzen.

So wird ausländerrechtlich ein Familiennachzug grundsätzlich nur zugelassen, wenn der hier lebende Ausländer erkennbare Integrationsbemühungen gezeigt und diese durch entsprechende Deutschkenntnisse nachgewiesen hat. Die wiederholte Nichterfüllung der Verpflichtung zur Teilnahme an den Sprach- und Orientierungskursen führt dazu, dass Aufenthaltsgenehmigungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, im Regelfall nicht mehr verlängert werden.

Bei den Kursen handelt es sich um Trainingsmaßnahmen im Sinne des Arbeitsförderungsgesetzes und des Bundessozialhilfegesetzes. Eine Verweigerung der Teilnahme führt daher zu den in diesen Gesetzen vorgesehenen Sanktionen:

Durch eine Sperrzeit ruht der Anspruch auf Leistungen, die Hilfe zum Lebensunterhalt wird in einer ersten Stufe um mindestens 25 % gekürzt.

Wir halten diese Konsequenzen für gerechtfertigt, weil es nach unserer Auffassung nicht hinnehmbar ist, dass Zuwandernde sich gegenüber den Integrationsangeboten des Staates verweigern.

Ich komme zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes.

Anrede,

Spätaussiedler und ihre Familienangehörigen sind seit Jahren die größte Zuwanderungsgruppe. Wir stehen zur historischen Verantwortung, Spätaussiedler aufzunehmen und halten an der Grundvermutung des allgemeinen Kriegsfolgenschicksals für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion fest.

Die Antwort der Bundesregierung auf die Integrationsprobleme dieser Menschen fiel im Zuwanderungsgesetz kraftlos und unausgewogen aus. Die geplanten Regelungen sind weder ein angemessener Umgang mit dem Schicksal der Betroffenen noch sozialverträglich. Für die Sprachkurse ist ein völlig unzureichender Umfang vorgesehen. Andererseits sollen miteinreisen-de Familienangehörige ein Sprachkenntnisniveau nachweisen, das sie kaum erreichen können, womit wiederum eine Familientrennung vorprogrammiert wird.

Anrede,

wir wollen uns mehr um die Menschen kümmern, denen wir ermöglichen zu uns zu kommen. Wir wollen ihre Integrationschancen verbessern, sie aber auch in die Pflicht nehmen.

Mit den vorgesehenen 900 Unterrichtsstunden für die Sprachkurse führen wir wieder einen Umfang ein, den wir schon einmal hatten und den wir angesichts der heutigen Rahmenbedingungen unbedingt brauchen. Zudem sorgen wir für günstigere Startbedingungen für Jugendliche, indem sie zusätzlichen Sprachunterricht erhalten.

Die Kurse werden aus Gründen der Familieneinheit auf die gesamte Zuwanderungsgruppe erweitert, unabhängig davon, nach welchen rechtlichen Zuordnungen die Familien einreisen. Wir bestehen darauf, dass entsprechend dem Kriegsfolgenrecht die Verantwortung für diese gesamte Zuwanderungsgruppe beim Bund liegt, zumal die Länder anschließend langjährige Integrationsleistungen erbringen.

Miteinreisende Familienangehörige müssen zukünftig vor ihrer Ausreise durch einen Sprachtest Grundkenntnisse in Deutsch nachweisen. Dies öffnet die Tür für einen Einstieg in die Integration. Wir erwarten, dass die angebotenen Möglichkeiten genutzt werden, Deutsch zu lernen. Die gestellten Anforderungen sind aber im Gegensatz zu den Vorstellungen der Bundesregierung erfüllbar. Hierzu gehört auch, dass die Sprachtests wiederholt werden können.

Der Entwurf sieht zudem eine Verringerung des Kontingents für die jährliche Erteilung von Auf-nahmebescheiden in zwei Schritten auf die Hälfte vor. Die Reduzierung orientiert sich vor allem an den Antragszahlen, behält aber auch die unerledigten Anträge und die noch nicht genutzten Aufnahmebescheide im Blick. Die verantwortlichen Stellen in Deutschland erhalten mit den gesetzlichen Vorgaben eine sichere Planungs- und Lenkungsgröße für die Integration.

Anrede,

Niedersachsen legt mit der Änderung des Bundesvertriebenengesetzes ein ausgewogenes Kombinationsmodell für Integration und Zuzug vor. Es ist nach unserer Auffassung bestens geeignet, den Betroffenen eine Perspektive zu geben und den Erwartungen der einheimischen Bevölkerung gerecht zu werden.

Anrede,

die beiden Gesetzentwürfe können und wollen eine umfassende Neuregelung der Zuwanderung nach Deutschland nicht ersetzen. Auch die Niedersächsische Landesregierung ist der Meinung, dass wir ein neues Gesetz brauchen, das die Einreise und den Aufenthalt aller Zuwanderer besser steuert und begrenzt. Deshalb haben wir darauf geachtet, dass unsere Regelungen jederzeit problemlos zum Bestandteil einer umfassenden gesetzlichen Regelung der Zuwanderung und der Integration werden können.

Wir wollen jedoch nicht auf die politische Einigung über ein solches Gesamtwerk warten und wollen deshalb die Sprachförderung für Ausländer und Spätaussiedler schnellstmöglich auf den Weg bringen.

Anrede,

die Niedersächsische Landesregierung ist der Auffassung, dass die Einführung von Sprachfördermaßnahmen für hier lebende und zuwandernde Ausländer und Spätaussiedler keinen Aufschub mehr duldet.

Die Menschen im Lande erwarten, dass wir uns alle bewegen und handeln.

Ich bitte Sie deshalb um Ihre Unterstützung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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