Kaiser-Gala in Hildesheim
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 26.05.2003; TOP 26 b Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen Es gilt das gesprochene Wort!
Die Fraktion hatte gefragt:
Zu einem finanziellen Fiasko wurde die Eröffnungsgala einer Napoleon- und Zar Alexander-Ausstellung am 04. Oktober 2002 in Hildesheim. 101.000 Euro hat das Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum nach eigenen Angaben aufgewendet, um ein einziges rauschendes Fest mit illustren Gästen zu gestalten. Dabei sei ein Defizit von insgesamt 77.000 Euro entstanden. Nach Angaben des Museums, das vom Bund der Steuerzahler vor Gericht zur Offenlegung der Zahlen gezwungen werden musste, wurden 34 046 Euro für die Bewirtung der Gäste verausgabt (116,80 Euro je Person) und 20.896 Euro für das Begleitprogramm (71,56 Euro je Person). Für Reisekosten seien demnach nur 1000 Euro aufgewendet worden. Die gesamte Ausstellung produzierte offenbar ein Defizit von ca. 600.000 Euro.
Gleichzeitig bestehen erhebliche Zweifel an der Belastbarkeit der o. g. Zahlen. Unklar bleibt, wie die Napoleon-Komparsen, der Jaguar-Fahrdienst zum Hotel, die Kosten für die Unterbringung der russischen Gäste und für die zwei PR-Agenturen beglichen wurden. Zweifel bestehen auch an der tatsächlichen Höhe der Bewirtungskosten. Nachdem Mario Adorf und die Königin von Schweden nicht für eine Teilnahme gewonnen werden konnten, bleibt ebenfalls offen, welche Gagen und Reisekosten für Schauspieler und Moderatoren wie Pierre Brice, Leslie Malton und Nadja Abdel Farrag entstanden sind. Ursprünglich war für die Veranstaltung offenbar ein Kostenvolumen von 25.000 Euro vorgesehen.
Kürzlich hat Finanzminister Hartmut Möllring, der seit Herbst 2001 Mitglied des Aufsichtsrates und vom 22. April 2002 bis Ende März 2003 Aufsichtsratsvorsitzender der Hildesheimer Museums GmbH war, die Ablösung der Museumschefin gefordert. Die Eröffnungsgala, so Möllring in der HAZ vom 11. Juni 2003, sei "gründlich vergeigt worden". Unklar bleibt aber, warum Möllring jede Mitverantwortung für das Fiasko ablehnt und die Schuld allein auf die Museumschefin abschiebt.
Das renommierte Roemer- und Pelizaeus-Museum wurde in der Vergangenheit auch vom Land finanziell gefördert. Auch vor diesem Hintergrund hat das Land ein großes Interesse an einer lückenlosen Aufklärung der Verwendung von Steuergeldern. Von Interesse ist aber insbesondere auch der Beitrag des Finanzministers bei der Aufklärung der Hildesheimer Vorgänge.
Laut Gesellschaftervertrag der Hildesheimer Museums AG hat der Aufsichtsrat die Geschäftsführung zu überwachen (§ 11 (1) Satz 1). Außerdem entscheidet der Aufsichtsrat über Maßnah-men, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen (§11 (2)). Offensichtlich haben der Aufsichtsrat und sein Vorsitzender bei der Wahrnehmung dieser Pflichten versagt. Zudem wurde die Aufklärung des Vorgangs behindert. Erst ein Gerichtsverfahren des Steuerzahlerbundes brachte einen Teil der Zahlen ans Licht der Öffentlichkeit.
Ich frage die Landesregierung:
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Mit welcher Summe wurde das Roemer- und Pelizaeus-Museum in den letzten zehn Jahren vom Land finanziell unterstützt?
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Hat sich die Landesregierung (bzw. das Innenministerium) in ihrer (seiner) Funktion nach §§ 128, 129 NGO über den Vorgang in Hildesheim unterrichten lassen?
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Beabsichtigt die Landesregierung, bei der Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim GmbH und bei der Service GmbH des Roemer- und Pelizaeus-Museums eine Sonderprüfung des Prüfberichts über die Prüfung des Jahresabschlusses bei privatrechtlichen Unternehmen nach § 124 (1) NGO vorzunehmen (analog den Kriterien für die Jahresabschlussprüfung bei Eigenbetrieben nach § 123 NGO)?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Dringliche Anfrage wie folgt:
Anrede,
die kleine Anfrage Nr. 35 des Kollegen Wenzel ist zur Dringlichen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mutiert. Ein geeignetes Thema fiel der Grünen-Fraktion offenbar nicht ein, so dass der Gedanke, man könne Hartmut Möllring etwas am Zeuge flicken, übermächtig wurde. Bietet er als Finanzminister keine Angriffsfläche, muss man versuchen, ihm als Kommunalpolitiker etwas anzuhängen. Also stellt man die Behauptung auf, er hätte als Aufsichtsratsvorsitzender der Hildesheimer Museums GmbH, der er ein knappes Jahr war, "offensichtlich" versagt, weil er die kapriziöse Museumschefin nicht von einer kostenträchtigen Gala anlässlich einer Ausstellungseröffnung abhalten konnte.
Was hier "offensichtlich" sein soll, bleibt ungesagt. Bemerkenswert auch, dass die drei Fragen an die Landesregierung nicht mehr auf den Kollegen Möllring zielen. Die Dringliche Anfrage ist also nur das Medium, um den Unmut über die Eröffnungsgala auf Hartmut Möllring zu lenken, der diese Veranstaltung ja nicht ausgerichtet hat.
Bevor ich die Fragen im Einzelnen beantworte, lassen Sie mich noch auf folgendes hinweisen:
Sowohl die Roemer-und Pelizaeus-Museum Hildesheim GmbH (Museumsgesellschaft) als auch die Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim Service GmbH unterliegen als Eigengesellschaften der Stadt Hildesheim nicht der Kommunalaufsicht. Ich bitte Sie nachdrücklich, diesen Umstand zur Kenntnis zu nehmen. Die Kommunalaufsichtsbehörden haben also nicht über das Verhalten des Aufsichtsrates zu richten, ja können sich aufsichtsmäßig nicht einmal über dessen Tätigkeit unterrichten. Auch die Möglichkeiten der überörtlichen Kommunalprüfung sind sehr eingeschränkt. Herr Kollege Bartling hatte sich 1999 nmit einer ähnlichen Konstellation zu befassen, als es um die aufwendige Verabschiedung eines Geschäftsführers der Braunschweiger Stadtwerke ging.
Es ist auch erwähnenswert, dass sich der Bund der Steuerzahler nicht an die Kommunalaufsichtsbehörde, sondern an das Gericht gewendet hat, als er Aufklärung über die Eröffnungsgala begehrte.
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte beantworte ich die drei Unterfragen der Dringlichen Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Landesmittel für Projekte in nichtstaatlichen Museen werden grundsätzlich für nachhaltig wirkende, strukturelle Maßnahmen nach qualitativer Begutachtung durch den Museumsverbund Niedersachsen und nach Haushaltslage vergeben.
Die finanzielle Förderung des Landes für das Roemer- und Pelizaeus-Museum betrug in den Jahren 1994 bis 2001 – im wesentlichen für Baumaßnahmen – insgesamt 5.763.750,19 €.
In den Jahren 2002 bis 2003 erfolgte keine Förderung.
Zu 2.:
Aus den schon ausführlich dargestellten Gründen brauchte und konnte sich die Landesregierung durch das Innenministerium als oberste Kommunalaufsichtsbehörde und durch die Bezirksregierung als Kommunalaufsichtsbehörde über den Vorgang in Hildesheim nicht unterrichten lassen.
Zu 3.:
Das Kommunalprüfungsamt bei der Bezirksregierung Hannover prüft die Jahresabschlüsse der Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim GmbH und der Roemer- und Pelizaeus-Museum Service GmbH im Rahmen des § 124 Abs. 1 Satz 1 NGO nach den für Eigenbetriebe geltenden Vorschriften. Diese Dienststelle hat am 20.01.2003 die unmittelbare Beauftragung einer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberater Sozietät durch das Roemer- und Pelizaeus-Museum zugelassen.
Der Auftrag zur Pflichtprüfung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2002 wurde für die Museums GmbH am 22.01.2003 und für die Service GmbH am 30.01.2003 erteilt. Gem. § 32 in Verb. mit § 27 Abs. 4 EigBetrVO soll die Jahresabschlussprüfung innerhalb von neun Monaten nach Ende des Geschäftsjahres abgeschlossen sein. Somit ist in absehbarer Zeit mit der Vorlage der Prüfungsberichte und deren Erörterung in einer Schlussbesprechung zu rechnen. Inhalt der Prüfung können auch verlustbringende Geschäfte und die Ursachen der Verluste sein, wenn diese Geschäfte und die Ursachen sich nicht nur unerheblich auf die Vermögens- und Ertragslage der Unternehmens ausgewirkt haben (§ 124 Abs. 1 in Verb. mit § 123 Abs. 1 Nr. 3 NGO).
Der Kommunalaufsichtsbehörde ist gem. § 124 Abs. 1 NGO eine Ausfertigung des Prüfungsberichts zu übersenden. Eine "Sonderprüfung" ist in § 124 NGO nicht vorgesehen und daher auch nicht beabsichtigt. Das Kommunalprüfungsamt kann allerdings eigene Feststellungen zu dem Ergebnis der Jahresabschlussprüfung treffen und in einem abschließenden Vermerk – dem sog. Feststellungsvermerk gem. § 32 Abs. 1 i. Verb. mit § 29 Eigenbetriebsverordnung – aufnehmen. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten.
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