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Schünemann stellt Verfassungsschutzbericht 2002 vor

Rückgang bei politisch motivierter Kriminalität um 30 Prozent / Islamistischer Extremismus zentrale Herausforderung


HANNOVER. In Niedersachsen sind im vergangenen Jahr die Straftaten im Bereich der politisch motivierten Straftaten insgesamt um rund 30 Prozent zurückgegangen. Innenminister Uwe Schünemann sagte am Freitag in Hannover bei der Vorstellung des niedersächsischen Verfassungsschutzberichts 2002, diese erfreuliche Rückgang dürfe allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass insbesondere bei rechtsextremistisch motivierten Straftaten ein Zuwachs von 1.069 auf 1.259 zu verzeichnen sei. Hauptsächlich Propagandadelikte wie zum Beispiel Hakenkreuzschmierereien gingen auf das Konto dieses Bereiches. Schünemann erläuterte, dass dieser Anstieg auf das seit 2001 geänderte Erfassungssystem zurückzuführen sei. Schünemann: "Diese Zahlen sind damit weniger Ausdruck eines realen Anstiegs rechtsextremistischer Kriminalität als vielmehr Beleg für eine präzisere und intensivere Erfassung." Im Linksextremismus seien die Straftaten von 323 auf 183 zurückgegangen, beim ausländischen Extremismus hingegen von 14 auf 46 gestiegen.

Nach den Worten Schünemanns bleiben islamistischer Extremismus und Terrorismus eine zentrale Herausforderung für Staat und Gesellschaft, obwohl Niedersachsen keinen Schwerpunkt islamistischer Aktivitäten bilde. Gleichwohl würden auch künftig alle rechtlichen Möglichkeiten von Verfassungsschutz und Polizei genutzt werden, um wie am 10. April diesen Jahres konsequent mit Ermittlungen und Durchsuchungen gegen Aktivisten der islamistischen Hizb ut-Tahrir vorzugehen, erklärte der Innenminister. Er wies darauf hin, dass ausländische Extremisten zwar nur rund 0,8 Prozent der in Deutschland lebenden ausländischen Wohnbevölkerung ausmachten. Gleichwohl hätten sich in Deutschland verschiedene Vereinigungen des Ausländerextremismus auf einem relativ hohen Niveau konsolidiert.

Dem Potenzial der Mitglieder und aktiven Anhänger im Bereich des Ausländerextremismus wurden vom niedersächsischen Verfassungsschutz im letzten Jahr 5.755 Personen zugerechnet (Bund: 57.350), davon 3.040 im Bereich islamistisch extremistischer Gruppierungen (Bund: 30.600) sowie 2.115 Linksextremisten (Bund: 17.850) und 600 Anhänger extrem-nationalistischer Gruppen (Bund: 8.900).

Der deutsche Linksextremismus bedürfe unverändert der genauen Beobachtung durch den Verfassungsschutz, sagte Schünemann. Die politisch-ideologische Rolle, die die linksextremistische Kommunistische Plattform der PDS spiele, beeinflusse nicht nur die PDS, sondern auch den übrigen deutschen Linksextremismus. Die PDS, so der Minister, werde deshalb jetzt auch in Niedersachsen insgesamt - wie schon in fast allen westdeutschen Bundesländern - vom Verfassungsschutz beobachtet. Sorgen bereiten dem Innenminister neue terroristische Aktivitäten wie die der "militanten gruppe" (mg) in Berlin. Im Verfassungsschutzbericht wird ein Beitrag der mg zitiert, in dem diese Gruppierung ihre Bereitschaft erklärt, im "politischen" Kampf "alle Aktionsformen unterhalb von politischen Exekutionen" zu praktiizieren.

Nach Schünemanns Angaben hat das NPD-Verbotsverfahren und dessen Einstellung durch das Bundesverfassungsgericht am 18. März nicht zu einer steigenden Mitgliederentwicklung der verfassungsfeindlichen Partei beigetragen. Die Mitgliederzahl der NPD auf Bundes- und auf Landesebene sei zurückgegangen. Auch bei den anderen rechtsextremistischen Parteien sei eine negative Mitgliederentwicklung zu verzeichnen. Trotz dieser durchaus erfreulichen Entwicklung, so der Minister, zu der auch das gesamtgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit beigetragen habe, blieben Neonazis und Skinheads wegen ihrer fremdenfeindlichen Militanz eine Arbeitsschwerpunkt des Verfassungsschutzes.

Der Innenminister betonte, dass das Landesamt für Verfassungsschutz im Bereich der Mitwirkungsaufgaben besonders gefordert sein werde: "Mit meiner Entscheidung für die Einführung einer Regelanfrage beim Verfassungsschutz für alle Staaten im Einbürgerungsverfahren wird die Arbeitsanfall weiter zunehmen. Aber die bayerischen Erfahrungen bei der Ablehnung von 200 Einbürgerungsbewerbern durch die Regelanfrage belegen die Notwendigkeit meiner Entscheidung."

Schünemann wies darauf hin, dass die Arbeit durch eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes noch erfolgreicher als bislang geleistet werden könne. So würden nach Verabschiedung dieser Novelle durch den Niedersächsischen Landtag unter strengen rechtsstaatlichen Voraussetzungen Möglichkeiten gegeben sein, verdeckte Finanzströme insbesondere ausländischer Extremisten und Terroristen über Geldinstitute zu erforschen. Auch werde es künftig erlaubt sein, Ton- und Bildaufzeichnungen zum Beispiel in Vereinsräumen militanter Extremisten oder Standortbestimmungen von Handys vorzunehmen.

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