Durchsuchung bei Hizb ut-Tahrir-Anhängern
Schünemann: „Wir dulden islamistisch-extremistische Betätigungen bei uns nicht im Ansatz“
HANNOVER. Innenminister Uwe Schünemann hat die am Donnerstag durchgeführte Durchsuchungsaktion bei Anhängern des Vereins "Hizb ut Tahrir" als Signal für ein konsequentes Vorgehen gegen den islamistischen Extremismus in Niedersachsen bewertet. "Niedersachsen ist zwar nicht das Schwerpunktland des islamistischen Extremismus in Deutschland. Aber wir dulden solche Betätigungen bei uns nicht im Ansatz", erklärte Schünemann. Dies sei auch im Interesse aller friedliebenden Muslime und ihrer notwendigen Integration in die deutsche Gesellschaft.
An der Aktion waren neun Bundesländern beteiligt. Die niedersächsische Polizei durchsuchte in Laatzen, Hildesheim und Clausthal-Zellerfeld vier Privatwohnungen sowie den Arbeitsplatz eines Betroffenen an der TU Clausthal-Zellerfeld. Es konnten unter anderem Videokassetten, mehrere Computer, zahlreiche Vereinszeitschriften, 87 CD’s und einige Bücher sichergestellt werden. Die Gegenstände werden jetzt vom Verfassungsschutz ausgewertet.
Ausgangspunkt der vereinsrechtlichen Maßnahmen war das vom Bundes-innenministerium am 15. Januar 2003 gegen die Vereinigung "Hizb ut Tahrir" verhängte Betätigungsverbot. Zugleich war ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, um weitere Erkenntnisse zu den Strukturen der Organisation in Deutschland zu gewinnen. Im Januar fanden hierzu Durchsuchungen bei Führungspersonen in fünf Bundesländern statt. Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen ergab Hinweise auf weitere Aktivisten, unter anderem auch in Niedersachsen. Der niedersächsische Verfassungsschutz beobachtet seitdem systematisch die Organisation, die hier bislang nicht erkennbar in Erscheinung getreten ist.
"Hizb ut-Tahrir":
"Hizb ut-Tahrir" (arabisch für Partei der Befreiung) wurde 1953 in Jordanien von einem Palästinenser als Abspaltung der ägyptischen Muslimbruderschaft gegründet. Ideologisch handelt es sich um eine fundamental-sunnitisch-islamistische Partei. Ziel ist die Schaffung eines weltweiten islamischen Staates unter der Führung eines Kalifen. Das islamische Rechtssystem der Scharia soll uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Als Nahziel wird die Abschaffung der arabischen Nationalstaaten verfolgt. Feindbild ist im Übrigen neben den USA vor allem der Staat Israel, dessen Existenzrecht verneint und die arabische Welt offen zum Angriff auf dieses Land aufgefordert wird. Der militärische Kampf gegen die Ungläubigen sei im Sinne eines aktiven Jihad für jeden Muslim verpflichtend. Die international tätige Organisation ist mittlerweile auch in Europa aktiv. Der Verwaltungssitz wird in London vermutet.
In Deutschland unterhält die Vereinigung in mehreren Städten kleinere Gruppen, ohne dass Organisationsstrukturen offen erkennbar sind. "Hizb utTahrir" ist durch das Verteilen von Flugblättern und Broschüren im universitären Bereich sowie im Umfeld von Moscheen und islamischen Zentren in Erscheinung getreten. Sie betreibt deutschsprachige Internet-Seiten und die Zeitschrift "Explizit". In jüngerer Zeit fanden in Berlin auch öffentliche Veranstaltungen statt. Das Betätigungsverbot in Deutschland wurde damit begründet, dass sich die Vereinigung gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet, sie die Anwendung von Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Belange befürwortet und eine derartige Gewaltanwendung hervorrufen will. "Hizb utTahrir" betreibt massive antiisraelische und antijüdische Propaganda. Es wird offen zum Krieg gegen Israel und zur Tötung und Vertreibung von Juden aufgerufen.