Kommunales Wahlrecht für Drittstaatsangehörige und Doppelte Staatsangehörigkeit
Rede des Innenministers Uwe Schünemann in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 20.03.2012; TOP 8 und 9 zu Anträgen der Fraktion der SPD
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Anliegen der SPD-Fraktion, ein kommunales Wahlrecht für Drittstaatsangehörige einzuführen, ist ebenso wenig neu wie die Frage nach der Abschaffung der Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht. Mit beiden Themen hat sich sowohl der niedersächsische Landtag als auch der Bundestag in den letzten Jahren bereits mehrfach befasst.
Für die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige wäre zunächst eine Änderung des Grundgesetzes notwendig, da die Verfassung nur Deutschen und Unionsbürgern ein kommunales Wahlrecht zugesteht.
Der Niedersächsische Landtag hat sich in dieser Legislaturperiode schon einmal sehr ausführlich mit der Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige beschäftigt.
Ein entsprechender Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE wurde im Februar 2009 abgelehnt.
Auch vom Deutschen Bundestag ist eine entsprechende Grundgesetzänderung im Mai 2009 mehrheitlich abgelehnt worden – übrigens auch mit den Stimmen der SPD.
Weder der hier vorliegende Entschließungsantrag der SPD noch ein ähnlicher, jüngst von der SPD im Bundestag eingebrachter Gesetzentwurf zu diesem Thema enthält neue Argumente.
Auch die Beratungen des Entschließungsantrages in den Fachausschüssen des Landtages haben keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gebracht.
In den Beratungen zu diesem Thema wird immer wieder eine Ungleichbehandlung zwischen EU-Ausländern und Nicht-EU-Ausländern angeführt. Dabei wird aber übersehen, dass Staatsangehörige der EU von vornherein einen anderen Status haben als Angehörige von Drittstaaten. Ihr Status ist mit der Einführung der Unionsbürgerschaft bereits weitgehend dem Status von Deutschen gleichgestellt.
Deshalb sage ich noch einmal ganz deutlich: Gleiches muss gleich und Ungleiches muss ungleich behandelt werden.
Die parlamentarischen Beratungen haben außerdem gezeigt, dass eine Verfassungsänderung im Sinne des SPD-Antrages verfassungsrechtlich nicht unproblematisch wäre.
Namhafte Verfassungsjuristen – das haben insbesondere die Stellungnahmen anlässlich der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages im September 2008 gezeigt – halten die von der SPD angestrebte Änderung unseres Grundgesetzes für verfassungsrechtlich bedenklich. Kritisiert wird, dass hierdurch die unveränderlichen Kernprinzipien unserer Verfassung, wie zum Beispiel das Demokratieprinzip oder die Volkssouveränität, berührt sein dürften.
Dies wäre aber nach Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes unzulässig und damit verfassungswidrig.
Die Niedersächsische Landesregierung wird die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige auch weiterhin nicht unterstützen.
Zur Forderung nach einer Erleichterung der doppelten Staatsangehörigkeit und der Abschaffung der Optionspflicht möchte ich ausdrücklich betonen, dass die Verleihung einer Staatsbürgerschaft nicht nur Symbolwert hat. Sie ist mit Pflichten, aber auch mit umfassenden Rechten verknüpft. Daher können wir von volljährigen Ausländerinnen und Ausländern verlangen, dass sie sich bewusst für eine Staatsangehörigkeit entscheiden.
Unabhängig davon halte ich es für verfrüht, bereits jetzt die Optionsregelung, die der dauerhaften Vermeidung der Doppelstaatsangehörigkeit dient, in Frage zu stellen. Bevor wir über die Abschaffung oder Modifizierung der Optionspflicht reden, sollten wir uns wenigstens die Zeit nehmen, die Fakten genau zu analysieren.
Wiederholt wurde auch hier im Landtag darauf hingewiesen, dass die Optionsregelung auf Bundesebene evaluiert wird. Überprüft werden soll, ob und an welcher Stelle verfahrensrechtlicher oder materiellrechtlicher Änderungsbedarf besteht. Zum Stichtag 31.12.2011 haben alle Bundesländer erhoben, wie viele Verfahren es überhaupt gibt und wie sich die Betroffenen entschieden haben und diese Daten dem Bundesinnenministerium mitgeteilt. Darüber hinaus hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Betroffene zu ihrem Entscheidungsverhalten befragt.
Die Ergebnisse dieser bundesweiten Evaluation sollten wir abwarten.
Es nützt nichts, immer wieder reflexhaft die Abschaffung der Optionspflicht aus verwaltungspraktischen und integrationspolitischen Gründen zu fordern, ohne angebliche Probleme konkret belegen zu können.
Beide Anträge sind daher abzulehnen.