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Gesetzentwürfe zur Änderung des Aufnahmegesetzes

Rede des Innenministers Uwe Schünemann in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 20.03.2012; TOP 3 a) zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und TOP 3 b) zum Gesetzentwurf der Landesregierung


Sehr geehrte Damen und Herren,

das Aufnahmegesetz regelt die Verpflichtung der Kommunen, bestimmte ausländische Personen und Personengruppen aufzunehmen sowie die damit verbundene Kostenabgeltung durch das Land.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung wird insbesondere die seit dem Jahr 2004 bestehende Kostenabgeltung an die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre angepasst.

Die jährliche Kostenabgeltungspauschale soll von derzeit 4 270 Euro auf 4 826 Euro ab dem Jahr 2012 erhöht werden. Des Weiteren sollen für jede bei der Zahlung im Jahr 2011 berücksichtigte Person einmalig weitere 278 Euro gezahlt werden. Damit wird einer seit längerem von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände und Kommunen erhobenen Forderung Rechnung getragen. Wenn diese Erhöhung der Pauschale von der Opposition als unzureichend angesehen wird, so ist dazu folgendes zu sagen: Mit dem Aufnahmegesetz werden die notwendigen Ausgaben der Kommunen für die Unterbringung von Asylsuchenden und Geduldeten abgegolten. Nur für diese tritt das Land ein. Eine Betrachtung der Statistik 2009 zum Bestand der Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerber-leistungsgesetz im Bundesvergleich belegt:

Niedersachsen hat in Bezug auf seine Aufnahmequote nach dem Königsteiner Schlüssel in Höhe von 9,33 % einen viel höheren Anteil an Empfängern von Asylbewerberleistungen, nämlich 13,23 %.

Baden-Württemberg z. B. hat eine Aufnahmequote von 12,83 % und einen Bestand an Leistungsempfängern von nur 7,65 %. Das mag auch daran liegen, dass Baden-Württemberg die Kostenabgeltung an die Kommunen als Einmalzahlung geregelt hat. Mit diesem einmalig gezahlten Betrag müssen die Kommunen auskommen.

Dies ist nur ein Beispiel, um die Schwierigkeiten bei der Ermittlung einer sachgerechten Kostenabgeltung aufzuzeigen. Zur Ermittlung der notwendigen Kosten wurde daher eine Berechnungssystematik mit allgemein messbaren tatsächlichen Preis- und Kostenentwicklungen der vergangenen Jahre zu Grunde gelegt. Dagegen wird der Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände aufgegriffen, eine Fortschreibung der Kostenpauschale durch die von den Regierungsfraktionen vorgeschlagene Änderung des § 4 Abs. 5 AufnG zu konkretisieren. Eine solche Dynamisierungsklausel führt zu einer regelmäßigen Überprüfung der Jahrespauschale. Dies ist vorbehaltlos zu begrüßen, denn die Kostenberechnung wird so zukünftig noch transparenter werden.

In der Gesamtbetrachtung berücksichtigt der Gesetzentwurf also der Landesregierung die Interessen der Kommunen an einer auskömmlichen Kostenabgeltung und deren regelmäßige Überprüfung sowie die Interessen des Landes, nur die wirklich unvermeidlichen Kosten zu erstatten.

Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Aufnahmegesetzes (Drs. 16/2520) ist dagegen sowohl rechtlich als auch für die Praxis unbrauchbar. Das dort vorgesehene System der gesetzlich vorgeschriebenen Unterbringung in Wohnungen wird von der Landesregierung aus drei Gründen abgelehnt:

Erstens: Die landesgesetzliche Vorgabe einer Regelunterbringung in Wohnungen wäre verfassungswidrig, da sie § 53 Asylverfahrensgesetz und damit geltendem Bundesrecht widerspricht.

Zweitens: Die Verhältnisse in den Kommunen werden schlechter dargestellt als sie es sind.

So lebten nach dem Ergebnis einer Abfrage zur Unterbringungssituation in den Kommunen zum Stichtag 1. Juni 2010 80 % aller Bezieher von Asylbewerberleistungen in Wohnungen und 20 % in Gemeinschaftseinrichtungen.

Das immer wieder gepriesene Leverkusener Modell ist in Wirklichkeit gar nicht so erfolgreich:

In der Stadt Leverkusen lebten im gleichen Zeitraum 59 % der Flüchtlinge in Wohnungen und immerhin noch 41 % in Gemeinschaftsunterkünften.

Im Übrigen ist die Kritik an den Gemeinschaftsunterkünften weitgehend unberechtigt.

Zwar sind die Standards bei Gemeinschaftsunterkünften – ebenso wie bei Wohnungen – sehr unterschiedlich. Neben einer teilweise eher schlichten Ausstattung gibt es auch Gemeinschaftsunterkünfte, die Appartmentcharakter aufweisen und damit einen hohen Standard haben. In der Regel findet eine Betreuung durch Sozialarbeiter statt, teilweise ständig vor Ort, teilweise zu festen Sprechzeiten. Gerade diese soziale Betreuung vor Ort ist für Menschen aus fremden Kulturkreisen eine unschätzbare Orientierungshilfe. Auch aus diesem Grund haben sich viele niedersächsische Kommunen für die Beibehaltung von Gemeinschaftsunterkünften ausgesprochen.

Drittens: Der Gesetzentwurf verlangt den Kommunen etwas faktisch Unmögliches ab.

Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Zugangszahlen bei den Asylerstantragstellern können wir es uns in dieser Situation gar nicht leisten, Gemeinschaftsunterkünfte zu schließen.

In den letzten Jahren sind die Zugänge an Asylerstantragstellern immens gestiegen.

Während es im Jahr 2007 rund 19.000 Asylerstantragsteller gab, betrugen die Zugänge im Jahr 2009 schon rund 27.600 Asylerstanträge. Im Jahr 2010 stiegen die Zugänge bereits auf rund 41.300 und im Jahr 2011 auf rund 45.700 an. Und auch 2012 hält diese Entwicklung an. Im Januar und Februar 2012 waren die Zugänge gegenüber dem Vorjahr nochmals um 15 bis 20 % gestiegen.

Angesichts dieser Entwicklung sehen sich immer mehr Kommunen in Niedersachsen gezwungen, wieder Wohnheime zu schaffen, zu reaktivieren oder deren Kapazitäten zu erweitern, da ihnen ansonsten kein ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht.

Sie brauchen nur die aktuelle Presseberichterstattung zu verfolgen. Und Sie müssen nicht nach Oldenburg gehen, um zu sehen, dass eine dezentrale Unterbringung mit großen Schwierigkeiten verbunden ist: Auch die Stadt Hannover ist in der jüngsten Vergangenheit wieder dazu übergegangen, Gemeinschaftsunterkünfte zu reaktivieren bzw. neu einzurichten.

Andere Bundesländer haben die gleichen Probleme. Eine Länderumfrage Bayerns hat dies Ende 2011 bestätigt.

Ein Wort noch zu den Kosten der Unterbringung:

Nach der zum Juni 2010 erfolgten Abfrage gibt es kostenmäßig zwischen einer Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften und in Wohnungen auf kommunaler Ebene kaum Unterschiede.

Beim Vergleich der Unterbringung in landeseigenen Gemeinschaftsunterkünften zur Unterbringung in den Kommunen wird gerne der Landesrechnungshof zitiert, der ausgeführt hat, die Unterbringung in landeseigenen Einrichtungen übersteige die den Kommunen gezahlte Kostenabgeltungspauschale um das Dreifache.

Dieser Vergleich hinkt.

Die seinerzeit erhobenen Kosten in der landeseigenen Einrichtung enthalten viele weitere Aufgaben, die bei den Kommunen nicht anfallen.

Hierzu gehören zum Beispiel Erstaufnahme, Weiterleitungsverfahren, Verteilung und Zuweisung, Hilfsangebote sowie Amtshilfe in den unterschiedlichsten Bereichen für die Kommunen. Des Weiteren fördert die landeseigene Einrichtung durch intensive Beratungstätigkeit mit Klärung individueller Zukunftsperspektiven verstärkt die freiwillige Ausreise.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung geht den richtigen Weg:

Die Art der Unterbringung wird wie bisher den Kommunen überlassen.

Außerdem wurde mit der vorgesehenen Erhöhung der Pauschale sowie der Einführung der Dynamisierungsklausel eine interessengerechte Lösung der Kostenabgeltung im Interesse aller Beteiligten gefunden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
21.03.2012

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