Wie wirksam sind V-Leute im Verfassungsschutz?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 20.01.2012; Fragestunde Nr. 5
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage des Abgeordneten Dieter Möhrmann (SPD)
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Justizminister Busemann hat nach einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa vom 11. Dezember 2011 beklagt: „Die Innenminister der Länder und des Bundes haben in den letzten acht Jahren zu wenig geliefert.“ Es hätten seit dem gescheiterten NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht mehr Fakten gesammelt werden müssen. In der NordWest-Zeitung vom 14. Dezember 2011 wird der Minister mit der Auffassung zitiert: „V-Leute, die nichts bringen, brauche ich nicht.“ Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Mündliche Anfrage Nr. 46 von Abgeordneten der Fraktion Die Linke vom November 2011 zum gleichen Thema wie folgt: „Der Einsatz von V-Leuten ist für den Verfassungsschutz ein unverzichtbares und zuverlässiges (Hervorhebung durch Fragesteller) nachrichtendienstliches Mittel bei der Beobachtung des Rechtsextremismus. Dabei werden Mitglieder aus den zu beobachtenden Organisationen und Vereinigungen als Quellen zur Informationsbeschaffung geworben.“ Und weiter: „In Niedersachsen wird dieses effektive nachrichtendienstliche Mittel auch zukünftig ... Anwendung finden.“
Ich frage die Landesregierung:
1. Welcher Minister des Kabinetts McAllister irrt in seiner Auffassung über die Wirksamkeit von V-Leuten des Verfassungsschutzes in Niedersachsen und bundesweit in der NPD und anderen rechtsextremen Organisationen und Vereinigungen?
2. Wenn die Landesregierung in der Antwort auf die Kleine Mündliche Anfrage Nr. 3 von Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom November 2011 feststellt, dass ihr keine Erkenntnisse vorliegen, dass sich Rechtsextremisten bewaffnen, um „geplant politisch motivierte Straftaten zu begehen“, warum kommt sie dann gleichzeitig zu der Erkenntnis, dass vom 1. Januar 2007 bis zum 30. November 2011 im kriminalpolitischen Meldedienst der politisch motivierten Kriminalität im Phänomenbereich „Rechts“ auch Straftaten registriert und über 150 Waffen aufgefunden wurden, oder warum hatte sich die Rechte bewaffnet?
3. Liefert der Verfassungsschutz in seinem übrigen Zuständigkeitsbereich effektiver und wirkungsvoller?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Die Niedersächsische Verfassungsschutzbehörde beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen auch unter Anwendung der im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz aufgeführten nachrichtendienstlichen Mittel, wie z. B. Observationen, Bildaufzeichnungen und Einsatz von V-Leuten. Diese Aufklärungsarbeit hat in den vergangenen Jahren zu wesentlichen Erkenntnissen über die gesamte rechtsextremistische Szene in Niedersachsen, ihre Zusammensetzung, Ideologie, Entwicklung und Gewaltbereitschaft geführt.
Der Einsatz von V-Leuten ist ein sinnvolles, notwendiges und geeignetes Mittel zur Gewinnung von Informationen in konspirativ agierenden Gruppierungen. Oftmals ist dies die einzige Möglichkeit, valide Informationen über Bestrebungen und Vorhaben zu bekommen. Das gilt auch und gerade für die Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen.
Die Landesregierung ist der Auffassung, dass es beim Einsatz von V-Leuten entscheidend auf deren Zuverlässigkeit ankommt.
In Niedersachsen ist der Einsatz von V-Leuten in wesentlichen Punkten bereits unmittelbar im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz geregelt und genügt hinsichtlich Anwerbung, Führung und Einsatz hohen Qualitätsansprüchen. Aus diesem Grunde ist es ständige Praxis in der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde, V-Leute hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit und Effektivität zu überprüfen.
Die Innenministerkonferenz hat in ihrer Sitzung im Dezember 2011 in Wiesbaden die zuständigen Arbeitskreise ausdrücklich beauftragt zu prüfen, inwieweit bei dem Einsatz von
V-Leuten die Vorgaben zur Art und Weise der Auswahl, Führung und des Einsatzes von
V-Leuten zu optimieren und als bundesweiter Standard konsequent anzuwenden sind.
Zwischen dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zu den NPD-Verbotsverfahren im März 2003 und der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion über einen weiteren Verbotsantrag sind inzwischen über acht Jahre vergangen. Innerhalb dieses Zeitraums ist eine Vielzahl von Erkenntnissen über die Verfassungsfeindlichkeit von Struktur, Aktivitäten und Personal der NPD zusammengetragen worden. Hierzu hat auch der Einsatz von V-Leuten beigetragen. Ob die gegenwärtig vorliegenden verwertbaren Erkenntnisse über die NPD ausreichen, um einen neuen Verbotsantrag zu stützen und diesen Erfolg versprechend begründen zu können, wird noch zu bewerten sein.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1 und 3:
Der Justizminister und der Innenminister sind sich in ihrer Auffassung über die Wirksamkeit von V-Leuten einig. Es besteht weder ein Dissens noch irrt ein Minister.
Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.
Zu 2:
Die Niedersächsische Landesregierung hat bereits mehrfach durch Beantwortung Dringlicher und Kleiner Anfragen erklärt, dass Waffenfunde bei Rechtsextremisten die bundesweit gültige Einschätzung belegen, dass in der gesamten rechten Szene eine deutliche Affinität zu Waffen feststellbar ist. Die Landesregierung hat dabei auch wiederholt ausgeführt, dass Waffen von Angehörigen der rechtsextremistischen Szene als Tatmittel und zur Bedrohung genutzt wurden sowie als „Statussymbol“ angesehen werden. In diesem Kontext sieht die Landesregierung auch die in der Beantwortung der Mündlichen Anfrage Nr. 52 der Abgeordneten Marianne König und Pia-Beate Zimmermann von November 2011 aufgeführten Waffen. Ob allerdings diese Waffen schon mit dem Plan beschafft wurden, um später damit bestimmte Straftaten zu begehen, ist der Landesregierung nicht bekannt.
Vor dem Hintergrund der deutlichen Affinität der gesamten rechten Szene zu Waffen, schöpft die niedersächsische Polizei alle rechtlichen Möglichkeiten aus, die zum Auffinden von Waffen geeignet sind. So wurde die Mehrzahl der im Rahmen der Beantwortung der Mündlichen Anfrage Nr. 52 der Abgeordneten Marianne König und Pia-Beate Zimmermann von November 2011 genannten Waffen im Verlauf von polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Demonstrationen und sonstigen Veranstaltungen der rechten Szene sowie im Verlauf von Durchsuchungen bei Mitgliedern der rechten Szene sichergestellt.