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Rede von Minister Uwe Schünemann zum Jahresempfang der Bundeswehr in Hannover


Sehr geehrter Herr General Wagner, sehr geehrter Herr Präsident Sauer, sehr geehrter Herr Oberst Tebbel, sehr geehrter Herr Oberst Katz, Soldaten und Soldatinnen, sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, heute hier beim Jahresempfang der Bundeswehr in Hannover dabei zu sein

und Ihnen auch die herzlichen Grüße von Ministerpräsident McAllister sowie der gesamten niedersächsischen Landesregierung überbringen zu dürfen!

Hinter uns liegt ein ereignisreiches Jahr 2011. Auch die Bundeswehr blieb von weit reichenden Veränderungen nicht verschont. Hier ist natürlich zuallererst die Bundeswehrreform zu nennen mit der so genannten Aussetzung, faktisch: Abschaffung der Wehrpflicht im vergangenen Frühjahr – eine Entscheidung, die die Bundeswehr grundlegend verändert und die man auch heute noch durchaus kritisch sehen kann. Als weitere Ereignisse nenne ich stichwortartig nur den Wechsel im Amt des Bundesverteidigungsministers im März 2011, die Vorlage neuer Verteidigungspolitischer Richtlinien im Mai 2011 und – nicht zuletzt – die Bekanntgabe der Stationierungsentscheidungen im Oktober 2011. Für viele Soldatinnen und Soldaten zählen allerdings aus guten Gründen auch die nach wie vor zahlreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr zu den bedeutsamsten Ereignissen. Denn im Ausland sind sie ganz unmittelbar den zahlreichen Herausforderungen – und nicht zuletzt Gefahren! – des Soldatenberufs ausgesetzt. Gerade auch die Kräfte der 1. Panzerdivision sind in beträchtlicher Zahl an den Auslandseinsätzen beteiligt – ich denke hier vor allem an die schwierige Mission im Norden Afghanistans. Wir sollten uns daher am heutigen Nachmittag auch an den gefahrenvollen Dienst unserer Soldatinnen und Soldaten fernab der Heimat erinnern, an den Einsatz der Frauen und Männer für Freiheit und Sicherheit unseres Landes und für den Weltfrieden. Ihnen allen sind wir großen Dank und Anerkennung schuldig – und dies ganz unabhängig von unseren persönlichen politischen Haltungen zu den jeweiligen Einsätzen. Unseren gefallenen Soldaten, die es leider auch im letzten Jahr wieder zu beklagen gab, müssen wir als Staat und Gesellschaft ein ehrendes Andenken bewahren.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den schweren Anschlag im Mai letztes Jahres in der nordafghanischen Provinzhauptstadt Talokan, bei dem zwei deutsche Soldaten getötet und fünf weitere verwundet wurden, darunter Herr General Kneip.Und ich erinnere auch noch einmal an den „blutigen Karfreitag“ im Jahr 2010, der mittlerweile als Symbol für das steht, was die Bundeswehr für Freiheit und Sicherheit in ihren Einsätzen an Opfern erbringt. Bei diesem schweren Gefecht mit Taliban-Kämpfern in der Region Kunduz sind drei deutsche Fallschirmjäger des Bataillons 373 aus Seedorf gefallen.

Alle gefallenen Soldaten haben ihr höchstes Opfer für ihr und unser Vaterland, für die Bundesrepublik Deutschland, erbracht! Ebenso dürfen wir die zahlreichen verwundeten Soldaten nicht vergessen, die teilweise für ihr Leben gezeichnet bleiben werden.

Hier sind Staat und Gesellschaft in der Pflicht, sie in allen Belangen zu unterstützen, Ihren Einsatz und Ihre persönliche Tapferkeit zu würdigen! Dass die Auslandseinsätze unserer Soldaten gefährlich sind, steht außer Frage.

Schon deshalb muss die Notwendigkeit dieser Einsätze regelmäßig kritisch hinterfragt und gut begründet werden. Umso wichtiger ist es, dass in Deutschland bekanntlich nicht nur die Regierung, sondern auch der Deutsche Bundestag jedem einzelnen Auslandseinsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zustimmen muss. Damit weiß jeder Soldat stets das einzige unmittelbar durch die Bürgerinnen und Bürger legitimierte Staatsorgan hinter sich, wenn er seinen schweren Dienst im Ausland leistet.

Das ist eine nicht zu unterschätzende Legitimation des soldatischen Handelns!

Überall dort, wo Sie, die Soldatinnen und Soldaten, Ihren schwierigen und gefährlichen Dienst im Ausland versehen, bewirken Sie viel Gutes und tragen zur Stabilisierung von Krisenregionen bei. Auch Deutschland hat ein vitales Interesse daran, dass zum Beispiel Afghanistan nicht wieder zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird, die von dort aus Anschläge bei uns oder in anderen Ländern planen. Und es liegt auch in unserem Interesse, dass von Afghanistan aus nicht die ganze Region Zentralasien mit unabsehbaren Folgen destabilisiert wird.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass im benachbarten Nuklearstaat Pakistan die Sicherheitslage alles andere als stabil ist. Die staatenübergreifenden Netzwerke des islamistischen Extremismus und seiner Verbündeten sind zwar deutlich geschwächt worden,

aber sie sind weiterhin eine reale Bedrohung für die regionale und globale Sicherheit,

die wir durch vielfältige Maßnahmen im Zaum halten müssen.

Deshalb ist unser militärischer Einsatz in Afghanistan gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten weiterhin nötig, auch wenn die Verantwortung dort hoffentlich schon bald zunehmend in afghanische Hände übergeben werden kann.

Lassen Sie mich hier allerdings auch in aller Deutlichkeit sagen:

Die politische Entscheidung über den Abzug deutscher Soldaten darf nicht auf dem Rücken der Soldaten ausgetragen werden. Und sie darf auch nicht all das gefährden, was für die Menschen in Afghanistan durch unsere Hilfe bisher erreicht worden ist. Einsätze zu internationaler Konfliktverhütung und Krisenbewältigung werden künftig weiterhin eine der Hauptaufgaben der Bundeswehr sein. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit vermeintlicher Großmannssucht zu tun, sondern das ist uns schon verfassungsrechtlich aufgegeben. Denn das Deutsche Volk hat sich im Grundgesetz den klaren Auftrag gegeben, „dem Frieden der Welt zu dienen“. Und Friedensdienst darf nicht mit Pazifismus verwechselt werden!

Denn so wie wir zur innerstaatlichen Gefahrenabwehr im Ernstfall auf den Einsatz der Polizei angewiesen sind, so lassen sich auch im internationalen Rahmen Frieden und Recht unter Umständen nicht ohne militärische Hilfe durchsetzen.

Lassen Sie mich nun auf die gegenwärtig größte „Baustelle“ der Bundeswehr zu sprechen kommen: die aktuelle – und sicherlich nicht letzte – Bundeswehrreform.

Für die Soldatinnen und Soldaten - und natürlich auch für ihre Angehörigen - war und ist in diesem Zusammenhang natürlich das Ende Oktober von Verteidigungsminister de Maizière vorgestellte Stationierungskonzept von besonderem Interesse. Die Landesregierung hat in den zurückliegenden Wochen und Monaten in intensiven Gesprächen auf allen denkbaren Ebenen um jeden Bundeswehrstandort gerungen und gekämpft. Und das nicht ohne Erfolg:

Niedersachsen ist ein wichtiges Heimatland der Bundeswehr und wird dies auch bleiben.

Betrachtet man etwa die Stationierungsdichte, so wird Niedersachsen zusammen mit Rheinland-Pfalz im deutschlandweiten Vergleich zukünftig an dritter Stelle stehen.

In absoluten Zahlen betrachtet, wird Niedersachsen nach Abschluss der Reform sogar das Bundesland mit den meisten Dienstposten sein! Allerdings war bei realistischer Betrachtung von Anfang an klar, dass das Stationierungskonzept zu einem Abzug von Soldatinnen und Soldaten auch aus Niedersachsen führen würde. Bei den betroffenen Kommunen führen diese Maßnahmen fraglos zu schmerzlichen Einschnitten. Da gibt es auch nichts schön zu reden.

Und das gilt auch für die geplante Verlegung des Stabs der 1. Panzerdivision von Hannover nach Oldenburg und die angekündigte Auflösung der Wehrbereichsverwaltung Nord.

Hannover verliert damit zwei ganz wesentliche, traditionsreiche Dienststellen der Bundeswehr.

Hannover verfügt aber weiterhin mit der Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bundeswehr in der Emmich-Cambrai-Kaserne über einen bedeutenden, attraktiven und zukunftsfähigen Bundeswehrstandort.

Darüber sollten wir alle froh sein!

Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung ihr Möglichstes tun wird,

um den betroffenen Standorten bei der Bewältigung dieser schmerzlichen Einschnitte zu helfen!

So haben wir bereits einen interministeriellen Arbeitskreis und ein Konversionsbüro im Innenministerium eingerichtet. Um eine intensive Beratung der Standortkommunen zu ermöglichen, haben wir mit Herrn Oberst a.D. Bacher zudem eigens einen Konversionsbeauftragten eingesetzt. Und wir haben bereits einen Aktionsplan für die betroffenen Kommunen erarbeitet, der insbesondere Fördermöglichkeiten aufzeigt sowie ein zusätzliches Förderprogramm für Gutachten und Konzepte aufgelegt. Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein Thema ansprechen, das mir als niedersächsischem Innenminister besonders wichtig ist: die Gewährleistung des Katastrophenschutzes. Wie wichtig es ist, die Bundeswehr für Krisenintervention im Ausland fit zu machen, habe ich schon angesprochen. Genauso fest steht allerdings auch: Die Ausrichtung auf die Auslandseinsätze darf nicht dazu führen, dass dabei die anderen Aufgaben der Bundeswehr aus dem Blick geraten! Wie Sie wissen, sieht bereits das Grundgesetz die subsidiäre Hilfe der Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder anderen besonders schweren Unglücksfällen ausdrücklich vor. Diese Einsatzoption ist damit alles andere als eine atypische und unverbindliche Serviceleistung der Streitkräfte, sondern verfassungsrechtlich aufgegeben.

Die Bundeswehr muss daher in besonderen Gefahrenlagen auch tatsächlich in der Lage sein, diese grundgesetzliche Aufgabe zu erfüllen. Und wie wichtig die helfenden Hände der Soldatinnen und Soldaten im Ernstfall sind, haben wir in Deutschland – insbesondere auch in Norddeutschland – bereits oft gesehen. Wir wissen allerdings auch, dass diese Katastrophenhilfe der Bundeswehr durch die mehrfache Verkleinerung der Streitkräfte und durch den teilweisen Rückzug aus der Fläche nicht leichter wird – um es einmal vorsichtig auszudrücken! Und die Abschaffung der Wehrpflicht hat auch in diesem Zusammenhang ihre besondere Bedeutung.

Daher muss nun genau geprüft werden, welche Mindestforderungen seitens der Länder an den Bund zu stellen sind, um die nötige Katastrophenhilfe in Großschadenslagen im Ernstfall sicherzustellen. Insbesondere wird es darauf ankommen, die Strukturen der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit fortzuentwickeln. In diesem Zusammenhang stimmt mich hoffnungsfroh, dass die Landeskommandos mit Bezirks- und Kreisverbindungskommandos auch nach der Strukturreform bestehen bleiben sollen. Und das neue Reservistenkonzept sieht vor, die Reservisten insbesondere für den Heimatschutz bereit zu halten. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit diese Maßnahmen tatsächlich greifen. Die niedersächsische Landesregierung wird die weitere Entwicklung jedenfalls aufmerksam verfolgen.Damit komme ich zum Schluss. Die Bundeswehr und ihre Angehörigen haben in diesen schwierigen Zeiten unser aller Rückhalt verdient! Wir Niedersachsen sehen uns hier in Hannover und darüber hinaus im ganzen Land eng mit der Bundeswehr verbunden. Das wird auch in Zukunft so bleiben! Ihnen allen wünsche ich alles Gute, Gesundheit, Glück und Gottes Segen für 2012. Und unseren Soldatinnen und Soldaten im Einsatz wünsche ich, dass sie gesund und wohlbehalten wieder in ihre Heimat zurückkehren mögen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
12.01.2012

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