Lösung im Fall der russischen Familie Lapine
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.12.2011; Fragestunde Nr. 21
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Daniela Behrens (SPD)
Die Abgeordnete hatte gefragt:
Seit Jahren lebt die Familie Lapine in Cuxhaven, ist dort bestens integriert und bezieht keine staatliche Unterstützung. Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und volljährigem Sohn, hatte ursprünglich die russische Staatsangehörigkeit und gilt inzwischen als staatenlos. Die Härtefallkommission hat bereits vor Jahren für ihr Bleiben plädiert.
Trotzdem beharren das Innenministerium sowie die örtliche Ausländerbehörde auf Ausreise. Diese soll bis spätestens 31. Dezember 2011 passiert sein. Die Familie solle sich, so die Forderung der Behörden, neue Pässe in Russland besorgen. Dabei hat die Familie Lapine ihre Originalpässe bereits bei der Ausländerbehörde abgeben müssen. Dort sind sie nun nicht mehr auffindbar. Ihre derzeitigen Legitimationspapiere sind die Kopien der russischen Pässe.
Zusätzlich erschwerend kommt hinzu, dass die russische Botschaft, die Behörden im Heimatort in Sibirien und auch andere russische Behörden schriftlich mitgeteilt haben, dass die Lapines keine russische Staatsbürgerschaft mehr besitzen. Ein russischer Pass könne in keinem Fall ausgestellt werden. Die Familie Lapine befürchtet nun, ohne Pässe und ohne Perspektive nach Sibirien zurückreisen zu müssen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Warum wird dem Votum der Härtefallkommission nicht gefolgt, und warum drängt das Innenministerium bzw. die Ausländerbehörde auf eine Ausreise der Familie Lapine nach Russland?
2. Warum wird einer gut integrierten Familie keine Perspektive in Niedersachsen eröffnet?
3. Warum besteht die Ausländerbehörde auf neuen Pässen, wenn sie doch die Originalpässe „verlegt“ hat?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Das russische Ehepaar Lapine reiste erstmals 1991 mit Touristenvisa in die Bundesrepublik Deutschland ein. Der gemeinsame Sohn folgte 1993 ebenfalls mit einem Visum für touristische Zwecke. Sie waren im Besitz von Pässen, die noch von der UdSSR ausgestellt worden waren. Die Familie hatte keinen Aufenthaltstitel erhalten und wurde nach Eintritt der Vollziehbarkeit ihrer Ausreiseverpflichtung am 01. Juli 1999 nach Moskau abgeschoben. Die sowjetischen Pässe sind im Rahmen der Abschiebung dem Begleitpersonal für den Rückflug übergeben worden. Es ist nicht bekannt, ob sich die Familie während ihres Aufenthalts in der Russischen Föderation neue Nationalpässe beschafft hat.
Im September 1999 reiste die Familie Lapine unerlaubt in das Bundesgebiet ein. Da wiederum kein Aufenthaltstitel in Deutschland erteilt werden konnte, eine freiwillige Ausreise aber nach wie vor verweigert wurde, sollte eine erneute Abschiebung durchgeführt werden. Zu diesem Zweck waren die erforderlichen Passersatzpapiere von den Behörden der Russischen Föderation ausgestellt worden, da die Familie nach dem Zerfall der Sowjetunion die russische Staatsangehörigkeit erworben hatte. Die Staatsangehörigkeit der Familie ist somit geklärt; sie sind, entgegen ihrer Behauptung, nicht staatenlos. Dies wird auch dadurch belegt, dass im Jahr 2008 Passersatzpapiere von den russischen Behörden für die damals beabsichtigte Rückführung ausgestellt wurden.
Familie Lapine hat im Jahr 2009 eine erfolgreiche Eingabe an die Härtefallkommission gerichtet. Da sie für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 23a AufenthG Nationalpässe benötigen, wurden sie sowohl bei ihren diversen Vorsprachen bei der Ausländerbehörde als auch im Rahmen eines umfangreichen Schriftwechsels entsprechend informiert und auf ihre gesetzliche Pflicht hingewiesen, anerkannte gültige Nationalpässe vorzulegen. Die Vorschriften des Herkunftslandes sehen vor, dass Familie Lapine zur Passbeantragung in die Russische Föderation reisen muss. Die Familie wurde daher seitens der Ausländerbehörde darüber informiert, welche Schritte zu unternehmen sind, um die erforderlichen Dokumente beibringen zu können. Gleichzeitig wurden die Modalitäten für die Rückkehr nach Deutschland und die Erteilung des Aufenthaltsrechts für Familie Lapine vereinbart.
Familie Lapine hat später lediglich versucht, Nationalpässe über das Generalkonsulat der Russischen Föderation zu erhalten, obwohl der Familie bekannt ist, dass sie dort keine Nationalpässe erhalten kann, da diese nach russischem Recht für Personen, die ihren Wohnsitz bei den russischen Heimatbehörden nicht persönlich abgemeldet haben, nur in der Russischen Föderation ausgestellt werden können.
Wenn Familie Lapine die Vorschriften ihres Herkunftslandes beachtet und sich vor der Ausreise ordnungsgemäß abgemeldet hätte, wäre eine Ausreise zu Passbeschaffung nicht notwendig. Um die Familie bei der Passbeschaffung zu unterstützen und ihnen die dafür erforderliche Reise in die Russische Föderation zu ermöglichen, hat die Ausländerbehörde im Jahr 2010 Passersatzpapiere bei den russischen Behörden für die einmalige Einreise ausstellen lassen. Familie Lapine hätte „laissez passe“ auch selber beantragen können und diese nach kürzerer Bearbeitungsdauer als bei Antragstellung durch deutsche Behörden vom Generalkonsulat der russischen Förderation bekommen können.
Familie Lapine hat die Gültigkeitsdauer der von der Ausländerbehörde beschafften Dokumente jedoch verfristen lassen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1:
Dem Votum der Härtefallkommission, die ein Härtefallersuchen für die Familie Lapine an das Ministerium für Inneres und Sport gerichtet hat, ist entsprochen worden. Das Ministerium für Inneres und Sport hat als oberste Landesbehörde gem. § 23a AufenthG angeordnet, dass die Ausländerbehörde der Familie Lapine Aufenthaltserlaubnisse erteilt, sobald diese sich russische Nationalpässe besorgt hat und ihren Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit sicherstellt. Es handelt sich bei diesen Maßgaben um die Erfüllung der gesetzlich normierten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, die grundsätzlich von jedem Ausländer, der eine Aufenthalterlaubnis erhalten möchte, zu erfüllen sind.
Die Familie Lapine wird von der Ausländerbehörde nicht zur Ausreise nach Russland gedrängt. Es handelt sich um eine Forderung der russischen Behörden, dass ihre Staatsangehörigen, die – wie die Familie Lapine – keine Genehmigung zur Wohnsitznahme im Ausland eingeholt hatten, nur in Russland einen Nationalpass beantragen und erhalten können. Dieser Personenkreis kann nach Auskunft des Russischen Generalkonsulats aufgrund des geltenden russischen Rechts konsularische Dienste der Auslandsvertretungen erst dann in Anspruch nehmen, wenn sie den Heimatbehörden persönlich gemeldet haben, dass sie ihren Wohnsitz außerhalb der Russischen Föderation genommen haben. Die Ausländerbehörde hat zugesagt, die Wiedereinreise der Familie nach Deutschland zu ermöglichen.
Zu Frage 2:
Der Familie Lapine ist durch die Anerkennung im Härtefallverfahren eine Perspektive für den Verbleib in Deutschland eröffnet worden. Die Verzögerung bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse liegt ausschließlich im Verantwortungsbereich der Familie. Da sie sich vehement weigert, die für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnisse erforderlichen Nationalpässe beizubringen.
Zu Frage 3:
Siehe Vorbemerkungen. Die Familie Lapine hat nach dem Zerfall der UdSSR die russische Staatsangehörigkeit erworben, was nicht zuletzt durch die Ausstellung von Passersatzpapieren durch die russischen Behörden für die 1999 vollzogene Abschiebung und die Ausstellung weiterer Passersatzpapiere in den Jahren 2008 und 2010 dokumentiert ist. Sie hätte sich bereits nach Ablauf der Gültigkeit der sowjetischen Pässe in Russland um die Ausstellung neuer russischer Nationalpässe bemühen müssen.