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Niedersächsische Härtefallkommission

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 08.12.2011, Dringliche Anfragen


Der Niedersächsische Justizminister Bernd Busemann beantwortet in Vertretung des Niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann die Dringliche Anfrage der Fraktion DIE LINKE (Drs. 16/4244)

Das Aufenthaltsgesetz und das Asylverfahrensgesetz sind Bundesgesetze, die die Länder anzuwenden haben. Auch die Einrichtung der Härtefallkommission findet ihre rechtliche Grundlage im Aufenthaltsgesetz.

§ 23a AufenthG gibt den obersten Landesbehörden die Möglichkeit, über die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen hinaus, vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern in Einzelfällen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn eine von der Landesregierung durch Rechtsverordnung eingerichtete Härtefallkommission darum ersucht, also ein Härtefallersuchen stellt. In der Rechtsverordnung ist auch das Verfahren für die Arbeit der Härtefallkommission zu regeln sowie Ausschlussgründe für Härtefallersuchen zu bestimmen.

Nach der gesetzlichen Regelung in § 23a AufenthG trifft die Härtefallkommission keine abschließenden Entscheidungen, sondern ihre Ersuchen sind Empfehlungen an den Innenminister. Die Entscheidung für ein Härtefallersuchen setzt nach der gesetzlichen Regelung voraus, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit einer Ausländerin oder eines Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen. Für Härtefallersuchen besteht daher nur in außergewöhnlichen Einzelfällen Raum, in denen die Anwendung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zu Ergebnissen führt, die der Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt hat.

Die Zusammensetzung der Kommission stellt ein Spiegelbild der Gesellschaft dar, und die Bewertung, ob aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen ein Härtefall vorliegt, hat jedes Kommissionsmitglied vor seinem eigenen Gewissen zu verantworten. Die Vertreter der Kirchen und Wohlfahrtsverbände beurteilen manchen Fall anders als die Vertreter der Kommunen, der Gewerkschaften oder der Wirtschaft. Angesichts der Bedeutung der Entscheidung für die Betroffenen und für die Gesellschaft ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Die Kommissionsmitglieder müssen daher gegenseitige Überzeugungsarbeit leisten, wenn sie ein Härtefallersuchen erreichen wollen.

Wenn Sie den Tätigkeitsbericht 2010 lesen, können Sie erfahren, wie intensiv die Diskussionen in der Härtefallkommission geführt werden. Die Kommission betrachtet eine Vielzahl von Einzelkriterien, die bei der Entscheidung abgewogen werden. Und genau in dieser Gewährleistung einer intensiven Betrachtung jedes Einzelfalls liegt der Erfolg. So hat die Kommission seit ihrer Konstituierung 131 Eingaben beraten und ist in 85 Fällen zu einer positiven Entscheidung gekommen.

Wenn amnesty international demgegenüber auf eine Statistik Bezug nimmt, nach der auf 1 Million Einwohnerinnen und Einwohner in Niedersachsen lediglich 22 Anordnungen gem. § 23a AufenthG fallen, während es in anderen Bundesländern wesentlich mehr sind, so ist dies von geringer Aussagekraft. Amnesty international schränkt selbst ein, dass zum Beispiel der höhere Anteil an Ausländerinnen und Ausländern in Ballungsgebieten diese Auswertung verzerren kann. Es kommt auch darauf an, wie viele Eingaben überhaupt an die Härtefallkommission gerichtet werden.

Erheblich aussagekräftiger ist ein Ländervergleich, in dem die Anzahl der Beratungen in der Kommission zur Anzahl der positiven Entscheidungen ins Verhältnis gesetzt wird. Und da nimmt Niedersachsen mit 64,89% positiven Entscheidungen im Ländervergleich einen Platz im oberen Mittelfeld ein. In Nordrhein-Westfalen wurden z. B. seit Bestehen der Härtefallkommission nur 24,34% der beratenen Eingaben positiv entschieden.

Aktuell wird an einer Änderung der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung gearbeitet. Eine Person mit einer im Übrigen guten sozialen und wirtschaftlichen Integrationsleistung ist aufgrund der fahrlässigen Beteiligung an einem Verkehrsunfall zu einer erheblichen Geldstrafe verurteilt worden. Damit lag ein Nichtannahmegrund vor. Dieses Ergebnis ist unbillig, da der Unwertgehalt einer fahrlässigen Tat demjenigen einer Vorsatztat im Ergebnis gleichgestellt wird. Insoweit bestand Änderungsbedarf mit dem Ziel, eine Verurteilung wegen einer fahrlässigen Straftat als Nichtannahmegrund zu streichen.

Über weitere Änderungen in § 5 der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung (NHärteKVO), der Gründe benennt, die zu einer Nichtannahme einer Eingabe führen kann, wird derzeit beraten. Dazu steht das Ministerium für Inneres und Sport auch in Gesprächen mit der Konföderation der Evangelischen Kirchen in Niedersachsen und dem Katholischen Büro Niedersachsen.

Aufgenommen wird in jedem Fall eine Belehrungspflicht der Ausländerbehörde über die Möglichkeit der Anrufung der Härtefallkommission. Vollziehbar ausreisepflichtige Personen sollen so frühzeitig sensibilisiert werden.

Die Behauptung in der Dringlichen Anfrage, „Kirchenasyl“ als Ausschlussgrund festzulegen, ist falsch. Das war und ist zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1.:

Die Landesregierung ist weiterhin sehr an der Mitarbeit der Kirchen und der Wohlfahrtsverbände in der Härtefallkommission interessiert. Die Zusammensetzung der Kommission stellt ein Spiegelbild der Gesellschaft dar. Die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände repräsentieren wichtige Teile unserer Gesellschaft.

Eine Behinderung der Arbeit in der Kommission vermag die Landesregierung nicht zu erkennen.

Zu Frage 2.:

Eine Änderung des Quorums ist nicht vorgesehen. Angesichts der weit reichenden Bedeutung eines Härtefallersuchens wird eine qualifizierte Mehrheit nach wie vor für erforderlich gehalten. Eine positive Entscheidung der Härtefallkommission beinhaltet, dass geltendes Recht nicht angewendet wird. Die Abweichung von der Anwendung der Bestimmungen des Ausländerrechts kann nicht von einfachen Mehrheiten abhängig gemacht werden, sondern muss von einer breiten Basis der Gesellschaft getragen werden. Diese Auffassung wird von fast allen Bundesländern geteilt. Die nach § 7 Abs. 3 NHärteKVO notwendige 2/3-Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder für ein Härtefallersuchen entspricht den Regelungen der meisten anderen Bundesländer. Nur in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein reicht die einfache Mehrheit für ein Ersuchen, das Saarland verlangt eine 3/4-Mehrheit, Hamburg sogar Einstimmigkeit.

Die häufig geäußerte Kritik an der erforderlichen 2/3 Mehrheit mit der Folge, dass bei Anwesenheit von 8 stimmberechtigten Mitgliedern eine Abstimmung mit 5 Ja- und 3 Nein-Stimmen zu keinem Ersuchen, also keiner positiven Entscheidung für die Betroffenen führt, spielt in der Praxis nur eine geringe Rolle. Von den seit Bestehen der Härtefallkommission getroffenen 235 Entscheidungen sind lediglich 11 Eingaben mit dem Ergebnis 5 : 3 abgelehnt worden. Das entspricht einem Anteil von 4,7 %.

Eine veränderte Zusammensetzung der Kommission und eine Beteiligung anderer Organisationen sind nicht beabsichtigt. Die Härtefallkommission besteht aus 9 Personen, deren Mitglieder frei von Weisungen sind. Die oder der Vorsitzende, berufen vom Innenministerium, hat kein Stimmrecht. Die anderen 8 stimmberechtigten Mitglieder setzen sich wie folgt zusammen:

Jeweils eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der evangelischen Kirchen und des Katholischen Büros Niedersachsen, des Niedersächsischen Landkreistages und des Niedersächsischen Städtetages, der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen sowie 3 weitere vom Innenministerium berufene Mitglieder aus den Bereichen Unternehmerverbände, Gewerkschaften und Öffentlicher Dienst.

Diese Zusammensetzung der Kommission bildet die wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen in Niedersachsen ab und gewährleistet in jedem Einzelfall eine gründliche und sorgfältige Abwägung der besonderen humanitären und persönlichen Aspekte unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls.

Zu Frage 3.:

Die Nichtannahmegründe sollen die Arbeitsfähigkeit der Härtefallkommission erhalten und sie von Eingaben entlasten, die offensichtlich keinen Erfolg haben werden, da die gesetzlichen oder sonst formalen Voraussetzungen für ein Härtefallersuchen und damit für eine Anordnung nach § 23a AufenthG nicht erfüllt sind.

Wie in der Vorbemerkung dargelegt, befindet sich die Änderung der Härtefallkommissionsverordnung in der Abstimmung. Deren Ergebnis möchte ich nicht vorwegnehmen.

Vielen Dank!

Presseinformation

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erstellt am:
08.12.2011

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