Unterstützt die Landesregierung Kommunen bei Änderung ihrer Friedhofsatzungen?
Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2011; Fragestunde Nr. 27
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage des Abgeordneten Enno Hagenah (GRÜNE)
Der Abgeordnete hatte gefragt:
Da die Arbeitsbedingungen bei der Herstellung von Natursteinen insbesondere in Indien und China in starker Kritik stehen, haben sich immer mehr Kommunen und Länder für ihren Einkauf zur Einhaltung der International Labour Organization (ILO)-Konvention 182, insbesondere den Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit, verpflichtet. Das Land Niedersachsen hat mit dem Beschuss des Landtages vom 26. März 2009 sein Bekenntnis in diesem Sinne bestärkt und die Landesregierung aufgefordert, u. a. Kommunen zu ermutigen, „im eigenen Zuständigkeitsbereich ebenso zu verfahren und entsprechende Maßnahmen umzusetzen. Um Rechtssicherheit zu gewähren, schafft das Land Niedersachsen hierzu entsprechende Grundlagen.“
Inzwischen haben verschiedene Kommunen wie Saarbrücken, Nürnberg oder München im Rahmen ihrer Friedhofssatzungen nur noch das Aufstellen von Grabsteinen erlaubt, die nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt wurden. Auch in Niedersachsen gibt es Kommunen, die Änderungen ihrer Satzung in diesem Sinne anstreben.
Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Nürnberger Änderung der Friedhofssatzung für unwirksam erklärt hatte, wurde das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs nun auf Klage der Stadt Nürnberg vom bayerischen Verfassungsgericht unter Hinweis auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht wieder aufgehoben. Um die Rechtssicherheit zu erhöhen, ist bundesweit einmalig im Saarland die landesgesetzliche Ermächtigung in § 8 Abs. 4 Bestattungsgesetz eingeführt worden, wonach der Friedhofsträger in der Satzung bzw. Friedhofsordnung festlegen kann, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt sind.
Ich frage die Landesregierung:
- Bietet nach Auffassung der Landesregierung Niedersachsen das Urteil des bayerischen Verfassungsgerichtes auch für niedersächsische Kommunen eine Grundlage dafür, dass eine entsprechende Satzungsänderung Bestand hat?
- Wie schätzt die Landesregierung die Rechtssicherheit für Kommunen in Niedersachsen ein, die ihre Friedhofssatzung ohne eine landesgesetzliche Ermächtigung wie im Saarland ändern?
- Wird die Landesregierung in Niedersachsen eine Gesetzesänderung nach saarländischem Vorbild einleiten, um den Kommunen mehr Rechtssicherheit für entsprechende Änderungen ihrer Friedhofssatzung zu gewährleisten?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:
Die Niedersächsische Landesregierung unterstützt alle Bestrebungen die auf die Verhinderung ausbeuterischer Kinderarbeit gerichtet sind. Dies entspricht auch der Intention des Beschlusses des Niedersächsischen Landtags vom 26.03.2009 (LT-Drs. 16/1121), der sich diesbezüglich allerdings „nur“ mit dem Beschaffungswesen befasst. Bei der Untersagung der Verwendung durch ausländische Kinderarbeit hergestellter Grabsteine auf kommunalen Friedhöfen handelt es sich nicht um einen Beschaffungsvorgang der öffentlichen Hand, sondern um ein Verbot, das sich an die Verantwortlichen für eine Grabstätte und entsprechende Gewerbetreibende richtet.
Die Errichtung kommunaler Friedhöfe und die Regelung deren Nutzung sind Maßnahmen im eigenen Wirkungskreis der Kommunen. Die Kommunen haben zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Nutzung ihrer Friedhöfe als öffentliche Einrichtung im Rahmen ihrer Satzungshoheit die Möglichkeit, Regelungen zu erlassen, soweit der Friedhofszweck dies erfordert (§ 10 Abs. 1 und § 30 Abs. 1 NKomVG).
Satzungen können nur im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erlassen werden. Dazu gehören zwar in umfassender Weise die Nutzungsverhältnisse der kommunalen Friedhöfe. Nach der Entscheidung des Bayrischen Verwaltungsgerichtshofes vom
04.02.2009 -4 N 08.778- fehlt aber einem satzungsmäßigen Verbot der Verwendung durch Kinderarbeit erstellter Grabsteine ein spezifischer örtlicher Bezug. Eine entsprechende Satzungsregelung der Landeshauptstadt München wurde deshalb für nichtig erklärt. Diese Entscheidung entspricht der des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz vom 06.11.2008
-7 C 10771/08.OVG-, in der ebenfalls eine gemeindliche Regelungskompetenz diesbezüglich verneint wurde.
Demgegenüber hat der Bayrische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 07.10.2011 -Vf. 32-VI-10- zur (gleichen) Friedhofssatzung der Landeshauptstadt München dargelegt, dass das besagte Verbot der Aufstellung durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellter Grabsteine dem kommunalen Rechtskreis der Totenbestattung zuzuordnen ist, weil es auch darum gehe, eine würdige Ruhestätte für die Verstorbenen zu schaffen.
Eine derartige Satzungsregelung könne sich daher innerhalb des gemeindlichen Gestaltungsspielraumes bewegen.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1:
Die dargestellte unterschiedliche Rechtsprechung im Freistaat Bayern und die oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung im Lande Rheinland-Pfalz lassen es nicht zu, von einer feststehenden Rechtsauffassung auszugehen, die auf das Land Niedersachsen übertragbar sein könnte. Zudem sind Entscheidungen niedersächsischer Verwaltungsgerichte zu derartigen Satzungsregelungen bisher nicht bekannt.
Zu Frage 2:
Auf die Vorbemerkung und die Antwort zur Frage 1 wird verwiesen.
Zu Frage 3:
Anfragen der Kommunen zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung des Landes sind bisher nicht bekannt geworden. Sobald insoweit ein konkretes Bedürfnis festgestellt wird, wird das Land die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung prüfen.