Bundeswehrreform
Rede des Innenministers Uwe Schünemann in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2011; TOP 33 zum Antrag der Fraktion DIE LINKE; TOP 34 zum Antrag der Fraktion der SPD; TOP 35 zum Antrag der Fraktionen der CDU und FDP
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Reform der Bundeswehrstruktur ist die notwendige Reaktion auf die grundlegend veränderte sicherheits- und verteidigungspolitische Situation unseres Landes.
Niedersachsen steht an der Seite der hier stationierten Soldaten und zivilen Mitarbeiter.
Niedersachsen ist Heimat für die Bundeswehr, und die Landesregierung setzt sich nachdrücklich dafür ein, dass dies auch in Zukunft so bleibt.
Niedersachsen sieht sich zusätzlich mit dem angekündigten Abzug der Britischen Streitkräfte (ca. 11.000 Soldaten und Angehörige) aus vier niedersächsischen Standorten (Celle, Bad Fallingbostel, Bergen-Hohne und Hameln) bis zum Jahr 2020 mit erheblichen Auswirkungen auf die betroffenen Standortkommunen konfrontiert.
Bundesverteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière hat seine Entscheidung zum Stationierungskonzept vom 26.10.2011 intensiv vorbereitet.
Er hat den Ministerpräsidenten der betroffenen Länder im Vorfeld sehr ausführlich die aus seiner Sicht maßgeblichen Gesichtspunkte dargelegt.
Und er hat sich seinerseits eingehend über die für die Länder jeweils bedeutsamen strukturpolitischen Belange informiert.
Niedersachsen ist immer ein Bundeswehrland gewesen.
Und: Niedersachsen wird – so viel steht nach den Entscheidungen des Bundesverteidigungsministers fest – auch in Zukunft ein Bundeswehrland von Gewicht sein.
Zwar wird die Anzahl der militärischen und zivilen Dienstposten in Niedersachsen mit der jetzigen Reform im Laufe der Zeit von bisher 51.660 auf ca. 40.800 Dienstposten verringert.
Niedersachsen wird aber mit seiner künftigen Stationierungsdichte mit Rheinland-Pfalz an dritter Stelle stehen. In absoluten Zahlen wird Niedersachsen nach Abschluss der Reform das Bundesland mit den meisten Dienstposten sein.
Die Landesregierung hat in den zurückliegenden Wochen und Monaten in intensiven Gesprächen auf allen denkbaren Ebenen um jeden Standort gerungen und gekämpft.
Gleichwohl war bei realistischer Betrachtung von Anfang an klar, dass Niedersachsen nicht gänzlich „unbehelligt“ bleiben würde.
Es wird also zu Standortschließungen in Schwanewede, Ehra-Lessien und Lorup und teilweise deutlichen Reduzierungen von Dienstposten in mehreren Standorten kommen. In Visselhövede und auch in Diepholz kommt die Reduzierung der Dienstposten einer Schließung der Standorte gleich.
Dieser Teil der Bundeswehrstrukturreform ist für die betroffenen Kommunen ohne Frage ein sehr schmerzlicher Verlust. Daran ist nicht zu rütteln. Da gibt es auch nichts schönzureden.
Die Veränderungen gehen einher mit zum Teil massiven wirtschaftlichen Einschnitten durch Kaufkraftverluste und wegbrechende Aufträge durch die Bundeswehr für die betroffenen Standortkommunen.
Die Landesregierung wird jetzt das ihr Mögliche tun, um den betroffenen Standorten zu helfen.
Die Landesregierung hat dazu am 25.10.2011 beschlossen, den bereits eingerichteten interministeriellen Arbeitskreis IMAK „Konversion“ zum angekündigten Abzug der britischen Streitkräfte um die Kommunen zu erweitern, die von Standortschließungen oder Standortreduzierungen der Bundeswehr betroffen sind. Im Arbeitskreis, der vom Ministerium für Inneres und Sport geleitet wird, sind Sozial-, Landwirtschafts-, Umwelt-, Wirtschafts- und Finanzministerium vertreten sowie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben; bei Bedarf nehmen auch Vertreter der Bundeswehr teil.
Bereits am 2. November – also nur wenige Tage nach der Entscheidung des Bundes habe ich in meinem Hause zu einer Informationsveranstaltung des IMAK „Konversion“ mit den betroffenen Kommunen eingeladen. An dieser Veranstaltung haben neben Ministerpräsident McAllister hochrangige Vertreter der Bundeswehr, der Wehrbereichsverwaltung Nord und der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben teilgenommen und über den aktuellen Sachstand informiert.
Alle von Standortschließungen oder Standortreduzierungen betroffenen Kommunen in Niedersachsen, egal ob Britenabzug oder Bundeswehr, werden durch den IMAK ab sofort umfassend beraten und über mögliche Förderprogramme und Hilfestellungen informiert.
Hierzu zählen beispielsweise:
- das beim MS geführte Programm „Stadtumbau West“ des Bund-Länder-Programms zur Städtebauförderung
- der Regionalisierungsfonds des ML für Projekte zu interkommunalen und kreisgrenzenübergreifenden Lösungsansätzen und Maßnahmen
- die Möglichkeit der finanziellen Förderung durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben von Konzepten und Machbarkeitsstudien
Gleichzeitig habe ich im Innenministerium ein Konversionsbüro eingerichtet, in dem alle Fäden zusammenlaufen und wo die Kommunen ständige Ansprechpartner vorfinden.
Aktuell wird darüber hinaus ein Aktionsplan „Konversion“ erstellt, der am 22. November im Kabinett behandelt werden soll.
Darin werden die in Frage kommenden Förderprogramme des Landes mit Ansprechpartnern zusammengestellt, um die Kommunen zielgerichtet zu informieren.
Ferner wird das Land Haushaltsmittel bereitstellen, um die Erstellung von Gutachten und Konzepten zur Nachnutzung von militärischen Liegenschaften finanziell zu unterstützen.
Die bereits im Jahr 2003 vom Sozialministerium herausgegebene Arbeitshilfe für die niedersächsischen Städte und Gemeinden „Neue Nutzung für alte Strukturen - Konversion militärischer Liegenschaften“ wird gegenwärtig aktualisiert und dann den Kommunen ebenfalls zur Verfügung gestellt.
Darüber hinaus halte ich es für erforderlich, dass wir für die kommende EU-Förderperiode
2014 - 2020 die Struktur- und Kohäsionspolitik so ausrichten, dass „Konversionskommunen“ EU-Mittel beantragen und erhalten können. An dieser Aufgabe werden die zuständigen Ressorts in der nächsten Zeit arbeiten.
Im Gespräch mit den Kommunalen Spitzenverbänden werden wir in nächster Zeit zudem beraten, wie wir den Kommunalen Finanzausgleich an die neue Situation anpassen.
Vereinbart wurde weiterhin eine unmittelbare Kommunikation zwischen den unionsgeführten Innenressorts der Länder im Bereich der Konversion. Ziel ist es, Überlegungen, Planungen und Ideen auszutauschen und somit gegenseitig zu partizipieren.
Die Jahreskonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 26.10.-28.10.2011 in Lübeck hat unter Beteiligung des Niedersächsischen Ministerpräsidenten die Bundesregierung u.a. aufgefordert, für aufgegebene Bundeswehrstandorte – insbesondere in strukturschwachen Regionen – Konversionsmaßnahmen des Bundes zu veranlassen und ein Konversionsprogramm aufzulegen.
Zudem wurde der Bund aufgefordert, zur Erleichterung des Strukturwandels eine verbilligte Abgabe der zu Verteidigungszwecken nicht mehr benötigten Liegenschaften an die jeweiligen Kommunen zu ermöglichen und die Sanierung etwaiger Altlasten zu übernehmen.
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat Ministerpräsident McAllister für Februar 2012 zu einer Konversionskonferenz mit Vertretern der Bundeswehr und den betroffenen Standortgemeinden eingeladen.
Die Bundesanstalt schätzt, dass zu diesem Zeitpunkt die Freigabetermine der betroffenen Bundesliegenschaften bekannt sein werden.
Im Ergebnis ist sich die Landesregierung also ihrer Verantwortung bewusst und lässt die Kommunen in diesem schwierigen Prozess nicht allein.