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Beantwortung der Mündl. Anfrage der Grünen zur Einrichtung von Asylzentren

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14. Dezember 2017; Fragestunde Nr. 10

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Belit Onay, Anja Piel, Christian Meyer und Helge Limburg (GRÜNE) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Laut Koalitionsvereinbarung von SPD und CDU verfolgen die Koalitionspartner das Ziel, „alle Asylsuchenden durch das BAMF in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu registrieren. Auch die Stellung des Asylantrags soll dort erfolgen. Personen mit einer absehbaren rechtlichen oder faktischen Bleibeperspektive sowie Familien sollen anschließend auf die Kommunen verteilt werden. Kurzfristig realisierbare Rückführungen sollen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen erfolgen. Das gilt für diejenigen Asylbewerber, die nach der Dublin-Verordnung in einen anderen Mitgliedstaat zu überstellen sind. Die bundesrechtlich vorgesehenen Möglichkeiten für die Erstaufnahmeeinrichtungen der §§ 47, 47 Abs. 1 b Satz 1 i. V. m. §§ 30, 47 Abs. 1 b Satz 2 i. V. m. §§ 48, 49, 50 und 47 Abs. 1 b Satz 3 Asylgesetz (AsylG) werden dabei konsequent genutzt und beachtet. Auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen sollen Sprach- und Integrationskurse angeboten werden.“

Der Präsident der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) lehnt es hingegen laut dem Rundblick vom 29. November 2017 ab, Flüchtlinge aus den sicheren Herkunftsstaaten in eigenen Zentren bis zu ihrer Rückkehr unterzubringen, „denn die Perspektivlosigkeit würde nicht zu mehr freiwilligen Ausreisen animieren, aber Bewohner und Betreuer dauerhaft deprimieren“. Zudem sehe er bei vielen Gebäuden der LAB NI Sanierungsbedarf, für den die Landesregierung Mittel bereitstellen müsse. Hingegen gab es laut einem NDR-Bericht vom 12. Februar 2017 zu dem Zeitpunkt einen Leerstand in den niedersächsischen Kommunen von 27 000 freien Wohnraumplätzen für Flüchtlinge.

Angesichts des GroKo-Vorhabens, kurzfristig realisierbare Rückführungen aus den Erstaufnahmeeinrichtungen heraus vorzunehmen, spielt die Dauer der Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eine Rolle. Bundeskanzlerin Merkel sagte laut Tagesschau.de vom 4. September 2017, die Bearbeitungsfrist für Asylgesuche sei teilweise auf zwei Monate gesunken. Sie habe sich dabei aber allein auf Flüchtlinge, die nach dem 1. Januar 2017 nach Deutschland gekommen sind, bezogen. Somit sei die Aussage zumindest irreführend: Denn die Asylverfahren beim BAMF dauerten statistisch länger als 2016. Im zweiten Quartal 2017 sei durchschnittlich fast ein Jahr (11,7 Monate) vergangen, bis über einen Asylantrag entschieden wurde. Im ersten Vierteljahr seien es 10,4 Monate und im Gesamtjahr 2016 noch gut 7 Monate gewesen.

1. Wie lang ist die aktuelle durchschnittliche und maximale Verweildauer von Geflüchteten in den einzelnen Einrichtungen der LAB NI?

Die durchschnittliche Verweildauer in der LAB NI beträgt 96 Tage oder knapp 14 Wochen, für sichere Herkunftsländer (SHLK) sind es 126 Tage oder 18 Wochen, für die übrigen Herkunftsländer 66 Tage oder gut 9 Wochen.

Die Standorte im Einzelnen:

Bramsche: SHKL = 60 Tage, übrige HKL = 29 Tage

Braunschweig:SHKL = 239 Tage, übrige HKL = 184 Tage

Friedland: SHKL = 37 Tage, übrige HKL = 34 Tage

Fallingbostel: SHKL = 60 Tage, übrige HKL = 24 Tage

Oldenburg: SHKL = 148 Tage, übrige HKL = 51 Tage

Osnabrück: SHKL = 207 Tage, übrige HKL = 40 Tage.

Die maximale Verweildauer stellt sich pro Standort wie folgt dar:

Bramsche: SHKL 282 Tage, übrige HKL 245 Tage

Braunschweig: SHKL 777 Tage, übrige HKL 582 Tage

Friedland:SHKL 14 Tage, übrige HKL 80 Tage

Fallingbostel: SHKL 93 Tage, übrige HKL 122 Tage

Oldenburg: SHKL 594 Tage, übrige HKL 456 Tage

Osnabrück: SHKL 521 Tage, übrige HKL 169 Tage.

Die maximale Verweildauer betrifft jeweils sehr wenige Einzelfälle. Für diese gibt es unterschiedliche Ursachen wie z. B. zwischenzeitliche längere Krankenhausaufenthalte oder Klageverfahren in Verbindung mit gescheiterten Abschiebungsversuchen.

2. Wie rechtfertigt die Landesregierung die Ausgaben für die Asylzentren und die Sanierung der LAB NI - bitte beziffern -, wenn andererseits Leerstand in den Kommunen - bitte aufschlüsseln nach Unterbringungsarten wie z. B. Wohnungen, Wohncontainer, Gemeinschaftsunterkünfte - herrscht?

Das Land Niedersachsen erfüllt die ihm obliegende gesetzliche Aufgabe der Erstaufnahme von Asylbegehrenden durch die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) an deren Standorten; die Behörde unterhält keine Asylzentren.

Das Land Niedersachsen steht zu seiner Verpflichtung einer menschenwürdigen Unterbringung in seinen Einrichtungen. An allen Standorten der LAB NI bestand und besteht ein umfassender und dringender Sanierungs- und Modernisierungsbedarf, um die adäquate Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern gewährleisten zu können. Hierfür sind entsprechend umfangreiche Investitionen erforderlich. Im Zuge der im Jahr 2015 begonnenen Sanierung und Modernisierung trägt das Land gleichzeitig dafür Sorge, dass die Unterbringungskapazität an jedem Standort der LAB NI im Rahmen des Kapazitätskonzeptes entsprechend angepasst werden kann.

Im Zeitraum 2015 bis 2017 wurden an den Standorten der LAB NI Baumaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 46.776.251 € beauftragt. Diese teilen sich wie folgt auf:

  1. Standort Bramsche: 9.526.256 €

  2. Standort Braunschweig: 14.432.260 €

  3. Standort Friedland: 5.920.100 €

  4. Standort Oldenburg: 2.520.970 €

  5. Standort Osnabrück: 11.816.500 €

  6. Standort Fallingbostel: 2.560.165 €

    Im sog. ersten Bauabschnitt (Bauzeit 2017 – ca. 2021) sind Baumaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von 68.330.838 € geplant; diese wurden bereits zum Teil beauftragt. Davon entfallen auf:

  1. Standort Bramsche: 31.534.038 €

  2. Standort Braunschweig: 12.977.800 €

  3. Standort Friedland: 20.969.000 €

  4. Standort Osnabrück: 350.000 €

  5. Standort Fallingbostel: 2.500.000 €

    Weitere Mittel für einen zweiten Bauabschnitt werden zum Haushalt 2019 angemeldet werden.

    Für Ausländerinnen und Ausländer, die nach Abschluss der Erstaufnahme in der Landesaufnahmeeinrichtung auf die Städte und Gemeinden verteilt werden, sind nach dem derzeit geltenden Niedersächsischen Aufnahmegesetz die Landkreise, die Region Hannover, kreisfreien Städte und die Städte Hannover und Göttingen für die Unterbringung zuständig.

    Da vor diesem Hintergrund seitens des Landes zu der detaillierten Unterbringungssituation in den Kommunen keine laufenden gesonderten Erhebungen durchgeführt werden, sind entsprechende Daten nicht unmittelbar verfügbar. Es bedarf daher zur Beantwortung dieser Anfrage einer gesonderten Abfrage bei den Kommunen. Allerdings ist eine solche Erhebung der gewünschten Daten in der Kürze der für die Beantwortung einer Mündlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, so dass die erbetenen Daten zum Leerstand in den Kommunen zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden.

    Aus Sicht der Landesregierung handelt es sich im Übrigen um zwei nicht vergleichbare Unterbringungstatbestände. Während das Land die Erstaufnahme sicherstellt, handelt es sich bei der kommunalen Unterbringung im Wesentlichen um die Folgeunterbringung. Daher existiert der in der Frage implizierte Gegensatz zweier gleichwertiger Unterbringungsarten nicht, handelt es sich nicht um gleichzeitige, sondern um zeitliche versetzte Unterbringungen.

3. Wie viele Rückführungen sind nach Ansicht der Landesregierung in welchem „kurzfristigen“ Zeitraum im Sinne der Koalitionsvereinbarung realisierbar?

In Niedersachsen hat die freiwillige Rückkehr ausreisepflichtiger Personen Vorrang vor einer zwangsweisen Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung. In den Fällen, in denen die ausreisepflichtigen Personen die Möglichkeit einer freiwilligen und damit selbstbestimmten Rückkehr nicht genutzt haben, ist die Rückführung die zwingende gesetzliche Rechtsfolge. Die Ausländerbehörden sind dann verpflichtet, die Abschiebung einzuleiten.

Rückführungen vollziehbar ausreisepflichtiger Personen werden in Niedersachsen konsequent vollzogen. Ziel ist eine umgehende zeitnahe Aufenthaltsbeendigung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen. Allerdings kann die voraussichtliche Anzahl rückzuführender Personen nicht belastbar abgeschätzt werden. Zum einen wird die Anzahl der Rückführungen beeinflusst durch die Entwicklung der Anzahl der vollziehbar ausreisepflichtigen Personen. Zum anderen darf eine Abschiebung nur vollzogen werden, wenn der Durchführung keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen, die zur Erteilung einer Duldung führen.

Die Prüfung dieser sogenannten inlandsbezogenen Vollzugshindernisse erfolgt individuell in jedem Einzelfall und die Ergebnisse lassen sich naturgemäß nicht vorhersehen, genauso wenig wie der Zeitpunkt des Wegfalls etwaiger Duldungsgründe im Einzelfall. Gründe, die einer umgehenden Abschiebung entgegenstehen, können in der Person der abzuschiebenden Ausländerin oder des abzuschiebenden Ausländers liegen, beispielsweise eine temporär fehlende Reisefähigkeit oder aber auch die Verletzung der Mitwirkungspflichten bei der Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit. Zudem können auch nicht beeinflussbare objektive Gegebenheiten den Vollzug einer Abschiebung verzögern, beispielsweise die Bearbeitungszeiten bei der Passersatzpapierausstellung durch die Behörden der Herkunftsstaaten, die eine Rückführung unter Nutzung von EU-Laissez Passer nicht akzeptieren. Auch die Weigerung einiger Herkunftsländer ihre eigenen Staatsangehörigen im Rahmen von Chartermaßnahmen zurückzunehmen, begründet einen zeitlichen Verzug bei der Umsetzung der Ausreiseverpflichtung.

Presseinformation

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erstellt am:
14.12.2017

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