Online-Durchsuchungen privater Computer
Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktion der SPD Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
zu den wichtigen Aufgaben des Staates gehört es, seine Bürger vor Straftaten zu schützen Erst im März 2007 hat eine militant-islamistische Gruppierung im Internet eine Videobotschaft veröffentlicht, in der sie den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan fordert; auch dies ist ein Zeichen dafür, dass Deutschland zunehmend in den Fokus des internationalen Terrorismus rückt.
Vor diesem Hintergrund habe ich wenig Verständnis dafür, wenn Sie hier undifferenziert fordern, dass wir auf neue Ermittlungsmethoden wie die Online-Durchsuchung von vornherein und insgesamt verzichten sollen.
Und offen gesagt, dass gerade diese Forderung von der SPD-Fraktion kommt, wundert mich besonders. War es doch Ihr Innenminister Schily der genau dieses Instrument, nämlich die Online-Durchsuchung zugelassen hat. Unter rot-grün - wohlgemerkt ohne gesetzliche Grundlage - war also möglich, was Sie jetzt mit ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage unter CDU-Bundesinnenminister Schäuble vehement bekämpfen.
Das verstehe ich nicht!
Vielleicht sollten Sie einfach noch einmal das Gespräch mit Staatssekre-tär Diwell suchen, denn er war es, der damals noch als Innen-Staatssekretär die praktische Notwendigkeit von Online-Durchsuchungen erkannt hat und der heute Staassekretär im Bundesjustizministerium ist.
In Ihrem Antrag erläutern Sie lediglich, wie schwerwiegend eine verdeckte Online-Durchsuchung in die Grundrechte des Betroffenen eingreifen würde. In dem Punkt gebe ich Ihnen ja durchaus Recht. Auch ich bin der Ansicht, dass ein verdeckter Zugriff auf die Daten eines Computers einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre bedeuten kann, gerade wenn ein Computer für persönliche Aufzeichnungen und Kommunikation genutzt wird.
Den Nutzen, den die verdeckte Online-Durchsuchung bringen könnte, erwähnen Sie allerdings in Ihrer Pauschalablehnung mit keinem Wort. Einen verantwortungsvollen Umgang mit dem schwierigen Spannungsfeld von Freiheitsrechten und Schutz der Bürger vor Anschlägen und Straftaten demonstrieren Sie damit nicht. Auf dieses Ermittlungsinstrument von Vornherein zu verzichten, halte ich für leichtfertig.
Straftäter machen sich die moderne Informationstechnologie zu nutze und setzen sie bei der Vorbereitung und Begehung ihrer Taten ein. Ohne Computer und Internet wäre eine weltweite Vernetzung terroristischer Aktivitäten in der Weise, wie wir sie jetzt beobachten, kaum denkbar. Das Internet wird für die Verbreitung von Propaganda genutzt, und es bietet Wege für einen ebenso konspirativen wie schnellen Austausch von Informationen. Auch die organisierte Kriminalität profitiert von diesen Möglichkeiten und nutzt sie bei der Planung und Begehung ihrer Taten.
Die dabei auf den Festplatten von Computern entstehenden Daten sind für Polizei und Nach-richtendienste von ganz erheblicher Bedeutung und können wichtige Aufschlüsse über terroristische oder kriminelle Strukturen und Planungen geben.
Die herkömmliche Überwachung der Telekommunikation läuft immer häufiger ins Leere, zum Beispiel, wenn Verschlüsselungstechniken verwendet werden oder wenn nicht nachzuweisen ist, von welchem Computer aus ein Internetanschluss benutzt wird. Webseiten werden als "blackbox" ausgestaltet und können ohne konkrete Domainnamen nicht mehr gefunden werden.
Mit einer offenen Beschlagnahme und Durchsuchung eines Computers können nicht immer alle relevanten Daten gesichert werden – etwa, wenn Daten auf ausländische Server ausgelagert werden oder bei einem Datenaustausch nur in temporären Speichern abgelegt werden. Eine verdeckte Online-Durchsuchung bietet außerdem gegenüber einer offenen Maßnahme erhebliche ermittlungstaktische Vorteile. Im Bereich des Terrorismus kann es entscheidend sein, dass der Betroffene zunächst nichts von den Ermittlungen erfährt, zum Beispiel, um im Vorfeld die konkreten Umstände eines Anschlags aufklären zu können.
Auch wenn die Einsatzmöglichkeiten der Online-Durchsuchung aus verfassungsrechtlichen – und im übrigen auch aus technischen – Gründen weiterhin begrenzt bleiben werden, kann sie in geeigneten Fällen den entscheidenden Beitrag dazu leisten, Anschläge zu verhindern oder schwere Straftaten aufzuklären. Der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Zierke hat die Online-Durchsuchung sogar als unerlässlich für die Strafverfolgung bezeichnet.
Der heimliche Eingriff in die Privatsphäre ist zwar ein schwerwiegender Eingriff in die Grund-rechte. Ich bin jedoch der Ansicht, dass dieser Grundrechtseingriff unter engen Vorausset-zungen und zum Schutz höchster Rechtsgüter, zum Beispiel zur Verhinderung von Anschlägen oder zur Aufklärung von Straftaten der organisierten Kriminalität, gerechtfertigt sein kann. Aus diesem Grund haben sich auch die zuständigen Arbeitskreise der Innenministerkonferenz bei ihren Frühjahrssitzungen mit diesem Thema beschäftigt und Arbeitsgruppen eingerichtet, die sich mit den technischen und rechtlichen Fragen der Online-Durchsuchung beschäftigen.
Lassen Sie mich noch auf die zentrale Speicherung und Nutzung von biometrischen Daten aus Ausweispapieren eingehen. Ich kann mich da kurz fassen, denn – wie Sie wissen – hat der Bundestag am 24.05.2007 u.a. die Novellierung des Passgesetzes und des Personalausweis-gesetzes beschlossen. Der Bundesrat wird den Vermittlungsausschuss nicht anrufen und am kommenden Freitag (08.06.2007) das Gesetz damit passieren lassen. Im Ergebnis wird es für die biometrischen Daten keine bundesweite Datenbank geben. Es werden also weder die Passfotos noch die Fingerabdrücke, die auf dem Chip im Pass gespeichert werden, in einer bundesweiten Datenbank zusammengeführt.
Die Polizei wird jedoch dann einen direkten Zugriff auf die digitalen Passfotos in den zuständigen kommunalen Behörden haben, wenn es um die Verfolgung von Straftaten oder Verkehrsord-nungswidrigkeiten geht und die Passbehörde bzw. die Personalausweisbehörde nicht erreichbar ist. Diese Regelung wird von der Landesregierung akzeptiert.
Wir werden uns dafür einsetzen, dass Polizei und Nachrichtendiensten auch künftig die Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, die sie benötigen, um ihre Aufgaben effektiv zu erfüllen, und wir werden dafür sorgen, dass die Grundrechte unserer Bürger dabei geschützt werden. Pauschale Absagen, wie Sie sie hier fordern, sind dabei sicher nicht der richtige Weg.
Artikel-Informationen
erstellt am:
06.06.2007
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010