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Aktivitäten im Vorfeld des G8-Gipfels

Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Rolfes und Biallas (CDU) Es gilt das gesprochene Wort!


Die Abgeordneten hatten gefragt:

Die Hannoversche Allgemeine Zeitung und die Neue Presse haben am 15. und 16. Januar 2007 ausführlich über Aktivitäten eines von dem niedersächsischen Jugendumweltnetzwerk "Janun e. V." und der Bewegung "Attac" gemeinsam organisierten "aktionsorientierten Workshops" berichtet. Das Gelände der Integrierten Gesamtschule Hannover-Linden ist demnach als Trainingsgelände für den Widerstand anlässlich des G-8-Gipfels genutzt worden.

Janun e. V. erhält als anerkannter gemeinnütziger Verein öffentliche Zuschüsse für seine politische Arbeit. Der Verein hatte bereits Ende April 2006 für Schlagzeilen gesorgt. Damals hatten Aktivisten von Janun zum Jahrestag des Reaktorunglücks von Tschernobyl in mehreren Städten Niedersachsens gefälschte Schilder auf Spielplätzen verteilt, die den Schriftsatz "Radioaktivität - Spielplatz gesperrt" trugen. In Göttingen war diesbezüglich sogar ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und Amtsanmaßung eingeleitet worden.

Das Schulgelände in Hannover-Linden war den Organisatoren gegen ein Mietzins von 1 600 Euro von der Stadt Hannover zur Verfügung gestellt worden. Schon im Dezember-Newsletter von Janun fanden sich eindeutige Hinweise auf Art und Umfang des Workshops: Dort war u. a. von einem "energischen Empfang der Mächtigen", von "heißen Tagen an der Ostseeküste" und von einer möglichen "Blockade der Zufahrt zum chicen Tagungshotel Kempinski in Heilgendamm" die Rede.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Veranstaltung und deren Teilnehmer?

2. Wie beurteilt die Landesregierung den Ablauf der Veranstaltung auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Schulgelände für derartige Aktivitäten genutzt wurde?

3. Sieht die Landesregierung Zweifel an der Förderungswürdigkeit der Arbeit des Jugendumweltnetzwerkes Janun e. V. vor dem Hintergrund der inzwischen bekannt gewordenen Aktivitäten?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die niedersächsische Landesregierung leistet einen erheblichen Aufwand und Beitrag, um einen sicheren und störungsfreien G 8-Gipfelverlauf in Heiligendamm zu gewährleisten. Insbesondere die niedersächsische Polizei wird das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern im größtmöglichen Umfang personell und materiell unterstützen. Auch hat die Landesregierung in Niedersachsen umfangreiche Aufklärungsmaßnahmen durch die Sicherheitsbehörden initiiert.

Friedlich ausgetragener Protest gegen das bevorstehende G 8-Gipfeltreffen ist als Bestandteil demokratischer Willensbildung nicht zu beanstanden. Die Landesregierung appelliert nachhaltig an alle Globalisierungskritiker, ihren Protest gewaltfrei vorzutragen.

Bedauernswerterweise sind die G 8-Gipfeltreffen der letzten Jahre auch von gewalttätigen Pro-testen, Demonstrationen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen von Globalisierungsgegnern begleitet worden. Ausgehend von versammlungsrechtlichen Aktionen kam es dabei auch zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Sicherheitskräfte.

Zu diesem frühen Zeitpunkt können die deutschen Sicherheitsbehörden keine konkrete Aussage hinsichtlich der Dimension der zu erwartenden Proteste aus dem Bereich der linken Szene gegen den G 8-Gipfel 2007 in Heiligendamm/Mecklenburg-Vorpommern treffen.

Seit etwa 2005 führt das sog. linke Spektrum bundes- und europaweit Vorbereitungs-,Infor-mations- und Mobilisierungsveranstaltungen vor dem Hintergrund von Protestaktionen gegen das bevorstehende G 8-Gipfeltreffen mit eher geringer Resonanz durch. Vorbereitungstreffen sind in der linken Szene üblich, um künftige Protestformen zu erproben und einzuüben.

Das bislang gegen den G 8-Gipfel 2007 gebildete Bündnis globalisierungskritischer Gruppie-rungen wird von den Sicherheitsbehörden überwiegend als nicht extremistisch und nicht gewaltbereit eingestuft.

Einen Zusammenschluss globalisierungskritischer Gruppierungen stellt die aus derzeit 40 teil-nehmenden Einzelorganisationen bestehende "G 8-NGO-Plattform" (NGO = non governmental organization / Nicht-Regierungsorganisation) dar. An diesem Bündnis sind neben der Aktion "Brot für die Welt", dem "Deutschen Naturschutzring", der Umweltschutzorganisation "Green-peace", "Terre des Hommes" u.a. auch die Vereinigung "Jugendumweltnetzwerk Nieder-sachsen – JANUN e.V." und das Netzwerk "attac" beteiligt.

Die Vereinigung "JANUN" entstand etwa im Jahr 1988 als Zusammenschluss von zahlreichen Projekten der Jugendumweltbewegung in Niedersachsen, u. a. die niedersächsischen Teile der "BUNDjugend", der "Naturschutzjugend" und des "Deutschen Jugendbundes für Naturbeob-achtung".

Das deutsche Netzwerk "attac" wurde im November 2000 in Frankfurt am Main gegründet. Das Netzwerk "attac", das insgesamt als nicht extremistisch und nicht gewaltbereit eingeschätzt wird, ist eine führende Kraft im Themenbereich "Antiglobalisierung".

Weder die Gruppierung "JANUN" noch das Netzwerk "attac" sind Beobachtungsobjekte des Niedersächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die von den Organisationen "JANUN" und "attac" auf verschiedenen Internetseiten für den Zeitraum vom 12. bis 14.01.2007 in der IGS Linden, Hannover, angekündigte Veranstaltung unter dem Motto "Aktionswerkstatt G 8 - den Wind aus den Segeln nehmen" war sowohl dem Landeskriminalamt Niedersachsen als auch der Polizeidirektion Hannover im Vorfeld bekannt.

Den Ankündigungen von "JANUN" zufolge sollte das – ich zitiere: "kreative Wochenende mit Nachspiel" (Zitatende) als Einstieg in vielfältige Aktionsmethoden bei den Protesten gegen den G 8-Gipfel 2007 dienen.

Nach dem Bericht der Polizeidirektion Hannover lagen weder im Zusammenhang mit Treffen in der Vergangenheit noch mit dem in Rede stehenden Vorbreitungstreffen Hinweise auf die Verabredung und/oder Planung gewaltsamer Gegenaktionen zum G 8-Gipfel in Heiligendamm vor.

Als einzige mit Außenwirkung erkennbare Aktion wurde eine Kletterübung von etwa 15 Personen polizeilich festgestellt. Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten, Ordnungswidrigkeiten oder unmittelbare Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung wurden nicht erlangt. Darüber hinausgehende Informationen zur Veranstaltung entstammen Presseberichten und Internetveröffentlichungen.

Zu 2.:

Nach dem Niedersächsischen Schulgesetz haben die Schulträger die erforderlichen Schul-anlagen vorzuhalten. Das Schulgesetz geht davon aus, dass die Schulträger die Schulanlagen grundsätzlich im Besitz haben und verwalten. Folglich kann der Schulträger, wie in diesem Falle die Stadt Hannover, Räume und Einrichtungen der Schulen in der unterrichtsfreien Zeit für andere Zwecke an Dritte für eine außerschulische Nutzung zur Verfügung stellen. Die Vergabe der Schulanlagen für schulfremde Zwecke unterliegt nicht den Vorschriften des Schulgesetzes. Sie erfolgt in der Regel auf der Grundlage von kommunalen Satzungen, die die Überlassung von Schulräumen und Schuleinrichtungen sowie die Erhebung von Gebühren für die Benutzung regeln.

Zum Zeitpunkt der Vermietung lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Durchführung der in Rede stehenden Veranstaltung eine Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Zudem bestand kein begründeter Anlass zu der Annahme, dass die während der unterrichtsfreien Zeit veranstaltete Aktion die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler der IGS Linden in Hannover oder die Durchführung des Bildungsauftrages der Schule hätte gefährden können.

Zu 3.:

Unter Berücksichtigung des Steuergeheimnisses (gemäß § 30 Abgabenordnung [AO]) kann lediglich allgemein Stellung bezogen werden. Grundsätzlich bedarf es zur Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft der Erfüllung von zwei Voraussetzungen: Zum einen muss sich aus der Satzung der Körperschaft ergeben, dass die Körperschaft ausschließlich und un-mittelbar gemeinnützige Zwecke selbstlos verfolgt und zum anderen muss die tatsächliche Geschäftsführung diesen Satzungsbestimmungen entsprechen (§ 59 AO).

Hinsichtlich der hier im Einzelfall im Vordergrund stehenden Frage, ob aufgrund der tatsäch-lichen Geschäftsführung die Steuervergünstigungen zu versagen sein könnten, ist anzumerken, dass sich die tatsächliche Geschäftsführung als Voraussetzung für die Gewährung von Steuer-vergünstigungen im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung (der verfassungsmäßigen Ordnung) halten muss. Von einer Förderung der Allgemeinheit kann laut Rechtssprechung bei einer Missachtung der Rechtsordnung (z.B. durch Gewalt gegen Personen oder Sachen, Nichtbefolgung polizeilicher Anordnungen), die gerade den Schutz des Einzelnen und damit auch der Allgemeinheit sichern soll und sichert, nicht die Rede sein. Dagegen verstößt ge-waltfreier Widerstand gegen geplante Maßnahmen des Staates grundsätzlich noch nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10.1.1995, NJW S. 1141). Das gilt z. B. für Sitzblockaden.

Bei den nicht gewaltfreien gemeinnützigkeitsschädlichen Aktivitäten muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob Rechtsverstöße der steuerbegünstigten Körperschaft (oder nur einzelnen Mitgliedern der Körperschaft) verbindlich zugerechnet werden können. Nur wenn die Verstöße gegen die Rechtsordnung der Körperschaft auch verbindlich zugerechnet werden können, sind gemeinnützigkeitsrechtliche Konsequenzen zu ziehen.

Hier bedarf es im Einzelfall weiterer Ermittlungen bzw. der Sachverhaltsaufklärung durch die zuständigen Finanzbehörden.

Artikel-Informationen

erstellt am:
26.01.2007
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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