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Dienstreisen des Wolfsburger Oberbürgermeisters

Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Voigtländer (SPD) Es gilt das gesprochene Wort!


Der Abgeordnete hatte gefragt:

Der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg ist in besonderer Weise mit der Volkswagen AG und damit auch mit dem Land Niedersachsen wirtschaftlich verbunden. So wurde beispielsweise im Jahr 1998 die gemeinsame Firma Sitech (51 % VW/49 % Unternehmensgruppe Schnellecke) mit dem Ziel der Verlagerung der Sitzefertigung nach Polen gegründet (siehe Wolfsburger Allgemeine Zeitung vom 14. Ja-nuar 2005). Mit einem Startkapital von 5 Millionen Euro begann die Partnerschaft. Zwischenzeitlich übernahm VW die Sitech-Anteile von der Unternehmensgruppe Schnellecke zu einem Preis von 37 Millio-nen Euro.

Zudem soll der Wolfsburger Oberbürgermeister nach mehreren Hin-weisen mehrfach Werksflugzeuge von VW genutzt haben. Unter anderem wurden mir gegenüber ein Polenflug, ein Pragflug, eine Teil-nahme an einer Fahrzeugpräsentation auf Sardinien mit anschließender Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer sowie mehrere Tagesreisen zu Auswärtsspielen des VfL Wolfsburg nach München bekannt gemacht.

Als Oberbürgermeister gehört Herr Schnellecke als stellvertretender Vorsitzender dem Aufsichtsrat der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, ei-ner 90-prozentigen Tochter von VW, an. In dieser Funktion soll er auch zwei VIP-Karten im Ehrenbereich der Volkswagen-Arena erhal-ten haben. Diese Karten stellen pro Saison einen Wert von rund 5 000 Euro dar.

Als Großaktionär steht das Land bei VW in besonderer Verantwor-tung und ist durch den Ministerpräsidenten sowie den Wirtschaftsmi-nister im Aufsichtsrat vertreten, deshalb sollte das Land ein fundamentales Interesse an transparenten und politisch korrekten Verhältnissen haben.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

  1. In wie vielen Fällen, mit welchem Ziel und mit welchen dienstlichen Begründungen hat Herr Schnellecke als Amtsträger der Stadt Wolfsburg (Oberstadtdirektor seit 1995 und Oberbürgermeister seit 2001) Werksflugzeuge von VW allein oder in Begleitung genutzt?
  2. Welche Kosten sind durch die einzelnen Flüge von Herrn Schnellecke mit oder ohne Begleitung entstanden, und von wem wurden diese Kosten getragen?
  3. Darf der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, aber auch als Amtsträger zwei VIP-Karten für die Volkswagen-Arena annehmen, bzw. in welchen Fällen und bis zu welcher Wertgrenze dürfen Amtsträger Einladungen oder geldwerte Vorteile annehmen?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortet namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Vorab ist festzustellen, dass derartige Fragen vorrangig im Rat der Stadt Wolfsburg erörtert werden sollten.

Die Entwicklung der Stadt Wolfsburg ist seit ihrer Gründung eng mit der Entwicklung von Volkswagen, deren Konzernhauptstadt sie ist, verbunden. Der besondere, enge Zusammenhang zwischen dem Wohl der Stadt und dem des größten dort ansässigen Wirtschaftsunternehmens ist eine in Niedersachsen einzigartige Situation. Vielfältige Beziehungen bis hin zur Gründung der Wolfsburg AG als gemeinsamer Gesellschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen sind Ausdruck gegenseitiger Verantwortung. Zu den Aufgaben des Wolfsburger Oberbürgermeisters gehört die Kontaktpflege mit dem Konzern, nicht zuletzt, um sich über die dortigen Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. VW ist ein internationaler Konzern mit weltweiten Standorten und Präsentationen, so dass die mit hohem Verantwortungsbewusstsein wahrgenommenen Dienstpflichten auch Reisen weit über die Stadtgrenzen hinaus erforderlich machen.

Herr Schnellecke ist seit 1967 Mitgesellschafter/Inhaber eines Wolfsburger Familienunternehmens. Es wurde 1939 von seinem Vater gegründet und nach dessen Tod 1949 von der Mutter fortgeführt. Das Unternehmen wird seit jeher von verantwortlichen und selbständig handelnden Geschäftsführern geführt. Herr Schnellecke selbst ist nicht als Geschäftsführer tätig. Für die von ihm wahrgenommenen Aufsichts- und Überwachungsfunktionen sind ihm beamtenrechtliche Genehmigungen erteilt worden.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage auf der Grundlage der von der Stadt Wolfsburg erteilten Auskünfte namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

In seiner Funktion als Oberstadtdirektor bzw. Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg hat Herr Schnellecke in den vergangenen elf Amtsjahren aus Zeitgründen folgende Mitflugmöglichkeiten mit Werksflugzeugen der Fa. Volkswagen wahrgenommen:

• Einladungen zu Autopräsentationen bzw. -veranstaltungen nach

Köln-Bonn (VW-Präsentation für Landes- und Bundesbehörden, 1996 und 2000) und

Genf (Automobilmesse, 1999, mit Pressevertretern);

• Mitflüge zum "World Mobility Forum" der Stadt Stuttgart, die sich wie Wolfsburg mit dem Thema Mobilität befasst (2003, 2004, 2005);

• Mitflug zur Wiedereröffnung des VW-Werks in der Partnerstadt Sarajewo, gemeinsam mit Bürgermeisterin Weist (1998);

• Mitflug zur Taufe des Lufthansa-Jumbos "Wolfsburg" nach Frankfurt, gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Eckel (2000).

Der Mitflug nach Sardinien 1998 mit Ehefrau betraf eine unternehmensbezogene Einladung an Herrn Schnellecke für eine Auszeichnung von Lieferanten im Rahmen der dortigen Autopräsentation und wurde nicht mit einem Werksflugzeug der Fa. Volkswagen wahrgenommen.

An den im Vorspann zu den Fragen genannten Flügen nach Polen und zu zwei Auswärtsspielen des VfL Wolfsburg in München hat Herr Schnellecke ebenfalls nicht als Amtsträger teilgenommen. Nach Polen flog er als Mitglied des Aufsichtsrats der Firma Sitech, aus dem er zwischenzeitlich ausgeschieden ist. An den Flügen nach München in den Jahren 2002 und 2004 nahm er als Aufsichtsratsmitglied des VfL Wolfsburg jeweils mit seiner Ehefrau teil.

Die Teilnahme an einem Flug nach Prag mit einem Werksflugzeug von Volkswagen ist dem Oberbürgermeister nicht bekannt.

Zu 2.:

Die Gesamtkosten der Flüge wurden von der Fa. Volkswagen getragen. Es handelte sich um Flüge, die fest eingeplant waren und von der Fa. Volkswagen in jedem Fall durchgeführt worden wären.

Zu 3.:

Herr Schnellecke hat die VIP-Karten nicht in Bezug auf sein Amt als Oberbürgermeister erhalten, sondern als Mitglied des Aufsichtsrates der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH. Die Tätigkeit in dieser Gesellschaft ist nicht an die Funktion des Oberbürgermeisters gebunden. Herr Schnellecke, der früher Präsident des VfL Wolfsburg e. V. war und seinerzeit stellvertretender Vorsitzender des sog. "Fußball-Aufsichtsrates", ist von der Fa. Volkswagen in den Aufsichtsrat der GmbH entsandt worden. Die Fa. Volkswagen ist an der GmbH zu 90 % beteiligt, der VfL Wolfsburg e. V. zu 10 %.

Von einem Aufsichtsrat der VfL Wolfsburg-Fußball GmbH wird erwartet, sich ein Bild über die sportliche Leistung der Bundesligamannschaft zu machen, um personelle und finanzielle Entscheidungen treffen zu können. Deshalb steht jedem Aufsichtsratsmitglied persönlich sowie einer Begleitung je eine VIP-Karte und ggf. auch die Mitfahrt zu Auswärtsspielen zur Verfügung. Bis auf Ausnahmefälle werden die Spiele per Bus, Bahn oder Auto begleitet. Entschädigungen irgendwelcher Art für die Aufsichtsratstätigkeit werden nicht gezahlt.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
10.11.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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