Artikel-Informationen
erstellt am:
15.09.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010
Die Abgeordnete hatte gefragt:
Seit der Änderung des Aufnahmegesetzes durch die derzeitige Landes-regierung zum 1. Januar 2004 zahlt das Land den Landkreisen und kreis-freien Städten zur Abgeltung der Kosten der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen nur noch eine jährliche Pauschale in Höhe von 4 270 Euro je Person. Das sind ca. 10 % weniger als vorher. Die jährliche Ge-samtsumme dieser gezahlten Pauschalen hat in den letzten Jahren deut-lich abgenommen. Diesbezüglich gibt die Landesregierung in ihrer Ant-wort an den Landtag zu den Einsparmöglichkeiten bei den Aufnahmestel-len des Landes für Asylbewerber vom 20. Juni 2006 (Drs. 15/2991) fol-gende Zahlen an:
2004: ca. 157 Millionen Euro,
2005: ca. 142 Millionen Euro,
2006: ca. 134,6 Millionen Euro (Ansatz für die voraussichtlichen Ausga-ben).
Angesichts dieser Kostenreduzierungen drängt sich ein Vergleich mit den Kosten der Unterbringung in den Lagern der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörden auf.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Kosten bleiben nach Abzug der vom Land gezahlten Pauschale noch durchschnittlich pro dezentral untergebrachter Person und Jahr von den Kommunen zu tragen?
2. Was kostet die Unterbringung in den Lagern der Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörden (ZAAB) durchschnittlich pro Person und Jahr, wenn man die Personalkosten in den Lagern mit einrechnet?
3. Welche Schlüsse zieht die Landesregierung aus dem Vergleich der Kosten dezentraler und zentraler Unterbringung hinsichtlich der Frage nach dem weiteren Bestand der Lager?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Die Anfrage stellt fest, dass den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Abgeltung der Kosten der dezentralen Unterbringung von Flüchtlingen seit dem Jahr 2004 nur noch eine Pauschale von 4.270 EUR pro Jahr gezahlt wird und unterstellt, diese Kostenerstattung sei um etwa 10 % geringer als in den Jahren zuvor. Diese Aussage ist nicht richtig. Richtig ist vielmehr, dass das Land nach dem Aufnahmegesetz vom 12.06.1997 den Landkreisen und kreisfreien Städten für dort aufhältige Asylbewerberinnen und Asylbewerber, für Asylberechtigte für die Dauer von 2 Jahren nach der Anerkennung und für Kontingentflüchtlinge – also insbesondere jüdische Emigranten – für die Dauer von 4 Jahren vom Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet eine Pauschale von 3.885,80 EUR pro Jahr gezahlt hat. Hiermit waren alle den kommunalen Körperschaften durch die Aufnahme entstandenen Kosten abgegolten, also alle Aufwendungen für Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung sowie für Krankheitskosten. Bei letzteren erfolgte noch eine Spitzerstattung, wenn die Aufwendungen besonders hoch waren und den Betrag von 7.669,38 EUR pro Person und Jahr überstiegen. Für die übrigen Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), d.h. für die Personen, die nicht bereits nach dem Aufnahmegesetz abgegolten wurden – hierbei handelte es sich insbesondere um Personen mit einer Duldung nach § 55 des damals geltenden AuslG – wurde den Kommunen nach der Verordnung über Zuständigkeiten und Kostenträgerschaft nach dem AsylbLG eine Pauschale von 3.520,24 EUR pro Person und Jahr gezahlt. Hiermit waren ebenfalls alle Aufwendungen im Zusammenhang mit Unterbringung, Verpflegung und Bekleidung sowie für Krankheitskosten abgedeckt.
Mit der Neufassung des Aufnahmegesetzes zum 01.01.2004 wurde für alle Personengruppen eine einheitliche Regelung getroffen. Nunmehr wird zur Abgeltung aller Kosten, die den kommunalen Körperschaften durch die Durchführung des AsylbLG und (bei Kontingentflüchtlingen) durch die Durchführung des nunmehr geltenden SGB XII entstehen, eine jährliche Pauschale von 4.270 EUR je berücksichtigungsfähiger Person gewährt. Berücksichtigungsfähig ist die tatsächliche Zahl der Leistungsempfänger des jeweils vorvergangenen Jahres laut Asylbewerberleistungsstatistik bzw. bei Kontingentflüchtlingen nach den Angaben der kommunalen Körperschaften.
Die Kostenreduzierungen sind somit nicht auf eine Reduzierung der Pauschale zurückzuführen sondern resultieren ausschließlich aus dem Rückgang der aufhältigen Personen in den Kommunen, für die eine pauschalierte Kostenabgeltung zu zahlen ist. Die Zahl der aufhältigen Personen ging von über 34.500 Personen in 2004 (147,5 Mio. EUR) auf knapp 33.100 in 2005 (141,3 Mio. EUR) und etwa 31.400 in 2006 (134 Mio. EUR) zurück. Die Abweichungen zu den in der Antwort der Landesregierung in der Drs. 15/2991 genannten Zahlen ergeben sich daraus, dass in den Gesamtausgaben, insbesondere des Jahres 2004, noch abgerechnete Krankheitskosten aus den Vorjahren – teilweise rückwirkend ab 1997 – sowie die Kosten der kommunalen Gesundheitsämter für in den Einrichtungen erbrachte Leistungen enthalten waren.
Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1:
Die Landkreise und kreisfreien Städte erhalten zur Abgeltung aller Kosten, die ihnen durch die Durchführung des AsylbLG entstehen, eine jährliche Pauschale in Höhe von 4.270 Euro je Leistungsempfänger. Abrechnungsgrundlage ist hierbei die Asylbewerberleistungsstatistik des vorvergangenen Jahres.
Die oben genannte Pauschale ist auf der Grundlage der tatsächlichen durchschnittlichen Ausgaben der kommunalen Kostenträger nach dem AsylbLG im Jahre 2002 pro Leistungsempfänger laut Asylbewerberleistungsstatistik berechnet worden. Hierbei wurde der Mittelwert der Anzahl der tatsächlichen Leistungsempfänger am Anfang und Ende des Jahres zugrunde gelegt. Darüber hinaus wurden für den Anteil der Kontingentflüchtlinge zusätzlich die höheren Aufwendungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) - jetzt Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) - mit berücksichtigt.
Die Pauschale wurde auf der Grundlage der tatsächlichen durchschnittlichen Ausgaben von vier repräsentativ geltenden Körperschaften (eine Großstadt, ein im Umkreis einer Großstadt liegender Landkreis und jeweils ein Landkreis als Gebietskörperschaft im ländlichen Raum im Norden bzw. Süden Niedersachsens) berechnet.
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Berechnungsgrundlage lagen die tatsächlichen durchschnittlichen Ausgaben pro Leistungsempfänger in den Jahren der Abrechnungsgrundlagen 2002 bei 4.270 €, 2003 bei 4.250 € und 2004 bei 4.186 €.
Daher ist die jährliche Pauschale in Höhe von 4.270 € pro Person zur Leistung aller Aufwendungen bisher als auskömmlich anzusehen.
Zu 2 und 3:
Die Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörden (ZAAB) sind nach der Neukonzeption und Neuorganisation für die Aufnahme, Unterbringung und Verteilung von Asylbewerbern sowie unerlaubt eingereister Ausländern zuständig. Organisatorisch gliedern sie sich in Aufnahme-einrichtung, Gemeinschaftsunterkunft und Ausreiseeinrichtung. In allen Einrichtungsteilen werden Ausländer untergebracht, versorgt, medizinisch und sozial betreut sowie in Rück-kehrfragen beraten und unterstützt. Die Gesamtausgaben der ZAAB beliefen sich 2005 auf
rund 22,5 Mio.€. In diesem Betrag sind die Ausgaben nach dem AsylbLG, die Personalkosten sowie alle dort bewirtschafteten Ausgaben der HGr. 5 und 8 enthalten. Mit der Auflösung der Bezirksregierung und Verortung der ausländerbehördlichen Aufgaben bei den ZAAB sind folglich ab 01.01.2004 auch die vorher bei den Bezirksregierungen ressortierenden Personal- und Sachkosten dem Kapitel 0326 zugewachsen; dieser Anteil beträgt rd. 5 Mio. € der oben genannten Gesamtkosten. Die Ausgaben für das Aufnahmeverfahren, die Unterbringung, Versorgung, Betreuung und Rückkehrförderung betragen demnach 17,5 Mio.€. Dies entspricht bei einer durchschnittlichen Belegung der Einrichtungen in 2005 von 1.816 Personen einem Betrag von 9.662 € pro Person und Jahr.
Bei der Unterbringung von Asylbewerbern handelt es sich um eine originär staatliche Aufgabe und nicht um eine Aufgabe, die den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuzuordnen ist. Für die Landesregierung ergibt sich somit eine besondere Verantwortung, durch eigene Anstrengungen die Kommunen soweit wie möglich von der Unterbringungspflicht zu entlasten.
Diesem Aspekt trägt die Landesregierung durch das Vorhalten staatlicher Einrichtungen in verantwortungsvoller Weise Rechnung. Die seit der Neukonzeption der Einrichtungen praktizierte Verfahrensweise, Ausländer, die keine dauerhafte Bleibeperspektive im Bundesgebiet haben, in landeseigenen Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, hat dazu geführt, dass im Jahr 2005 nur noch 423 Personen auf die Gemeinden verteilt werden mussten (2004: 1.803; 2003: 3.180). Im ersten Halbjahr 2006 war die Anzahl der auf die Gemeinden verteilten Personen weiter rückläufig und betrug 136 Personen.
Das Land ist gesetzlich verpflichtet, sowohl Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende und unerlaubt Eingereiste als auch Aufnahmekapazitäten im Rahmen der sog. Massenzustromrichtlinie der Eu (Richtlinie 2001/55) vorzuhalten.
Durch die multifunktionale Nutzung der Landeseinrichtungen als Aufnahmeeinrichtung, Gemeinschaftsunterkunft und Ausreiseeinrichtung unter Beachtung der Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, Asylverfahrensgesetzes und Asylbewerberleistungsgesetzes werden sowohl die Wirtschaftlichkeit der Einrichtungen erreicht als auch die Nachteile einer dezentralen Unterbringung weitgehend vermieden.
Personen, die aufgrund eines negativen Verfahrens oder einer Prognoseaussage des Bundesamtes keine Perspektive für einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland haben, werden in den Einrichtungen zeitnah und kontinuierlich über ihre voraussichtlichen Perspektiven im Rahmen des Verfahrens beraten, über Rückkehrhilfen informiert und bei der Vorbereitung und Durchführung der freiwilligen Ausreise in vielfältiger Weise unterstützt. Die Wirkung dieses Ressourceneinsatzes zeigt sich auch in der Entwicklung der freiwilligen Ausreisen aus den ZAAB: Obwohl die Anzahl der ausreisepflichtigen Personen in den Landeseinrichtungen weniger als 7 % der ausreisepflichtigen Personen in Niedersachsen insgesamt ausmachen, entfielen in den Jahren 2004 und 2005 rund 30% aller freiwilligen Ausreisen auf die Landeseinrichtungen.
Die Vermeidung langjähriger unberechtigter Aufenthalte im Bundesgebiet, die Reduzierung zwangsweiser Aufenthaltsbeendigungen und von Abschiebungshaft liegt sowohl im Interesse des Landes als auch im Interesse der ausreisepflichtigen Menschen. Insoweit führen die in den Landeseinrichtungen je untergebrachte Person und Jahr entstehenden Kosten bei gleichzeitiger stringenter Umsetzung gesetzlicher Aufträge und Regelungen insgesamt betrachtet zu einer geringeren Belastung des Landeshaushaltes als eine langjährige Kostenerstattungspflicht gegenüber den Kommunen.
Letztlich trägt der von der Landesregierung verfolgte Ansatz langfristig zu einer Entlastung des Landeshaushaltes bei: in einer Vielzahl von Fällen können so jahrelange unberechtigte Aufenthalte vermieden werden, Aufenthaltsbeendigungen erfolgen nicht erst nach langjährigen Aufenthalten, eine sich über viele Jahre erstreckende Ungewissheit für die Menschen sowie eine langjährige Kostenlast des Landes kann vermieden werden.
Ein Kostenvergleich zwischen zentraler und dezentraler Unterbringung ließe nicht nur die gesetzliche Verpflichtung zum Vorhalten und Betreiben bestimmter Landeseinrichtungen – einhergehend mit einem ohnehin unvermeidbaren Personal- und Sachkostenaufwand – außer Betracht, sondern ebenso die Tatsache, dass das Land bei den Zentralen Aufnahme- und Ausländerbehörden in Oldenburg und Braunschweig Ausreiseeinrichtungen verankert hat, die Hilfsangebote für die Kommunen zur verstärkten Identitätsklärung darstellen und von den Kommunen auch in ganz erheblichem Umfang genutzt werden. Darüber hinaus leistet das Land gegenüber den Kommunen mit den in den ZAAB verorteten zentralen Ausländerbehörden Amtshilfe in den unterschiedlichsten Bereichen (Passersatzpapierbeschaffung, Botschaftsvorführungen, Abschiebemaßnahmen, Unterstützungen von freiwilligen Ausreisen).
Die dargelegten unterschiedlichen Ziele, Aufgaben und Leistungsbereiche, die das Land mit seinen landeseigenen Einrichtungen im Gegensatz zu den Kommunen wahrnimmt bzw. wahrzunehmen hat und die Unterstützung der Kommunen im Rahmen der kommunalen ausländerrechtlichen Aufgabenerfüllung, machen deutlich, dass aus einem rein rechnerischen Vergleich von Personen-Jahresdurchschnittskosten für zentrale oder dezentrale Unterbringung nicht der Rückschluss gezogen werden kann, die vermeintlich billigere Unterbringung in den Kommunen sei auch langfristig die kostengünstigere.
Die Landesregierung sieht daher auch unter Kostenaspekten keine Veranlassung, die Landeseinrichtungen zu schließen und einer dezentralen Unterbringung den Vorrang einzuräumen.
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erstellt am:
15.09.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010