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Clan-Kriminalität sogenannter Mhallamiye-Kurden

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 30.05.2013; Fragestunde Nr. 6


Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Angelika Jahns, Thomas Adasch, Bernd-Carsten Hiebing, Ansgar-Bernhard Focke, Rudolf Götz, Mechthild Ross-Luttmann und Johann-Heinrich Ahlers (CDU)

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Der Präsident des Landeskriminalamtes Uwe Kolmey warnte in der TV-Sendung „Panorama 3“ des NDR vom 23. April 2013 vor der massiv angestiegenen Kriminalität von Banden mit kurdischem Migrationshintergrund.

„Wir haben es mit einer neuen Dimension der Gewalt gegen Polizei und Justiz zu tun. Sie akzeptieren den deutschen Rechtsstaat nicht! Was früher nur in Großstädten war, wird zu einem flächendeckenden Problem!“

Dabei bezieht er sich vor allem auf die Gruppe der sogenannten Mhallamiye-Kurden oder
„M-Kurden“. In Niedersachsen sollen demnach fünf Familienclans dieser Gruppe aktenkundig sein. Die Zahl der Straftaten, die von diesen Clans verübt wurden, sollen inzwischen von 100 pro Jahr auf 600 pro Jahr gestiegen sein.

Als Beispiel für die fehlende Akzeptanz des Rechtsstaates wird in dem Bericht der Prozess zum „Sarstedter Ampel-Mord“ im vergangenen Jahr genannt. Bei der Urteilsverkündung sei es zu Tumulten gekommen, Mitglieder des Familienclans hätten das Gericht beschimpft und wären handgreiflich geworden. Der Richter dieses Verfahrens stünde seitdem unter Polizeischutz, obwohl er seit Anfang des Jahres im Ruhestand sei.

Laut dem LKA-Präsidenten ging es um Fälle der Gewaltanwendung gegenüber Polizeibeamten, der Einschüchterung von Zeugen sowie Morddrohungen gegen die Justiz, mit denen die Familienclans den Rechtstaat unterminieren und diesen an seine Grenzen brächten.

In diesem Bericht sagt er weiter: „Es geht ja um Einschüchterung der Polizei, es geht um Einschüchterung der Staatsanwaltschaft und Richter, damit es nicht zu Strafprozessen kommt, oder zu milderen Urteilen, als sie gerechtfertigt wären. Und das ist die Gefahr, die wir sehen müssen.“

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zu Schwere und Ausmaß der Kriminalität durch Familienclans sogenannter Mhallamiye-Kurden vor?

2. Was unternimmt die Landesregierung konkret zur Bekämpfung und Eindämmung solcher kriminellen Familienstrukturen?

3. Wie wird die Landesregierung die Autorität des Rechtsstaates und die persönliche Sicherheit von Richtern, Polizisten, Staatsanwälten und Zeugen gegenüber kriminellen Familienclans wieder herstellen?

Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Mhallamiye stammen ursprünglich aus einem eingrenzbaren Bereich in der heutigen Provinz Mardin. Im Zuge des Zusammenbruchs des Osmanischen Reiches nach Ende des 1. Weltkrieges begann deren Emigration, zu einem maßgeblichen Anteil in den neu entstehenden Libanon, nach Beirut. Während des libanesischen Bürgerkriegs flüchteten viele nach Europa, unter anderem nach Deutschland.

Aktuell sollen sich etwa 15.000 Mhallamiye in Deutschland aufhalten. Sie verteilen sich hauptsächlich auf den nordwestdeutschen Raum und haben in Berlin (ca. 8.000), Bremen (ca. 2.500), Essen/Ruhr (ca. 2.000) größere „Gemeinden“ gebildet. Es liegen hier keine Informationen darüber vor, wie viele Mhallamiye sich konkret in Niedersachsen aufhalten. Es dürfte sich jedoch – berücksichtigt man die vorgenannten Zahlen – um maximal 2.000 Personen handeln.

Nach einer durch die damalige Niedersächsische Landesregierung im Jahre 2001 in Auftrag gegebenen Untersuchung ("Staatenlose Kurden aus dem Libanon oder türkische Staatsangehörige? Ergebnis einer Untersuchung vom 8. – 18.3.2001 in Beirut, Mardin und Ankara“; abgedruckt in FLÜCHTLINGSRAT – Zeitschrift für Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Heft 78/79, Juni 2001, S. 92 f) konnte festgestellt werden, dass sich bestimmte typische Familiennamen den Mhallamiye zuordnen lassen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung auf Grundlage der Berichterstattung des Landeskriminalamtes Niedersachsen wie folgt:

Zu Frage 1.:

In der Polizeilichen Kriminalstatistik in Niedersachsen werden Daten zu einer ethnischen Angehörigkeit von Straftätern und Tatverdächtigen grundsätzlich nicht erfasst. Dies gilt auch für polizeilich relevante Taten von Mhallamiye. Hilfsindikatoren sind jedoch bestimmte Familiennamen und Geburtsorte, die eine Zuordnung von Straftaten in begrenztem Maße ermöglichen.

Mhallamiye werden seit mehreren Jahren auch in Niedersachsen immer wieder thematisiert. Anhand der beschriebenen Hilfskriterien hat das Landeskriminalamt Niedersachsen festgestellt, dass die Anzahl der in Bezug auf ihre Aktivitäten festgestellten Straftaten von etwa 100 (im Jahr 2002) auf ein Niveau von etwa 600 eingeleiteten Ermittlungsverfahren im Jahr 2011 gestiegen ist. Auf Grund der vorgenannten Ausführungen handelt es sich hierbei um vorsichtige Schätzungen. Deliktisch sind, bei deutlichen Schwerpunkten im Bereich der Rohheits- und Diebstahlsdelikte, beinahe alle Kriminalitätsbereiche vertreten. Im Jahr 2013 (Stand April) wurden bereits 343 Ermittlungsverfahren gegen 198 Personen eingeleitet. Hier liegt der Schwerpunkt im Bereich der Rohheitsdelikte sowie der Vermögens- und Fälschungsdelikte.

Zu Frage 2. und 3.:

Die Gesamtthematik der Mhallamiye ist der Landesregierung bereits seit Jahren bekannt. Schon in den Jahren 2003 bis 2005 wurden die Kriminalitätslage und Problemfelder im Zusammenhang mit Mhallamiye-Kurden in den Gremien der IMK analysiert und entsprechende Handlungsempfehlungen abgeleitet.

Die Landesregierung hat die vorliegenden Erkenntnisse genutzt, um in einer gemeinsamen Dienstbesprechung von MI und MJ am 16. Januar 2013 die niedersächsischen Behördenleitungen von Polizei und Staatsanwaltschaften entsprechend zu unterrichten und zu sensibilisieren.

Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat bereits im November 2012 im Rahmen einer Schwerpunktveranstaltung mit landesweiter Beteiligung erfolgversprechende Bekämpfungsansätze in Bezug auf kriminelle Mhallamiye thematisiert. Dazu gehören ein niedrigschwelliges Einschreiten, die sofortige Einleitung von Ermittlungsverfahren, täterorientierte und deliktsübergreifende Ermittlungen, eine Absicherung von Zeugenaussagen sowie eine Sensibilisierung von Staatsanwaltschaften und Gerichten.

Grundsätzlich ist es erforderlich, sich entwickelnde kriminelle Strukturen im Rahmen einer konsequenten Strafverfolgung zu sanktionieren. Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat die sich abzeichnende Entwicklung, die zuletzt im „Sarstedter Ampelmord“ gipfelte, auch medial genutzt, um betroffene Behörden, die Organe der Strafverfolgung und auch die Öffentlichkeit über dieses Phänomen zu sensibilisieren.

Die persönliche Sicherheit von Richtern, Staatsanwälten und Zeugen wird durch angemessene Schutzmaßnahmen gewährleistet.

Polizeibeamte werden über ihre persönliche Schutzausstattung hinaus für entsprechende Einsatzsituationen auch in speziellen Trainings aus- und fortgebildet.

Presseinformation

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erstellt am:
31.05.2013

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