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Brandanschläge auf die Bundeswehr in Hannover

Rede des Innenministers Uwe Schünemann in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 21.06.2012; TOP 20 c) Dringliche Anfrage der Fraktion der CDU


Sehr geehrte Damen und Herren,

der Extremismus in jeglicher Form stellt die Gesellschaft, die Sicherheitsbehörden sowie den Staat allgemein vor große Herausforderungen. Nicht nur von Islamisten und Rechtsextremisten gehen Gefahren aus – auch der Linksextremismus fordert uns zunehmend heraus. So hat die linksextremistische Gewalt im vergangenen Jahr deutlich zugenommen.

Linksextremistisch motivierte Straftaten stiegen bundesweit um 20,1 Prozent auf 4.502 Delikte, linksextremistisch motivierte Gewalttaten gar um 22,6 Prozent auf 1.157 Delikte. Die linksextremistische Gewalt hat aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zugenommen. Zunehmend wird auch die Gefährdung von Menschen in Kauf genommen. Erinnert sei an den Brandanschlag auf das Haus einer Göttinger Burschenschaft im März 2011, in dem sich zum Tatzeitpunkt neun schlafende Personen befanden. Oder denken Sie an den Brandanschlag auf ein besetztes Polizeifahrzeug bei den Protesten gegen den letzten Castor-Transport. Auch an den Angriff auf eine Berliner Polizeiwache vom 23. April 2011 ist an dieser Stelle zu erinnern: Dort warfen vermummte Täter Molotowcocktails in die Eingangsschleuse, in der sich zum Zeitpunkt eine Reinigungskraft befand.

Vor allem die Bundeswehr und ihr zuliefernde Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG, die Deutsche Post oder die DHL stehen immer wieder im Fokus linksextremistischer „Antimilitaristen“. So verübten diese u.a. im Mai und Juni 2011 Brandanschläge auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn AG in Berlin. In Selbstbezichtigungsschreiben begründeten sie ihre Taten damit, dass die Bundeswehr seit zehn Jahren „Krieg“ in Afghanistan führe. Zudem werden seit Jahren bundesweit und auch in Niedersachsen Brandanschläge u. a. auf Fahrzeuge der Deutschen Post AG und der DHL verübt. Alleine im Juli 2009 waren davon zwölf Kraftfahrzeuge der Deutsche Post AG in Lüneburg betroffen. In einem Selbstbezichtigungsschreiben bekannte sich eine Gruppe namens „Autonomer antimilitaristischer Arbeitsausschuss“ zu dem Anschlag.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.

Aufgrund der Berichterstattung der Polizeidirektion Hannover stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar:

Am Mittwoch, den 06. Juni 2012, gegen 04:10 Uhr, wurden der Polizei von einer namentlich bekannten Person brennende Kraftfahrzeuge auf dem Gelände der Bundeswehr-Fuhrpark-Service GmbH in Hannover gemeldet. Insgesamt brannten 13 Bundeswehrfahrzeuge (sechs LKW, vier PKW, drei Transporter) vollständig aus. An zwei weiteren Fahrzeugen entstanden Sekundärschäden. Der Gesamtschaden beläuft sich auf ca. 600.000 Euro.

Die derzeitigen polizeilichen Ermittlungsergebnisse sprechen für ein vorsätzliches Inbrandsetzen der Fahrzeuge. Zur Tatausführung verschafften sich der oder die bislang unbekannten Täter offenbar durch Auftrennen eines Maschendrahtzaunes Zugang zum Gelände. Die Untersuchungen zur konkreten Brandursache dauern noch an.

Seit dem 07. Juni 2012 sind bei verschiedenen Medien mehrere im Wortlaut gleiche und nach einer ersten Einschätzung der Polizei authentische Tatbekennerschreiben eingegangen. Eine endgültige Bewertung des Schreibens durch das Landeskriminalamt Niedersachsen bzw. das Bundeskriminalamt liegt noch nicht vor. Aufmachung und Inhalt weisen auf eine Täterschaft aus dem linksextremistischen Spektrum hin. In dem Schreiben wird eine klare antimilitaristische Haltung zum Ausdruck gebracht und darüber hinaus die konkrete Verbindung zu dem in diesem Jahr stattfindenden 38. Sommerbiwak der 1. Panzerdivision der Bundeswehr in Hannover hergestellt. Im Zusammenhang mit dem in den vergangenen Jahren regelmäßig in Hannover durchgeführten Sommerbiwak kam es immer wieder zu verschiedenen Straftaten, unter anderem auch Brandstiftungen.

Die Polizeidirektion Hannover hat zur Aufklärung dieser Straftat eine Ermittlungsgruppe unter Beteiligung des Landeskriminalamtes Niedersachsen eingerichtet. Konkrete Täterhinweise haben sich im Rahmen der Ermittlungen bislang nicht ergeben. Ergebnisse weiterer kriminaltechnischer Untersuchungen stehen noch aus. Die Prüfung des Verdachts wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (gem. § 129 StGB) bzw. Bildung einer terroristischen Vereinigung (gem. § 129a StGB) erfolgt durch die Staatsanwaltschaft Hannover.

Zu Frage 2 und 3:

Zur Mobilisierung von Protestveranstaltungen gegen das jährliche Sommerfest der Bundeswehr (Sommerbiwak) formierte sich zu diesem Zweck 2005 das Bündnis „Antimilitaristischer Aktionskreis Region Hannover (AMAK)“. Dieses Bündnis besteht spektrenübergreifend sowohl aus demokratischen als auch aus linksextremistischen Gruppierungen.

Seit 2005 kam es im Vorfeld des Sommerbiwaks der Bundeswehr zu zahlreichen linksextremistisch motivierten Straftaten. So zerstörte ein Brandanschlag am 22. Juni 2010 den Rosenpavillon im Stadtpark Hannover vollständig, nachdem er bereits in den Jahren zuvor Ziel von Anschlägen war. Am 14. Juli 2010 wurden die Schaufenster von zwei Commerzbankfilialen eingeworfen, am 05. Mai 2010 die Gebäude der Polizeistation Hannover-List und das Büro der SPD Hannover-Linden durch Pflastersteine und Glasflaschen, die mit schwarzer Teerfarbe gefüllt waren, beschädigt.

Am 26. Juni 2011 wurde die Wohnungstür eines Reserveoffiziers in der hannoverschen Nordstadt mit Farbe beschmiert und das Türschloss verklebt. Bei dem betroffenen Leutnant der Reserve handelt es sich um den Vorsitzenden der Kameradschaft Studierender Reservisten an der Universität Hannover. Durch diese Position geriet er in den Fokus des linksextremistischen Spektrums. In einer Erklärung im Internet wird der Anschlag wie folgt kommentiert:

„Universitäten sollten Orte des Fortschritts sein und nicht die Voraussetzungen zum Krieg führen schaffen. Der Krieg beginnt hier!“

Am 28. Juni 2011 wurden sechs Kriegsgräberdenkmäler in Hannover mit Teerfarbe beschmiert. In einer im Internet veröffentlichten Erklärung heißt es dazu:

„Während die Bundeswehr in Afghanistan wütet, feiern die Stadt und das Militär gemeinsam im Stadtpark um die gesellschaftliche Akzeptanz des Militärs zu stärken. Unsere Aktion richtet sich gegen dieses abscheulich zynische Fest, gegen Militarismus und Heldentum.“

Der diesjährige Brandanschlag auf Fahrzeuge der Bundeswehr fügt sich in eine Reihe militanter Aktionen der linksextremistischen Szene im Vorfeld der jeweiligen Sommerbiwaks in Hannover ein. Zwar haben die Proteste gegen das Sommerbiwak in Vergleich zu den Vorjahren an Dynamik verloren. Vor allem die zurückgehenden Zahlen der Teilnehmer an den Aktionstagen der Vorjahre untermauert diese Annahme. Dem linksextremistischen Spektrum ist es bislang nicht gelungen, den angestrebten Widerstand weiterzuentwickeln und eine entsprechende Botschaft in die Öffentlichkeit zu transportieren. Wie in der gesamten gewaltbereiten linksextremistischen Szene ist aber auch in der antimilitaristischen Szene die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gesunken. Die Straftaten der letzten Jahre verdeutlichen eine zunehmende Militanz linksextremistisch motivierter Proteste gegen die Bundeswehr und ihre Veranstaltungen. Mit weiteren Aktionen ist daher bis zum Sommerbiwak am 29. Juni 2012 zu rechnen. Dafür spricht vor allem das Selbstbezichtigungsschreiben zum jüngsten Anschlag auf die Bundeswehrfahrzeuge in Hannover, wo es abschließend heißt: „Krieg beginnt in Hannover! Erst wenn Hannover sich bedingungslos zur militärfreien Stadt erklärt, geben wir Ruhe – um dann an anderer Stelle widerständig gegen Krieg und Militarisierung vorzugehen.“ In Zukunft muss demnach weiterhin mit gewalttätigen Aktionen, insbesondere im Hinblick auf besondere Anlässe der Bundeswehr, gerechnet werden.

Auf diese ernstzunehmende Gefahrenlage reagiert die Polizei mit umfangreichen Maßnahmen, um weitere Anschläge und Aktionen gegen die Bundeswehr möglichst frühzeitig zu erkennen und bereits im Vorfeld wirksam zu verhindern. Insbesondere im Hinblick auf das diesjährige Sommerbiwak führt die Polizei umfassende Aufklärungs- und Schutzmaßnahmen durch. Alle Polizeibeamtinnen und -beamten sind hinsichtlich der vorliegenden Bedrohung sensibilisiert und berücksichtigen die Gefährdungslage im Rahmen der Streifentätigkeit.

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erstellt am:
21.06.2012

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