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Beantwortung der mdl. Anfrage der SPD zur Einführung der EU-Abgasnorm Euro 6 für Feuerwehr und Rettungsdienste

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 24.01.2014; Fragestunde Nr. 22

Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten

Renate Geuter (SPD)

Die Abgeordnete hatte gefragt:

Am 1. Januar 2014 ist die EU-Abgasnorm Euro 6 in Kraft getreten, die das Ziel hat, die Abgase zu reduzieren. Neue Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen müssen mit einem zusätzlichen System zur Reduzierung von Rußpartikeln und Stickoxiden ausgerüstet werden.

Dieses Abgasmodul, das die Rußpartikel aus dem Abgas herausnehmen soll, benötigt lange Strecken, um zu funktionieren. Die Feuerwehrfahrzeuge haben aber häufig nur kurze Fahrten zum Einsatzort zurückzulegen, das neue System wird hier also seinen Sinn verfehlen.

Es ist davon auszugehen, dass wegen dieser EU-Vorgabe nicht nur die Anschaffungskosten für die Feuerwehrfahrzeuge steigen werden, wegen der häufigeren Wartungsintervalle sind auch höhere Folgekosten nicht ausgeschlossen.

Mit dem Einbau der neuen schweren Technik wird sich auch die Bauweise der Fahrzeuge verändern. Das neue System kostet Platz, dadurch wird nicht nur das Volumen in den Fahrzeugen geringer, es sinkt auch die Nutzlast mit der Folge, dass weniger Ausrüstung an Bord genommen werden kann.

Der Einbau der neuen Technik kann auch zulasten der Bodenfreiheit gehen, die ist aber bei der Brandbekämpfung auf bestimmten Böden (Moor- und Waldflächen) wichtig.

Die Landesregierung hat zunächst pauschal eine Ausnahmegenehmigung für Feuerwehr- und Rettungsdienste erteilt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist der Landesregierung bekannt, warum bei der Einführung der EU-Abgasnorm Euro 6 Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge nicht ausgenommen worden sind, obwohl in diesem Fall die Nachteile größer als der Nutzen zu sein scheinen?

2. Sieht die Landesregierung, auch für die Zeit nach 2016, Möglichkeiten, für Feuerwehren und Rettungsdienste zu vertretbaren Regelungen bei den Einsatzfahrzeugen zu kommen, wenn ja, welche?

3. Teilt die Landesregierung die Sorge der Feuerwehr, dass der Einsatz der neuen Abgastechnik und damit das höhere Fahrzeuggewicht auch teurere Fahrzeugklassen erforderlich machen wird, und welche Folgen hätte das für die Arbeit der Feuerwehr?

Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

In der Industrie, im Straßenverkehr und beim Betrieb von Gebäudeheizungen entstehen zahlreiche Schadstoffe, die unsere Umgebungsluft belasten. Auch der Straßenverkehr trägt maßgeblich zur Luftverschmutzung bei. Deshalb werden für Fahrzeuge Vorschriften zur Luftreinhaltung, wie beispielsweise die EURO-Abgasnormen erlassen und weiterentwickelt. Durch Minderung der bestehenden Immissionsbelastung verfolgt die Politik langfristig das Ziel, schädlichen Umwelteinwirkungen vorzubeugen (Vorsorgeprinzip) und somit den Bürgern der europäischen Union zuträgliche Lebensbedingungen zu schaffen.

Für schwere Kraftfahrzeuge (Lastwagen und Busse > 3.5 t) sindab 2013 durch die Euro VI Norm strengere Vorschriftenin Kraft getreten. Somit wird eine aufwändigere Abgasnachbehandlung mit Partikelfilter und DeNox-Anlagen notwendig. Die europarechtlichen Vorschriften verpflichten die Mitgliedsstaaten, diese Abgasnormen einzufordern. Ausnahmen gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 2 Straßenverkehrszulassungs-Ordnung (StVZO) dürfen nur genehmigt werden, wenn alle zumutbaren Möglichkeiten zur Einhaltung der Vorschriften voll ausgeschöpft sind. Die Befugnis der Behörden zur Genehmigung von Ausnahmen durch Verwaltungsakt ist allerdings trotz dieser grundsätzlichen Ermächtigungsnorm nicht unbegrenzt.

Für die Bewertung eines umweltrelevanten Ausnahmetatbestandes sind mögliche Einsparpotentiale der betroffenen Fahrzeughalter von nachgeordneter Relevanz. Vielmehr müssen Umstände vorliegen, welche die Umsetzung der Anforderungen unmöglich machen, nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu realisieren sind bzw. dem gewollten gesetzlichen Regelungswillen entgegenstehen.

Aus Sicht der Landesregierung könnte die fristgerechte Einhaltung der Abgasvorschrift EURO VI bei speziellen Einsatzfahrzeugen zu Problemen führen.

Da Feuerwehrfahrzeuge in der Regel nur auf kurzen Strecken bewegt oder stationär im Pumpenbetrieb bei gleichbleibender Drehzahl betrieben werden ist zu befürchten, dass die Betriebsbedingungen, die für die Funktion des Abgasnachbehandlungssystems und dessen Regeneration notwendig sind nicht bzw. nur unvollständig erreicht werden.

Andererseits könnten die notwendigen technischen Einbauten der Abgasnachbehandlungssysteme, ggf. einsatztaktische Nachteile mit sich bringen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Die EG-Rahmenrichtlinie für die Genehmigung von Fahrzeugen (2007/46/EG), ermöglicht den Mitgliedsstaaten für spezielle Einsätze konstruierte Fahrzeuge, z. B. Spezialfahrzeuge der Feuerwehr, fakultativ von bestimmten Anforderungen auszunehmen. Diese mögliche generelle Freistellung wurde von den Ländern gegenüber dem Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) eingefordert.

Wie das BMVBS mitteilte gäbe es auch für schwere Feuerwehrfahrzeuge umsetzbare technische Möglichkeiten, die das Einhalten der EURO VI Anforderungen ermöglichen. Ausnahmen dürften nur in wenigen Einzelfällen notwendig sein. Dies liege im Zuständigkeitsbereich der Länder.

Gemäß einer hierzu vorliegenden Stellungnahme des BMVBS, besteht aus seiner Sicht somit keine Notwendigkeit einer generellen Ausnahmeregelung.

Vor diesem Hintergrund und aus den vorstehend genannten Gründen wurde durch die Landesregierung eine bis zum 31.12.2016 befristete Ausnahmeregelung für Fahrzeuge, die speziell für Feuerwehr, Polizei und Katastrophenschutz gebaut werden, durch das Land Niedersachsen erlassen.

Zu 2.:

Die von der Landesregierung getroffene Ausnahmeregelung ermöglicht nunmehr eine Beobachtung der im Betrieb befindlichen Euro VI LKW sowie der technischen Weiterentwicklung der Abgasnachbehandlungsanlagen.

Die Landesregierung hat größtes Interesse an der Betriebsfestigkeit und Ausfallsicherheit von Fahrzeugen, die in der öffentlichen Daseinsvorsorge betrieben werden.

Es muss sichergestellt sein, dass aufgrund der besonderen Einsatzbedingungen bei diesen Fahrzeugen keine Fehlermeldungen auftreten, welche über das Motormanagementsystem ggf. das Notlaufprogramm aktivieren und das Fahrzeug nur noch mit maximal 20 km/h bewegt werden kann.

Sollten auch zukünftig die technischen Voraussetzungen der Abgasnachbehandlung mit den sehr speziellen Betriebsbedingungen von Feuerwehrfahrzeugen nicht in Einklang gebracht werden können, wird sich die Landesregierung auch weiterhin für sachgerechte Lösung einsetzen.

Die Landesregierung ist über den Bundesrat an der Weiterentwicklung von nationalen / europäischen Vorschriften beteiligt und wird nochmals auf die Bundesregierung einwirken, eine gemäß EU-Recht zulässige generelle Ausnahmeregelung auch umzusetzen.

Sollte es notwendig werden, würden auch weiterhin Landesregelungen erlassen.

Zu 3.:

Durch den Einsatz neuer Abgastechnik werden die Fahrgestelle der Feuerwehrfahrzeuge schwerer. Dieses kompensieren die Aufbauhersteller mit der Entwicklung von leichteren Aufbauten. Die Kompensation ist aber nur noch zum Teil möglich. Höheres Eigengewicht bedeutet weniger Zuladung oder ein Fahrgestell mit höherer Nutzlast.

Die komplette Geräteausstattung eines Feuerwehrfahrzeugs wird im täglichen Einsatzgeschehen der Feuerwehren benötigt. Die hierfür benötigte Fahrzeuggröße muss durch die Kommune beschafft werden. Die Folge ist u. a. eine verstärkte Führerscheinausbildung.

Beschränkungen sind durch die Einteilung der Fahrzeuggewichte in Führerscheinklassen zu sehen. Hier ist die magische Grenze 7,49 t zulässige Gesamtmasse. Fahrzeuge unterhalb 7,5 t können mit dem sogenannten Feuerwehrführerschein gefahren werden. Die Ausbildung und die Prüfung für diese Fahrgenehmigung kann durch ein pragmatisches Verfahren in der Feuerwehr selber durchgeführt werden. Für Fahrzeuge oberhalb der 7,5 t wird die Fahrberechtigung der Klasse C benötigt. Dieser Führerschein wird nur durch anerkannte Fahrschulen durchgeführt.

Presseinformation

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erstellt am:
24.01.2014

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