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Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2017: Leichte Veränderungen im links- und rechtsextremen Spektrum – Salafistenzahlen steigen

Minister Pistorius und Verfassungsschutzpräsidentin Brandenburger  

Ø Rechtsextremismus: Entwicklungen der Identitären Bewegung und der Reichsbürger stehen im Fokus

Ø Linksextremismus: Hemmschwelle zur Gewalt sehr niedrig (G20)

Ø Islamismus: 2017 Anstieg auf 850 Salafisten, Ausbreitung der Szene in die Fläche sowie Verlagerung der Aktivitäten in nichtöffentliche Bereiche

Der niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, hat am (heutigen) Mittwoch gemeinsam mit Verfassungsschutzpräsidentin Maren Brandenburger den Verfassungsschutzbericht Niedersachsen 2017 vorgestellt.

Innenminister Pistorius sagt: „In keinem der relevanten Phänomenbereiche kann man von einer entspannten Situation sprechen. Während wir im Rechtsextremismus beobachten, dass Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung sich neue Zielgruppen erschließen wollen, hat der G20-Gipfel in Hamburg mit seinen Ausschreitungen die weiterhin große Gewaltbereitschaft im Linksextremismus gezeigt. Im Islamismus ist eine zunehmende Zersplitterung der Szene zu beobachten. Die islamistischen Aktivitäten verlagern sich zunehmend in den nichtöffentlichen Bereich sowie in das Internet und stellen damit die Sicherheitsbehörden vor neue Herausforderungen. Diese Entwicklung haben wir aufmerksam im Blick.“

Folgende Entwicklungen gibt es in den einzelnen Bereichen:

Rechtsextremismus:

Die Mitgliederzahlen der NPD sind weiter zurückgegangen, in Niedersachsen von 350 auf 300, auf Bundesebene von 5.000 auf 4.500 Personen. Teilweise wird versucht, sich den Parteien Die Rechte und Der III. Weg anzunähern, die in Niedersachsen gemeinsam aber nur Mitglieder im mittleren zweistelligen Bereich haben.

Auch der Bereich der sogenannten subkulturell geprägten Rechtsextremisten – insbesondere die subkulturelle Musikszene – ist in Niedersachsen mit 600 Personen unverändert geblieben. Niedersachsen ist allerdings keine Schwerpunktregion rechtsextremistischer Musikveranstaltungen, im vergangenen Jahr registrierten die Sicherheitsbehörden lediglich ein Konzert und acht Liederabende.

Die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) hat sich auch im vergangenen Jahr mit Kampagnen medienwirksam inszeniert. Im Mittelpunkt ihrer Aktionen standen neben Flüchtlingen und Asylbewerbern verstärkt die etablierten Parteien sowie zivile Hilfsorganisationen, die für Migration und islamistische Terroranschläge verantwortlich gemacht werden. Allerdings ist die Mitgliederzahl mit 50 Personen in Niedersachsen genau wie im Vorjahr vergleichsweise niedrig.

Die Szene der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter, die in Niedersachsen seit Anfang 2017 in ihrer Gesamtheit beobachtet wird, ist mit 1.400 Personen unverändert geblieben.

Linksextremismus:

Das Personenpotenzial der Autonomen und sonstigen gewaltbereiten Linksextremisten sowie Anarchisten hat sich in Niedersachsen von 625 auf 640 Personen leicht erhöht. Insbesondere an den teils gewalttätigen Aktionen anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg waren auch niedersächsische Linksextreme beteiligt. Dabei wurden 31 Personen mit Wohnsitz in Niedersachsen fest- bzw. in Gewahrsam genommen, weil sie unter anderem Steine, Böller und Flaschen warfen. Insgesamt beteiligten sich ca. 300 niedersächsische Autonome an den Protesten.

Die gewaltsamen Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel in Hamburg haben auch gezeigt, dass die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung bei Linksextremisten nach wie vor sehr niedrig ist.


Islamismus

Die salafistische Szene in Niedersachsen ist 2017 auf 850 Anhänger, aktuell 880, angestiegen (Ende 2016: 680). Auf Bundesebene betrug die Anzahl der Salafisten Ende des Jahres 2017 10.800 Personen, aktuell sind es 11.000.

Den niedersächsischen Sicherheitsbehörden sind seit 2014 insgesamt 86 Islamisten aus Niedersachsen bekannt, die in Richtung Syrien/Irak ausgereist sind. Aktuell nehmen die Behörden kaum noch Ausreisen wahr. Dafür stehen insbesondere (mutmaßliche) Rückkehrer aus den Kriegsgebieten im Fokus. Die niedersächsischen Sicherheitsbehörden haben aktuell insgesamt 36 erwachsene Personen registriert, die aus Kampfgebieten der Terrormiliz Islamischer Staat nach Niedersachsen zurückgekehrt sind. Unter den Rückkehrern sind fünf Frauen und 31 Männer, dazu kommen zehn Kinder. Die Zahl der aus Niedersachsen stammenden Menschen, die nach ihrer Ausreise (mutmaßlich) in Syrien oder dem Irak verstorben sind, liegt im niedrigen zweistelligen Bereich.

Das Jahr 2017 wurde im Bereich des Islamismus durch folgende Ereignisse geprägt: das Verbot des DIK Hildesheim im März 2017, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den ehemaligen Imam des DIK Hildesheim, Abu Walaa, und vier seiner Anhänger vor dem OLG Celle im Herbst 2017 und die Festnahmen und Abschiebungen eines algerischen und eines nigerianischen Gefährders aus Göttingen nach § 58a Aufenthaltsgesetz. Der Verfassungsschutz nimmt dabei eine Ausbreitung der salafistischen Tendenzen in die Fläche von Niedersachsen wahr. Regionale Schwerpunkte der Szene sind die DMG Braunschweig und der DIK Hannover. Treffpunkte verlagern sich aus dem öffentlichen Bereich von Moscheen in Hinterzimmer und Privaträume. Die von Salafisten als Dawa-Arbeit titulierten Werbeaktivitäten verlagern sich gleichzeitig immer mehr in das Internet.

Prävention

Die 2016 eingerichtete und von Verfassungsschutz und Landeskriminalamt gemeinsam geführte bundesweit anerkannte Kompetenzstelle Islamismusprävention Niedersachsen (KIP NI) mit ihrem ressortübergreifenden Ansatz wurde 2017 strukturell weiter ausgebaut.

Bundesweit hat das Aussteigerprogramm „Aktion Neustart“ des Niedersächsischen Verfassungsschutzes eine Vorreiterrolle bezogen auf die Einbindung der sozialen Netzwerke in die Ausstiegsarbeit. Das Programm für den Islamismus kann bereits erste Erfolge vorweisen.

Anlage

Vorabfassung Verfassungsschutzbericht 2017

  Verfassungsschutzbericht 2017
(1,89 MB)

Artikel-Informationen

erstellt am:
23.05.2018
zuletzt aktualisiert am:
31.05.2018

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