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Pistorius bringt Bundesratsinitiative zum Einwanderungsgesetz ein

Rede des Niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius im Bundesrat am 23. September 2016 zu TOP 27: „Für ein Einwanderungsgesetz: Einwanderung offensiv gestalten und effektiv regeln“


Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

der starke Zugang von Flüchtlingen, der in den zurückliegenden Jahren und gerade im letzten Jahr zu beobachten war, hat uns in Deutschland an den verschiedensten Stellen intensiv gefordert. Das ist bis heute der Fall, und das wird auch noch für einige Zeit der Fall bleiben.

Die große Bedeutung dieser Thematik hat allerdings, genauso wie der sich aufbauende politische Druck in der Flüchtlingspolitik, manch einem den Blick darauf verstellt, worum es bei einem Einwanderungsgesetz eigentlich geht, und zwar gerade im Unterschied zum Asylsystem.

Ich möchte Ihnen dafür eine Begegnung schildern, die ich vor einiger Zeit in einer Landesaufnahmebehörde gehabt habe und die mich sehr bewegt hat. Ich habe dort eine junge bosnische Familie kennengelernt. Die Eltern waren Ende 20 und hatten zwei kleine Töchter. Ich habe sie gefragt, warum sie Bosnien verlassen haben. Und die Antwort war eben nicht, was vielleicht manch einer erwartet hätte, eine grauenhafte Geschichte über Verfolgung. Es war vielmehr so, dass es für den Vater, einen gelernten Bäcker und Konditor, in der Heimat keine Arbeit gab. Sein Ziel war es deshalb, in Deutschland eine Arbeit zu finden und seinen Kindern eine bessere Zukunft zu ermöglichen, als er sie selbst als Kind gehabt hat.

Ich selbst habe dafür größtes Verständnis und Sie sicherlich auch. Das Asylsystem ist aber in solchen Fällen der völlig falsche Weg. Das Grundrecht auf Asyl, ein hohes Gut unserer Verfassung, ist für den Schutz vor Verfolgung gemacht, aber nicht für die Steuerung der Zuwanderung von Arbeitskräften. Deshalb gilt: Wir brauchen eine funktionierendes Asylsystem für die Menschen, die unseren Schutz brauchen. Wir brauchen ein übersichtliches, verständliches und flexibles Einwanderungsrecht für die Menschen, die wir brauchen.

Aus diesem Grund war ich persönlich übrigens immer offen für das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten. Aber das kann eben nur ein Teil der Antwort sein, denn es bleibt daneben die völlig berechtigte Frage: Wieso drängen wir den jungen Bosnier mit seiner Familie genauso wie viele andere Menschen, die gut qualifiziert sind und bei uns arbeiten wollen, in ein Asylsystem, das ihnen nicht gerecht wird und in dem sie in den allermeisten Fällen keine wirkliche Chance haben? Das ist leider eine „lose-lose“-Situation, die wir uns selbst geschaffen haben. Der Grund dafür ist, dass wir bisher nicht bereit waren, den konsequenten Weg zu einer „win-win“-Situation zu gehen.

Dieser Weg führt über ein Einwanderungsgesetz, das wir heute mit unserer Bundesratsinitiative vorschlagen. Wir wollen damit erreichen, dass die Neuzuwanderung von Arbeitskräften aus dem nichteuropäischen Ausland in einem Gesetz mit realistischen und realisierbaren Anforderungen geregelt wird.

Deutschland ist schon längst ein Einwanderungsland. Es ist zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft auch weitgehend unstrittig, dass Deutschland von steuerbarer Zuwanderung profitiert, und zwar im akademischen wie im nichtakademischen Bereich. Ebenso außer Frage steht auch die Notwendigkeit, diese Steuerung zukünftig fortzusetzen und zu intensivieren, da die demografische Fachkräftelücke von Jahr zu Jahr größer wird.

Wir brauchen deshalb endlich ein modernes Migrationsrecht, das eine vernünftige Form der gesteuerten Zuwanderung ermöglicht. Und dieses Migrationsrecht kann sich eben nicht auf punktuelle Veränderungen im Aufenthaltsrecht und anderes Stückwerk beschränken, sondern es muss arbeitsmarkt- und sozialpolitische Regelungen auf klare und verständliche Weise definieren.

Lassen Sie uns deshalb für Menschen, die wir hier in Deutschland als Arbeitskräfte dringend benötigen, einen praktikablen Zugangsweg schaffen, und zwar jenseits des Asylsystems. Einen Weg, den wir je nach Bedarf für mehr oder weniger Arbeitskräfte öffnen können. Auch das ist ein zentraler Unterschied zum Asylsystem: Wir können hier selbst und aktiv steuern. Wir können festlegen, welche Bedarfe an Arbeitskräften wir in regionaler, zeitlicher und branchenspezifischer Hinsicht abdecken wollen.

Das ist eine echte Chance, die wir in Deutschland besser heute als morgen nutzen sollten. Ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank!


http://www.bundesrat.de/DE/service/mediathek/mediathek-node.html?cms_id=7006760

Presseinformation

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erstellt am:
23.09.2016

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