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Fusion Helmstedt und Wolfsburg

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 13.12.2013; Fragestunde Nr. 2

Innenminister Boris Pistorius beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten

Bernd-Carsten Hiebing, Angelika Jahns, Ansgar Focke, Thomas Adasch, Horst Schiesgeries, Rudolf Götz, Johann-Heinrich Ahlers und Frank Oesterhelweg (CDU)

Die Abgeordneten hatten gefragt:

In Niedersachsen hat es seit Abschluss des durch die frühere CDU/FDP-Regierung mit den kommunalen Spitzenverbänden geschlossenen Zukunftsvertrages eine große Anzahl an Gesetzen zur Fusion von Kommunen gegeben, die sowohl die Landesregierung als auch der Landtag mit großer Mehrheit unterstützt haben. Begleitet wurden diese Gesetze durch einzelne Zukunftsverträge zwischen dem Land und den jeweils betroffenen Kommunen. Unter bestimmten Auflagen ermöglicht die Landesregierung den Kommunen eine Entschuldung von bis zu 75 % der Altschulden.

Auch der Landkreis Helmstedt und die Stadt Wolfsburg haben durch entsprechende Gremienbeschlüsse die Voraussetzungen für eine Fusion und den Abschluss eines Zukunftsvertrages geschaffen. Der Landkreis Helmstedt hat einen erheblichen Schuldenstand und ohne eine Entschuldung und Zusammenarbeit mit Partnern keine eigenen Handlungsräume mehr.

Sowohl der Landrat des Kreises Helmstedt, Herr Wunderling-Weilbier, als auch der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg, Herr Mohrs, waren von Beginn der Beschlussfassung an sicher, dass die Bildung einer Region oder einer Stadt Helmstedt-Wolfsburg von der Niedersächsischen Landesregierung positiv gesehen und unterstützt wird. Durch ein Gutachten wurden die rechtlichen Möglichkeiten der Zusammenarbeit untersucht. Zur Information der Bürger wurden aufwändige Broschüren an jeden Haushalt verteilt und Informationsveranstaltungen durchgeführt. Darüber hinaus sind in beiden Verwaltungen mehrere Mitarbeiter abgestellt worden, die das Thema Fusion vorbereitet haben. Dadurch sind dem Landkreis Helmstedt und der Stadt Wolfsburg erhebliche Kosten entstanden.

Bei einem Pressetermin am 8. November 2013 teilten der Helmstedter Landrat und der Wolfsburger Oberbürgermeister den Medien mit, dass es einen intensiven Gedankenaustausch mit dem Innenminister gegeben habe und dieser die geplante Fusion als verfassungskonform einstufe. Es seien allerdings die regionalpolitische Balance zu wahren und die Entwicklungsperspektiven Braunschweigs zu berücksichtigen.

Daher sei es geboten, in einem größeren Kontext und durch gemeinsame Beratung zu einer abgestimmten Lösungsalternative zu gelangen.

Damit stellte der Innenminister fest, dass er eine Fusion der Stadt Wolfsburg mit dem Landkreis Helmstedt zu einer Region nicht unterstützen werde.

Darauf titelten die Medien wie folgt: Braunschweiger Zeitung vom 8. November 2013: „Landesregierung verhindert Fusion Helmstedt-Wolfsburg“, Braunschweiger Zeitung vom 9. November 2013: „Die alleingelassene Region“, Wolfsburger Allgemeine Zeitung vom 8. November 2013: „Verbot von Fusion mit Helmstedt: Wie’s weitergeht, ist völlig unklar“, Braunschweiger Zeitung vom 8. November 2013: „Statt Fusion erst mal Konfusion“.

In all diesen Artikeln wird der niedersächsische Minister des Innern, Boris Pistorius, für das Scheitern der zwischen Helmstedt und Wolfsburg geplanten Fusion verantwortlich gemacht.

Die Braunschweiger Zeitung vom 9. November 2013 kommentiert ferner zu den Hintergründen der Ablehnung des Innenministers: Hinter vorgehaltener Hand heißt es, mit einer Mehrheit von einer Stimme könne die Koalition keine Kommunalreform riskieren. Das ist Unsinn. Niemand hindert Rot-Grün an einer gemeinsamen Initiative mit der CDU“.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie werden die Landesregierung und besonders der Innenminister zukünftig Reformen der Kommunalstrukturen „von unten“ fördern, und wird es dazu Dialogangebote der Landesregierung an die Fraktionen im Landtag geben, um eine Strukturreform in der Region Braunschweig-Wolfsburg-Wolfenbüttel zu ermöglichen?

2. Warum hat der Innenminister die Stadt Wolfsburg und den Landkreis Wolfenbüttel nicht bereits früher darüber informiert, dass deren Planungen die regionalpolitischen Balance und Entwicklungsperspektiven des Oberzentrums Braunschweig nicht berücksichtigen und daher nicht von der Landesregierung unterstützt werden?

3. Welche Rolle sollen die geplanten Landesbeauftragten bei Strukturreformen „von unten“ haben?

Innenminister Boris Pistorius beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg und der Landrat des Landkreises Helmstedt wandten sich erstmals im Herbst 2012 mit dem gemeinsamen Vorschlag an die Öffentlichkeit, die Stadt Wolfsburg und den Landkreis Helmstedt durch Eingemeindung aller Städte, Samtgemeinden und Gemeinden des Landkreises Helmstedt in die kreisfreie Stadt Wolfsburg zu fusionieren. Der Vorschlag findet bis heute bei den betroffenen Gemeinden, in der regionalen Presseberichterstattung und in der Öffentlichkeit Unterstützung.

Im Mittelpunkt der diesbezüglichen Diskussionen stehen die Verbesserung des Entwicklungspotenzials der Stadt Wolfsburg sowie die äußerst prekäre finanzwirtschaftliche Lage des Landkreises Helmstedt und einiger seiner Gemeinden.

Allerdings wurden vor Ort auch Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer derartigen Fusion geäußert.

Deshalb gaben beide Kommunen bei den Professoren Lothar Hagebölling und Veith Mehde die Anfertigung eines Gutachten „zu den rechtlichen Aspekten einer Fusion des Landkreises Helmstedt mit der Stadt Wolfsburg zu einer kreisfreien Stadt Wolfsburg auf freiwilliger Basis und den einer solchen Fusion nahe kommenden Lösungen“ in Auftrag. Die Ergebnisse des Gutachtens wurden am 06. Februar 2013 in Wolfsburg der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Gutachter halten die beschriebene Eingemeindungslösung für eher nicht verfassungskonform.

Dagegen komme – bei Zurückstellung anderer verfassungsrechtlicher Bedenken – die Bildung eines Gemeindeverbandes aus der Stadt Wolfsburg und den Städten, Samtgemeinden und Gemeinden des Landkreises Helmstedt in Betracht. Die verbandsangehörige Stadt Wolfsburg könnte und sollte in dem Gemeindeverband einen Sonderstatus, vergleichbar dem der Landeshauptstadt Hannover in der Region Hannover, bekommen.

Eine zusätzlich zur Gemeindeverbandsbildung angestrebte Vergrößerung der Stadt Wolfsburg durch Eingemeindung einer oder mehrerer Nachbargemeinden würde allerdings nach Meinung der Gutachter die auch gegen eine Gemeindeverbandsbildung bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken vergrößern.

Mit Schreiben vom 21. Februar 2013 zeigten die Stadt Wolfsburg und der Landkreis Helmstedt dem Innenministerium die beabsichtigte Aufnahme von Verhandlungen über einen Zusammenschluss beider Gebietskörperschaften an. Die entsprechenden Vertretungsbeschlüsse wurden im März 2013 gefasst. Mit Schreiben vom 25. Februar 2013 zeigten darüber hinaus die Stadt Wolfsburg und die Stadt Königslutter am Elm dem Innenministerium an, Verhandlungen auch speziell über einen Zusammenschluss ihrer Gebietskörperschaften aufnehmen zu wollen.

Wichtiges Anliegen des Landkreises Helmstedt und seiner Samtgemeinden und Gemeinden im Zusammenhang mit einem Zusammenschluss von Landkreis Helmstedt und Stadt Wolfsburg ist es, eine Entschuldungshilfe nach dem Zukunftsvertrag zu erlangen. Mit diesem Ziel stellten der Landkreis selbst sowie alle Städte, Samtgemeinden und Einheitsgemeinden im Landkreis Helmstedt fristwahrend, d.h. rechtzeitig vor dem 31. März 2013, entsprechende Anträge an das Land.

Dabei handelt es sich in einem Fall um eine beabsichtigte Eigenentschuldung und im Übrigen um beabsichtigte Zusammenschlüsse von Samtgemeinden, Einheitsgemeinden oder Mitgliedsgemeinden von Samtgemeinden.

Seit Mai dieses Jahres werden intensive politische und fachliche Gespräche zwischen dem Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg, dem Landrat des Landkreises Helmstedt und Vertretern der Landesregierung geführt.

Die Landesregierung begrüßt und unterstützt das Zusammenschlussvorhaben von Stadt Wolfsburg und Landkreis Helmstedt und ist bereit, bei der Klärung weiterer Fragen und der bestmöglichen Ausgestaltung eines solchen Vorhabens mitzuwirken.

Aufgrund der bisher geführten Gespräche sind sich alle Beteiligten darin einig, dass eine Fusion von Stadt Wolfsburg und Landkreis Helmstedt insgesamt aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durch Eingemeindungen sondern „nur“ durch Gemeindeverbandsbildung nach dem Beispiel der Region Hannover erfolgen könnte. Dieses Modell beinhaltet jedoch die Übertragung wesentlicher Aufgaben, die heute von der Stadt Wolfsburg wahrgenommen werden, auf den Gemeindeverband.

Alternativ zu diesem Modell könnten einzelne Eingemeindungen in die Stadt Wolfsburg zweckmäßig sein und in Betracht kommen. Durch solche Eingemeindungen würden sehr viel weiter gehende Fragen aufgeworfen. In diesem Fall müssten die gesamten Strukturen im Raum Braunschweig/Wolfsburg betrachtet werden. Insoweit hat das Land in den Gesprächen auf seine Verantwortung in dieser Frage hingewiesen.

Diese Gesamtverantwortung erfordert es, bei dem jetzt für das Zusammenschlussvorhaben Wolfsburg/Helmstedt erreichten Erörterungsstand andere Kommunen und kommunale Akteure im Raum Braunschweig in die konkrete Ausgestaltung der anzustrebenden Lösung einzubeziehen. Der Oberbürgermeister der Stadt Wolfsburg und der Landrat des Landkreises Helmstedt haben darauf hin das Land gebeten, in den weiteren Abstimmungsgesprächen eine moderierende Rolle zu übernehmen und diese zeitnah zu beginnen.

Anders als der Presseberichterstattung im Raum Braunschweig zu entnehmen war, gehen demzufolge die Gespräche über den bestmöglichen Zuschnitt der kommunalen Grenzen im Raum Wolfsburg/Helmstedt mit der Stadt Wolfsburg und dem Landkreis Helmstedt weiter und treten „lediglich“ in ein neues Stadium ein.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.

Die Landesregierung begrüßt es grundsätzlich, wenn Kommunen zur Steigerung ihrer Leistungskraft zu freiwilligen Fusionen bereit sind. Sie wird diese Kommunen bei ihren Vorhaben unterstützen und beraten. Im Einzelfall ist sie zudem bereit, derartige Prozesse zu moderieren. So auch im Fall der beabsichtigten Fusion der Stadt Wolfsburg mit dem Landkreis Helmstedt (s. hierzu die Vorbemerkung).

Ungeachtet dessen trägt für kommunale Gebietsänderungen immer der Gesetzgeber die letzte Verantwortung. Das impliziert die wichtige Rolle der Abgeordneten des Niedersächsischen Landtags und ihrer Fraktionen für die Umsetzung solcher Vorhaben. Eines politischen „Dialogangebotes“ der Landesregierung quasi als Handlungsvoraussetzung bedarf es in diesem Zusammenhang nicht.

Im Übrigen siehe Vorbemerkungen.

Zu 2.

Wie in den Vorbemerkungen dargestellt, werden die Gespräche zwischen den Vertretern des Landes und der Stadt Wolfsburg sowie dem Landkreis Helmstedt seit mehreren Monaten geführt. Im Rahmen der Gespräche sind eine Vielzahl komplexer Fragestellungen zu berücksichtigen. Alle diese Fragestellungen werden zwischen den Beteiligten in intensiven Gesprächen erörtert.

Dass die Bildung neuer Gebietskörperschaften immer auch die regionale Balance berücksichtigen muss, habe ich im Übrigen bereits in einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung vom 5.7.2013 betont.

Zu 3.

Die neuen Landesbeauftragten für regionale Landesentwicklung werden zusammen mit dem Innenministerium die zu Fusionen bereiten Kommunen unterstützen oder im Einzelfall, wenn erbeten, solche Vorhaben moderieren.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
13.12.2013

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