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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zu Großplakaten

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22. Januar 2016; Fragestunde Nr. 27

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Annette Schwarz (CDU) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Am Gebäude des Bürgerbüros der Stadt Delmenhorst hängt seit Kurzem laut Delmenhorster Kreisblatt vom 5. Januar 2016 („Staatsschutz lässt Iran-Plakat hängen“) ein Großplakat mit dem Bild des politischen und religiösen Führers des Iran, des schiitischen Großajatollahs Ali Chamenei. Mit diesem Plakat wird für das Delmenhorster Internetportal www.offenkundiges.de im Allgemeinen und einen zweiten Brief des Ajatollahs Chamenei an die Jugend in Europa und Nordamerika im Besonderen geworben.

In diesem Brief befasst sich Chamenei zunächst mit den Terroranschlägen von Paris und drückt sein Bedauern aus. Später im Text schreibt er jedoch über den Staat Israel: „Diese Widersprüchlichkeit zeigt sich auch in der Unterstützung für den Staatsterrorismus Israels. Das unterdrückte palästinensische Volk erlebt seit mehr als 60 Jahren die schlimmste Art von Terrorismus. Die Bürger in Europa suchen nun für einige Tage in ihren Häusern Schutz und meiden Versammlungen und überfüllte Plätze, wohingegen eine palästinensische Familie seit Jahrzehnten nicht einmal im eigenen Haus vor der Tötungs- und Zerstörungsmaschinerie des zionistischen Regimes sicher ist. Gibt es heute eine Gewalttat, die sich hinsichtlich ihrer Kaltblütigkeit mit dem Siedlungsbau des zionistischen Regimes vergleichen ließe?“

„Ist es kein Terrorismus, wenn eine Frau mitten auf der Straße von einem bis zu den Zähnen bewaffneten Soldaten erschossen wird, nur weil sie protestiert? Wenn es kein Terrorismus ist, was ist es dann? Ist diese Barbarei etwa nicht als Extremismus zu bezeichnen, nur weil sie von militärischen Kräften eines Besatzerregimes begangen wird? Oder sollen wir beim Anblick dieser Bilder etwa kein schlechtes Gewissen mehr bekommen, nur weil sie über 60 Jahre lang fortlaufend auf den Fernsehbildschirmen zu sehen waren?“

Laut Delmenhorster Kreisblatt sei der Inhalt des Plakates nach Auskunft der Polizei strafrechtlich nicht relevant und polizeiliches Handeln somit nicht erforderlich.

1. Was ist über die Umstände der Plakatierung und den Auftraggeber bekannt, und warum hält die Polizei ein Eingreifen nicht für erforderlich?

Der in der Vorbemerkung erwähnte Brief wurde am 23. Dezember 2015 in der Fußgängerzone Delmenhorst, an einem bei der Stadt Delmenhorst angemeldeten und genehmigten Infostand verteilt. Der Anmelder für den Infostand ist den Sicherheitsbehörden namentlich bekannt. Dieser hatte bei der Standanmeldung den zu verteilenden Brief beigefügt. Der Infostand wurde in der Zeit von 09.30 h - 19.00 h betrieben. Besondere Vorkommnisse wurden nicht festgestellt. Der Brief wurde noch vor der Verteilung am Infostand der Staatsanwaltschaft Oldenburg zur Bewertung vorgelegt. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg sah keine zureichenden Anhaltspunkte für eine Straftat gegeben. Im Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Am 5. Januar 2016 wurde durch die Berichterstattung in der örtlichen Presse bekannt, dass eine Reklamefläche an einem von der Stadt Delmenhorst genutzten Bürogebäude mit dem Bild des iranischen schiitischen Religionsführers Chamenei und einem Zitat beklebt worden war. Die Werbefläche wird nicht von der Stadt Delmenhorst vermietet. Das Bild und Zitat auf dem Plakat stammten aus dem oben erwähnten, von der Staatsanwaltschaft Oldenburg zuvor bereits geprüften, Brief. Am 6. Januar 2016 wurde festgestellt, dass die Plakatfläche mit einer neuen Werbung überklebt worden war. Welche Umstände zum vorzeitigen Wechsel des Werbeinhaltes geführt haben, ist nicht bekannt.

2. Stimmt die Landesregierung zu, dass die Äußerungen des Ajatollah antisemitisch sind? Wenn nein, warum nicht?

Die Aussage „Das Leid jedes einzelnen Menschen, wo immer auf der Welt, stimmt von Natur aus die Mitmenschen traurig.“, die auf dem zur Rede stehenden Plakat publiziert wird, beinhaltet nach Ansicht der Landesregierung keinen politischen Extremismus. Diese Aussage ist ein Zitat aus dem so genannten „Zweiten Brief Imam Chameneis an die Jugend im Westen“. In diesem „Zweiten Brief“ finden sich jedoch Formulierungen, die von der Landesregierung als antiisraelisch und antizionistisch angesehen werden. Die Übergänge vom Antizionismus zum Antisemitismus sind fließend. Nach Bewertung des niedersächsischen Verfassungsschutzes richten sich die zitierten antiisraelischen Aussagen des „Zweiten Briefes“ nicht explizit gegen Menschen jüdischer Religionszugehörigkeit und sind somit auch noch nicht als antisemitisch zu bewerten.

3. Scheidet nach Ansicht der Landesregierung hier ein Anfangsverdacht des Straftatbestandes der Volksverhetzung nach § 130 StGB insbesondere in Hinblick des „Bewerbens“ aus? Wenn nein, warum nicht?

Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat den Inhalt des Plakates und des darauf in Bezug genommenen sog. 2. Briefes des Imad Sayyid Ali Chamenei rechtlich geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der jeweilige Inhalt keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen von Straftaten bietet. Diese rechtliche Würdigung ist nicht zu beanstanden.

Nach § 130 Abs. 2 Strafgesetzbuch ist strafbar, wer Schriften verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht oder bestimmte andere Vorbereitungshandlungen zur Verbreitung unternimmt, die zum Hass gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe aufstacheln, zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder ihre Menschenwürde durch Beschimpfung, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumdung angreifen. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für entsprechende Tathandlungen ergeben sich bereits aus dem Inhalt des Briefes nicht. Die Darstellungen in dem genannten Brief sind polemisch und möglicherweise im Einzelfall auch herabwürdigend, sie überschreiten jedoch noch nicht die Grenze des straflosen, von der Meinungsfreiheit des Art. 5 GG gedeckten Verhaltens. Die Äußerungen über den "Staatsterrorismus Israels" sowie die Darstellung des israelischen Staates als terroristisches und nicht rechtsstaatliches System greifen den Staat Israel in seiner Gesamtheit an, betreffen in der Art ihrer Darstellung jedoch keine der o.g. Gruppen, Bevölkerungsteile oder Personen. Hierdurch wird der Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt. Auch ein Angriff auf die Menschenwürde im Sinne des § 130 Abs. 2 Strafgesetzbuch liegt noch nicht vor. Die weiteren Teile des Briefes lassen zwar die Herkunft und Intention des Verfassers klar erkennen, strafrechtlich relevantes Verhalten ist ihnen jedoch nicht zu entnehmen. Da bereits der Inhalt des Briefes strafrechtlich nicht relevant ist, gilt dies auch für ein etwaiges "Bewerben" des Briefes durch das Plakat.

Presseinformation

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erstellt am:
22.01.2016

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