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Waffen in Niedersachsen

Rede des Innenministers Uwe Schünemann in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 21.06.2012; TOP 26 Große Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen


Sehr geehrte Damen und Herren,

am 26. April dieses Jahres jährte sich der furchtbare Amoklauf von Erfurt zum zehnten Mal. Die schrecklichen Ereignisse von Winnenden liegen drei Jahre zurück.

Unter dem Eindruck dieser entsetzlichen Amoktaten wurde das Waffenrecht mehrfach – zuletzt im Jahr 2009 – verschärft.

Ein Verstoß gegen die geltenden Aufbewahrungsvorschriften hat den Amoklauf von Winnenden maßgeblich ermöglicht.

Daher wurden seinerzeit vor allem die Vorschriften für die Aufbewahrung von Waffen sowie für die Durchführung von Aufbewahrungskontrollen durch die Waffenbehörden geändert.

Die Niedersächsische Landesregierung hat die Verschärfung des Waffenrechts und ihre Umsetzung aktiv unterstützt. Unsere Zielsetzung ist dabei klar: Der Staat muss alles in seiner Macht stehende tun, um Amoktaten wie die in Erfurt und Winnenden zu verhindern!

Dieses Ziel darf in Politik und Gesellschaft nicht in Vergessenheit geraten!

Der Staat muss die Sicherheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu jeder Zeit im Blick haben! Das ist die feste Überzeugung der Niedersächsischen Landesregierung.

In diesem Sinne hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport die niedersächsischen Waffenbehörden bereits vor den Gesetzesänderungen im Jahr 2009 mehrfach dafür sensibilisiert, die niedersächsischen Waffenbesitzer zu einem sicheren Umgang mit Waffen und Munition anzuhalten.

Mit Erlass vom 25. März 2009 habe ich die Waffenbehörden gebeten, Waffenbesitzerinnen und Waffenbesitzer gezielt über Anforderungen an eine sichere Aufbewahrung zu informieren, eine Beratung vor Ort anzubieten.

Dort, wo es unter Beachtung der seinerzeit geltenden Regelung des § 36 Abs. 3 Waffengesetz a.F. geboten war, sollten anlassbezogene Kontrollen durchgeführt werden.

Die Polizeidirektionen, als Fachaufsicht über die kommunalen Waffenbehörden wurden gebeten, mit den Hauptverwaltungsbeamten der Kommunen die Problematik zu erörtern und das weitere Vorgehen abzustimmen.

Auch habe ich seinerzeit in einem persönlichen Schreiben die Niedersächsischen Schießsportverbände gebeten, in deren Landes- bzw. Bezirksverbänden in Niedersachsen sowie deren angegliederten Vereinen und deren Mitgliedern auf die sichere Aufbewahrung von Waffen und Munition hinzuwirken.

Vor allem wurden die Waffenbehörden dazu angehalten, vermehrt Aufbewahrungskontrollen durchzuführen und gegenüber den Waffenbesitzern verstärkt auf den Nachweis der sicheren Aufbewahrung von Waffen und Munition hinzuwirken.

Die Evaluation der durchgeführten Waffenkontrollen hat gezeigt, dass die von mir schon vor Inkrafttreten der waffenrechtlichen Vorschriften hervorgehobene hohe Bedeutung der Aufbewahrungskontrollen von den Waffenbehörden geteilt und dementsprechend umgesetzt wird.

Seit Inkrafttreten der Neuregelungen des Waffengesetzes sind bis zum 31. Dezember 2011 von den niedersächsischen Waffenbehörden insgesamt 14.921 Kontrollen der Aufbewahrung von Waffen und Munition durchgeführt worden, davon erfolgten 10.259 Kontrollen unangemeldet und 4.662 Kontrollen nach Terminabsprache.

Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass Niedersachsen beim Vollzug des Waffenrechts agiert und nicht nur reagiert!

Bei uns steht die Prävention zur Gewährleistung der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger jederzeit im Vordergrund!

Neben der Durchführung der Aufbewahrungskontrollen ist auch die Reduzierung des privaten Waffenbestandes ein wesentlicher Bestandteil des Schutzes der Bevölkerung vor den Gefahren, die vor allem von Schusswaffen ausgehen.

In diesem Zusammenhang hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport bereits vor Inkrafttreten der bundesweiten gesetzlichen Amnestieregelung nach dem Amoklauf von Winnenden eine Initiative zur Abgabe von Schusswaffen und Munition ins Leben gerufen.

Diese hatte zum Ziel, Waffenbesitzern schon vor der sich abzeichnenden Einführung der Amnestieregelung zu ermöglichen, ihre Waffen bei Waffenbehörden und Polizeidienststellen kostenlos abzugeben. Aufgrund dieser Initiative wurden daraufhin von März bis Juli 2009 bereits 9.572 Waffen abgegeben.

Insgesamt hat sich die Zahl der Waffen und Waffenbesitzer in Niedersachsen seit den Verschärfungen des Waffenrechts im Jahr 2009 bis heute erheblich reduziert.

So sank die Zahl der Waffenbesitzer von circa 200.000 im Jahr 2009 auf circa 150.000 zum Stichtag 31.12.2011. Die Zahl der Waffen in Privathand sank von circa 770.000 im Jahr 2009 auf ca. 660.000 zum Stichtag 31.12.2011.

Ein wesentlicher Grund für diese Reduzierung ist neben den verschärften gesetzlichen Vorschriften zur Aufbewahrung sowie zum Erbenbesitz die konsequente Umsetzung dieser Vorgaben durch die Waffenbehörden vor Ort.

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der 109 niedersächsischen Waffenbehörden möchte ich daher an dieser Stelle für ihre Arbeit und ihr Engagement ausdrücklich meine Anerkennung aussprechen.

Mit der Umsetzung der Vorgaben zur Errichtung des Nationalen Waffenregisters, der konsequenten Durchführung der Aufbewahrungskontrollen sowie dem darüber hinaus umfangreichen „Alltagsgeschäft“ haben die niedersächsischen Waffenbehörden gleich mehrere Herkulesaufgaben zu bewerkstelligen.

Die gute und engagierte Bewältigung dieser Aufgaben zugunsten der Sicherheit unseres Landes verdient höchsten Respekt!

Ziel der Landesregierung war und ist es, das Bewusstsein der Waffenbesitzer für einen verantwortungsvollen Umgang mit Waffen und Munition zu schärfen und dadurch den Zugriff Nichtberechtigter zu verhindern.

Daher bemüht sich die Niedersächsische Landesregierung auch weiter darum, den Vollzug des geltenden Waffenrechts kontinuierlich zu verbessern.

Daneben ist die Landesregierung aber genauso bestrebt, die bestehenden waffenrechtlichen Regelungen kontinuierlich zu verbessern.

Die abscheuliche Mordserie der so genannten „Zwickauer Terrorzelle“ hat uns allen vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass sich unser Staat Rechtsextremisten und deren Gedankengut wachsam, unnachgiebig und dauerhaft in den Weg stellt.

Ein verbreiteter Waffenbesitz von Neonazis ist politisch wie gesellschaftlich nicht hinnehmbar!

Nach derzeitiger Rechtslage ist der legale Besitz erlaubnispflichtiger Waffen von Rechtsextremisten aber leider nur schwerlich zu verhindern.

Bislang sollen rechtsextremistische Aktivitäten eines Waffenbesitzers zwar grundsätzlich im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung nach § 5 Waffengesetz berücksichtigt werden.

Leider erweist sich diese Vorschrift in der Praxis aber regelmäßig als „stumpfes Schwert“.

Nach dem geltenden Waffengesetz sind die Waffenbehörden nur verpflichtet, bei der Überprüfung der Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern auf das Bundeszentralregister, das zentrale staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sowie auf die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle zurückzugreifen.

Nur für den Fall, dass sich entsprechende Hinweise aus diesen genannten Regelanfragen ergeben, können die Waffenbehörden im Einzelfall den Verfassungsschutz ergänzend beteiligen.

Einzig die Verfassungsschutzbehörden verfügen jedoch in der Regel über Informationen, die die Waffenbehörden bei der Überprüfung von rechtsextremen Waffenbesitzern benötigen.

Aus diesem Grund habe ich die Ergänzung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung um eine Regelanfrage der Waffenbehörden zur Einholung von Informationen bei den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder gefordert.

Niedersachsen hat hierzu eine Initiative im Bundesrat eingebracht, die auf breite Zustimmung gestoßen ist.

Ziel dieser Initiative ist, den Waffenbesitz von Rechtsextremisten so weit wie möglich einzudämmen. Insgesamt zeigen die von mir genannten Maßnahmen deutlich: Die Landesregierung hat den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren, die von Schusswaffen ausgehen, jederzeit uneingeschränkt im Blick.

Eines will ich in diesem Zusammenhang aber auch mit aller Deutlichkeit sagen:

Unabhängig von allen Maßnahmen und Bestrebungen, den Vollzug des Waffenrechts bestmöglich zu gewährleisten, gilt: Für die Landesregierung besteht keinerlei Anlass, die niedersächsischen Waffenbesitzer unter einen Generalverdacht zu stellen, im Gegenteil!

Die Erhebungen der letzten Jahre beweisen, dass sich der weit überwiegende Teil der niedersächsischen Waffenbesitzer der Relevanz der ordnungsgemäßen Aufbewahrung von Waffen und Munition bewusst ist.

Die geringe Zahl von geahndeten Ordnungswidrigkeiten- und eingeleiteten Strafverfahren im Rahmen der Kontrollen, die geringe Zahl an Zutrittsverweigerungen sowie die hohe Anzahl an erbrachten schriftlichen Nachweisen in Bezug auf die getroffenen Aufbewahrungsvorkehrungen belegen das hohe Verantwortungsbewusstsein der niedersächsischen Waffenbesitzer.

Insgesamt zeigen die statistischen Erkenntnisse, dass die Aufbewahrungskontrollen zu einem erheblichen Sicherheitsgewinn führen.

Deshalb werden wir auch weiterhin auf die konsequente Durchführung der Kontrollen pochen!

Ich betone es noch einmal: Die Zahlen geben keinen Anlass, die niedersächsischen Waffenbesitzer – zum Großteil Jäger und Sportschützen – an den Pranger zu stellen!

Weitere Verschärfungen des geltenden Waffenrechts gilt es daher unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu diskutieren.

Die von den Waffenbehörden erhobenen Zahlen und Daten bezüglich der Umsetzung der waffenrechtlichen Neuregelungen zeigen im Ergebnis ein überwiegend positives Fazit.

Dieses positive Ergebnis darf uns jedoch nicht dazu verleiten, die Hände in den Schoss zu legen!

Die Lehren aus den schrecklichen Amoktaten von Erfurt und Winnenden dürfen nicht in Vergessenheit geraten!

Deshalb wird die Niedersächsische Landesregierung auch in Zukunft auf den konsequenten Vollzug der waffenrechtlichen Vorgaben hinwirken und dafür Sorge tragen, dass die niedersächsischen Waffenbehörden weiterhin alles in ihrer Macht stehende tun, um den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren, die insbesondere von Schusswaffen ausgehen, zu gewährleisten.

Ich bin fest davon überzeugt, dass uns dies gelingt.

Presseinformation

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erstellt am:
21.06.2012

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