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OVG-Urteil zur Allgemeinen Gebührenordnung

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 07.12.2012; Fragestunde Nr. 28


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Johanne Modder und Petra Tiemann (SPD)

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Auf der Grundlage der Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (Allgemeine Gebührenordnung - AllGO) erhebt die Polizei in Niedersachsen Gebühren für einige Hilfeleistungen. Diese sind insgesamt geregelt unter der Tarifstelle 108 AllGO. Unter anderem wird darin allgemein der „Transport von Personen“ zum Zweck der Gefahrenabwehr geregelt - mit der vorgesehenen Gebührenpflicht. Darunter fallen nachvollziehbare Sachverhalte wie etwa der Transport von alkoholisierten Personen oder Arrestanten, also von Menschen, die selbst die Ursache für das Einschreiten der Polizei gesetzt haben.

Darunter fällt wegen der Allgemeinheit der gefassten Formulierung aber auch der Transport von Demenzkranken, die sich im öffentlichen Raum verirrt haben. Die eigentliche Hilfeleistung bleibt zwar kostenfrei. Wenn aber Polizeibeamte einen Demenzkranken aufgreifen und unmittelbar zurück an seinen Wohnort transportieren, etwa um ihn vor dem Erfrieren zu bewahren, werden für den Transport Gebühren fällig.

In einem konkreten Fall war ein 85 Jahre alter demenzkranker Heimbewohner, der in Hannover orientierungslos herumgeirrt war, von einer Streifenwagenbesatzung aufgegriffen und rund 150 m mit einem Dienstfahrzeug zurück in sein Wohnheim gebracht worden. Dafür wurden 65 Euro in Rechnung gestellt. Der Sohn (Betreuer) des Demenzkranken hatte vor dem Verwaltungsgericht Hannover mit Erfolg gegen den Gebührenbescheid geklagt (Az.: 10 A 1842/10, Urteil vom 3. März 2011). Das Verwaltungsgericht hatte in seiner Urteilsbegründung u. a. ausgeführt, dass „einer erkennbar dauerhaft geschäftsuntüchtigen Person (…) die Veranlassung einer Amtshandlung unter keinem Gesichtspunkt zur Last“ gelegt werden könne. Eine kurze Hilfeleistung für einen hilfebedürftigen älteren Mitbürger müsse aus Billigkeitsgründen kostenfrei sein.

Die Polizeidirektion Hannover hatte jedoch die Entscheidung angefochten und vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg dann doch noch recht bekommen (Az.: 11 LB 226/11, Urteil vom 26. Januar 2012).

Diese nach dem OVG-Urteil in Niedersachsen geltende Praxis, wonach gegenüber Demenzkranken bzw. deren Betreuern Gebühren erhoben werden, ist durchaus nicht im gesamten Bundesgebiet so geregelt. Andere Bundesländer verhalten sich in solchen Fällen anders. Zudem ist diese Gebührenerhebung auch innerhalb der niedersächsischen Polizei umstritten.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Ist das Berechnen von Gebühren in dem genannten Fall sowie vergleichbaren anderen Fällen nach Ansicht der Landesregierung mit einer humanen und sozialen Politik in unserem Land vereinbar?

2. In wie vielen Fällen sind innerhalb der vergangenen fünf Jahre in Niedersachsen Gebühren für den Transport demenzkranker Menschen von der Polizei erhoben worden?

3. Plant die Landesregierung inzwischen eine Änderung der AllGO, damit künftig Demenzkranken in ähnlich gelagerten Fällen keine Gebühren auferlegt werden?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Nds. OVG) hat mit Urteil vom 26.01.2012 (Az. 11 LB 226/11) festgestellt, dass ein Kostenbescheid, mit dem die Polizeidirektion Hannover von einer an Demenz erkrankten Person für die Beförderung in einem Polizeifahrzeug Kosten in Höhe von 65,- € forderte, rechtmäßig war. Die Person wurde von einer Polizeistreife offenbar orientierungslos im öffentlichen Verkehrsraum aufgegriffen und zum nahegelegenen Wohnstift, in dem sie wohnt, zurückgebracht.

Rechtsgrundlage für die Kostenforderung sind §§ 1 ff. Niedersächsisches Verwaltungskostengesetz (NVwKostG) i. V. m. Nr. 108.1.5 der Anlage zur AllGO (n. F.). Das Nds. OVG hat die Kostenerhebung durch die Polizeidirektion für rechtmäßig erachtet. Das Gericht führt im Wesentlichen aus, dass kein öffentliches Interesse daran besteht, von einer Kostenerhebung abzusehen. Nach Auffassung des Gerichts stellt die Beförderung hilfloser Personen einen Hauptanwendungsfall der Kostenerhebung nach Nr. 108.1.5 der Anlage zur AllGO n. F. dar. Sollte es im Einzelfall aus Billigkeitsgründen allerdings geboten sein, von einer Kostenerhebung abzusehen, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG von einer Gebührenerhebung abgesehen werden. Hierdurch werden unbillige Härten vermieden.

Das Urteil des Nds. OVG ist durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport den niedersächsischen Polizeibehörden mit der Bitte um Beachtung zur Kenntnis gegeben worden. Da es sich bei der Beförderung hilfloser Personen um einen Hauptanwendungsfall des genannten Gebührentarifs der AllGO handelt, können diese Personengruppen nach der Gesetzes- und auch im Hinblick auf die Haushaltslage nicht grundsätzlich von der Gebührenbelastung befreit werden. Gleichwohl sind die Polizeibehörden auf die Möglichkeit des § 11 Abs. 2 Satz 2 NVwKostG aus Billigkeitsgründen von Gebühren abzusehen, ausdrücklich hingewiesen worden.

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport ist bereits an das Niedersächsische Finanzministerium herangetreten, um die Möglichkeiten für einen generellen Gebührenverzicht in den genannten Fällen (demente / hilflose Personen) zu prüfen. In diesem Kontext wurde unter anderem auch die Änderung der Tarifnummer 108.1.5 AllGO diskutiert. Eine abschließende Abstimmung, ob und in welcher Form ein Gebührenverzicht geregelt werden kann, steht noch aus.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage1.:

Siehe Vorbemerkung.

Zu Frage 2.:

Der Landesregierung liegen entsprechende Zahlen nicht vor. Unabhängig hiervon müsste die Ermittlung dieser Fallzahlen, die mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wäre, landesweit händisch erfolgen, was aufgrund der Kürze der Zeit nicht zu bewerkstelligen wäre.

Im Übrigen stellt sich die Frage, ob diese Zahlen überhaupt ermittelbar sind. Der Landesregierung ist nicht bekannt, ob erhobene Gebühren durchgängig gesondert, das heißt unter Zuordnung einer bestimmten Personengruppe, erfasst werden.

Zu Frage 3.:

Siehe Vorbemerkung.

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erstellt am:
11.12.2012

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