Datenerhebung durch die Telekom
Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Bartling (SPD) Es gilt das gesprochene Wort!
Der Abgeordnete hatte gefragt:
"Der Vorwurf von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) könnte schwerwiegender nicht sein", berichtet das Hamburger Abendblatt in seiner Ausgabe vom 10. November 2006: "Die spielen mit Menschenleben, sagt Schünemann über den Mobilfunkanbieter T-Mobile. Die Telekom-Tochter leiste rechtswidrigen und völlig unverständlichen Widerstand gegen richterliche Beschlüsse, mit denen die Polizei gefährli-che Gewaltverbrecher orten wolle, um Menschenleben zu retten".
Obwohl T-Mobile diese Vorwürfe zurückgewiesen hatte und den vom Innenminister geschilderten Vorfall zum Anlass für eine interne Überprüfung genommen hatte, sah sich dieser zu der Aussage veranlasst, dass der "hinhaltende Widerstand" der Telekom-Tochter kein Einzelfall sei. Man habe eine Reihe solcher Vorkommnisse registriert.
Ich frage die Landesregierung:
1. In wie vielen Fällen und wann wurde in Niedersachsen die Fahndung nach gefährlichen Gewaltverbrechern durch die Telekom oder eine ih-rer Tochterfirmen tatsächlich behindert, um was für Fälle hat es sich dabei jeweils konkret gehandelt, und wie sah der vom Innenminister geschilderte "hinhaltende Widerstand" jeweils konkret aus?
2. Wie hat die Telekom bzw. T-Mobile auf die Vorwürfe des Innenministers reagiert?
3. Hat der Innenminister dieses Thema - wie von ihm angekündigt - auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz gesetzt und, wenn ja, mit welchem Ergebnis bzw., wenn nein, warum nicht?
Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:
Die Polizei kann auf der Grundlage des § 33 a des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Ordnung (Nds. SOG) die Telekommunikation überwachen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. Insbesondere bei der Suche nach Personen, die ihren Suizid angekündigt haben, aber auch bei akuten Bedrohungslagen, wenn es darum geht, eine gefährdete Person oder einen Gefährder zu finden, hat sich die Telekommunikationsüberwachung als wichtiges Mittel erwiesen. Die Umsetzung von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung ist nur unter Mitwirkung der Telekommunikationsunternehmen möglich, die nach § 33 a Abs. 5 Nds. SOG verpflichtet sind, die Überwachung zu ermöglichen. Nach dem Telekommunikationsgesetz und der Telekommunikations-Überwachungsverordnung haben die Unternehmen im Einzelnen geregelte technische und organisatorische Vorkehrungen zur Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen zu treffen.
Die T-Mobile Deutschland GmbH hat die Ansicht vertreten, als in Nordrhein-Westfalen ansässiges Unternehmen nicht an niedersächsisches Landesrecht gebunden zu sein und mit dieser Begründung mehrfach die Umsetzung vollziehbarer richterlicher oder behördlicher Anordnungen nach § 33 a Nds. SOG verweigert. Dieses Vorgehen war unabhängig von der Unhaltbarkeit der Auffassung zum Geltungsbereich des Landesrechts offensichtlich rechtswidrig, weil vollziehbaren richterlichen Anordnungen ebenso wie vollziehbaren behördlichen Anordnungen in jedem Falle Folge zu leisten ist und die Rechtmäßigkeit solcher Anordnungen ausschließlich in den dafür vorgesehenen Verfahren überprüft wird.
Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1.:
Die Polizeidirektionen haben über sieben Fälle berichtet, in denen die T-Mobile Deutschland GmbH die Umsetzung von Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung nach § 33 a Nds. SOG verweigert hat. Dabei handelte es sich um einen Fall aus dem Monat Juni 2004, um vier Fälle aus dem Monat Juli 2006, um einen Fall aus Oktober 2006 und um einen Fall aus Novem-ber 2006. In der Sache ging es in drei Fällen um Bedrohungslagen, in denen die gegenwärtige Gefahr der Begehung von schweren Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit bestimmter Opfer bestand, um drei Vermisstenfälle (Verdacht der Freiheitsberaubung, Drohung mit Tötungsdelikten und Selbstmord, Selbstmorddrohung) und in einem Fall um die gegenwärtige Gefahr der Begehung von Gewaltdelikten.
Die T-Mobile Deutschland GmbH hat unabhängig von der zugrunde liegenden Fallgestaltung jeweils erklärt, Anordnungen, die auf niedersächsisches Landesrecht gestützt sind, nicht auszuführen. In einem Fall wurde die Maßnahme mit mehren Tagen Verzögerung durchgeführt, nachdem das Amtsgericht ein Zwangsgeld angedroht hatte; in einem weiteren Fall wurde die Maßnahme nach telefonischer Intervention des Richters am Amtsgericht mit mehreren Stunden Verzögerung eingeleitet. In einem Fall wurde die Maßnahme nach mehreren Telefonaten mit einer Stunde Verzögerung durchgeführt. In einem Fall wurde aufgrund der Weigerung der T-Mobile Deutschland GmbH, die gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen durchzuführen, eine Anordnung auf der Grundlage der Strafprozessordnung erwirkt. Die übrigen Fälle konnten anderweitig gelöst werden, ohne dass es zu einer Umsetzung der angeordneten Telekommunikationsüberwachung gekommen ist.
Zu vergleichbaren Problemen mit anderen Unternehmen der Telekom liegen keine aktuellen Berichte vor. Von einer gesonderten Erhebung wurde wegen des damit verbundenen Aufwands abgesehen.
Zu 2.:
Die T-Mobile Deutschland GmbH hat inzwischen zugesichert, ihre Praxis zu ändern und vollziehbaren Anordnungen unverzüglich Folge zu leisten.
Zu 3.:
Nachdem die T-Mobile Deutschland GmbH zugesichert hat, die an sie gerichteten Forderungen zu erfüllen, war eine Befassung der Innenministerkonferenz auf Ministerebene nicht mehr erforderlich. Die Problematik wird jedoch im Rahmen einer Arbeitsgruppe der IMK aufgearbeitet.
Artikel-Informationen
erstellt am:
08.12.2006
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010