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Lagebild Korruption in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16.01.2009; Fragestunde


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Briese und Limburg (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Nach Angaben des Bundeskriminalamtes sind die Kriminalitätsdelikte Korruption und Vorteilsnahme bundesweit weiter ansteigend. Die Zahl der Bestechungsstraftaten ist im gesamten Bundesgebiet 2008 um 38 % gestiegen. Wirtschaftskriminalität stellt für die Gesellschaft ein enormes Schadenspotential dar. Das BKA quantifiziert die Schadenssumme auf über 4 Milliarden Euro. In Rechnung gestellt werden muss dabei, dass es ein großes Dunkelfeld gibt und somit, sowohl die echten Fallzahlen als auch die Schadenssummen betreffend, nur Schätzwerte angenommen werden können.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie hat sich das Lagebild Korruption in Niedersachsen, sowohl die Fallzahlen als auch die dadurch verursachte Schadenssumme betreffend, entwickelt?
  2. Wie häufig ist das Korruptionsermittlungsinstrumentarium BKMS zur Anwendung gekommen, und zu wie vielen Ermittlungen und zu wie vielen Verurteilungen ist es durch das BKMS-System gekommen?
  3. Wie viele Firmen sind in Niedersachsen aufgrund des gemeinsamen Runderlasses "Öffentliches Auftragswesen; Ausschluss von unzuver lässigen Bewerbern von der Teilnahme am Wettbewerb" bei der OFD Hannover als unzuverlässige Unternehmen gemeldet, und hat sich nach Meinung der Landesregierung dieser Antikorruptionserlass bewährt?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zunächst ist festzustellen, dass sich die in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage zur mündlichen Beantwortung dargestellte bundesweiten Steigerungsrate von 38 % nicht, wie behauptet, auf das Jahr 2008 bezieht, sondern auf das Jahr 2007.

Zwar stammen die Angaben aus einer Presseverlautbarung des Bundeskriminalamtes (BKA) vom 12.11.2008, beziehen sich aber ausdrücklich auf das Erfassungsjahr 2007. Darüber hinaus ist festzustellen, dass für den Bereich der Wirtschaftskriminalität die Schadenssumme für das Jahr 2007 nach Berechnungen des BKA insgesamt 4,1 Milliarden EURO betrug.

Der im Rahmen der o. a. Presseerklärung des BKA angegebene Wert für Schäden durch Korruptionsstraftaten betrug nach Berechnungen des BKA auf der Grundlage der Datenzulieferungen der Bundesländer rd. 44 Millionen EURO; sie lag damit um 4 Millionen EURO unter dem Wert des Vorjahres (2006).

In der o. a. zitierten Presseverlautbarung führt das BKA zu den Schadenssummen der "Korruption" allerdings (auszugsweise) auch Folgendes aus:

"(…) Eine seriöse Aussage zu den durch Korruption verursachten Schäden ist nicht möglich, da sich die auf Geberseite erlangten monetären Vorteile durch korruptiv erlangte Auftrage und Genehmigungen nur schwer beziffern lassen.

Oftmals ergeben sich aus dem korruptiven Handeln Folgeschäden (…) bzw. nicht bezifferbare immaterielle Schäden (…).

Die im Lagebild genannten Summen können somit nur als Anhalt für das tatsächliche Ausmaß der durch Korruption verursachten Schäden dienen. "

Dieses vorausgeschickt beantworte die Anfrage der Abgeordneten Ralf Briese und Helge Limburg (Bündnis90/DIE GRÜNEN) namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1:

Im Berichtsjahr 2007(1) sind dem Landeskriminal Niedersachsen im Rahmen des eingerichteten Sondermeldedienstes insgesamt 342 (129) Verfahren gemeldet worden, wovon 282 (84) struktureller und 44 (43) situativer Art sind.(2)

Die von den Strafverfolgungsbehörden / Dienststellen gemeldeten Verfahren beziehen sich auf 182 Verfahrenskomplexe und umfassen insgesamt 509 Einzeldelikte.

Nachdem in den Jahren 2002 bis 2004 ein Rückgang der Ermittlungsverfahren mit einer Stagnation im Jahr 2005 und einem leichten Anstieg der Zahlen im Jahr 2006 zu beobachten war, ist für das Jahr 2007 eine Zunahme der Ermittlungsverfahren um (165%) zu verzeichnen. Einhergehend damit ist ein entsprechender Anstieg der Anzahl der Einzeldelikte zu beobachten.

Dieser Anstieg der Zahlen ist zum einen damit erklärbar, dass bei einzelnen Behörden größere Ermittlungskomplexe mit einer hohen Anzahl von Einzelverfahren anhängig waren bzw. noch sind.

So ist z. B. bei der PD Hannover ein umfangreicher Komplex mit 76 Einzelverfahren im Zusammenhang mit der Bestechung eines Hochschulprofessors bearbeitet worden.

Aber auch die Einrichtung der Zentralstellen bei den Staatsanwaltschaften und bei der Polizei dürften zur weiteren Aufhellung des Dunkelfeldes geführt haben.

Unter Hinweis auf die einschränkenden Ausführungen zur Schadenssumme der Korruptionsdelinquenz (vgl. Vorbemerkung) ist in Niedersachsen in 2007 auf Seiten der tatbereiten Nehmer ein monetärer Wert der erlangten Vorteile von rund 390.000EURO festgestellt worden. Auf der Geberseite lag der monetäre Wert der erlangten Vorteile bei ca. 100.000 EURO.

Zu 2:

In den Jahren 2006 bis 2008 sind insgesamt 848 Hinweise im Business-Keeper-Monitoring-System (BKMS) eingegangen. Zu 163 Meldungen wurden staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet. Bislang liegt in drei Fällen eine Verurteilung vor.

In zwei Verfahren wurden Freiheitsstrafen (10 Monate [Betrug] und 11 Monate [Untreue]) zur Bewährung ausgesprochen. Im dritten Verfahren erfolgte eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG).

Darüber hinaus ist ein Strafbefehl über eine einjährige Freiheitsstrafe (ausgesetzt auf 3 Jahre zur Bewährung) wegen Bestechlichkeit erlassen worden, der aber derzeit noch nicht rechtskräftig ist.

Zu insgesamt 40 BKMS-Hinweisen sind die polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bislang nicht abgeschlossen. Verfahren im Bereich der Korruption- sowie Wirtschaftskriminalität gestalten sich häufig als langjährige Umfangsverfahren. Ermittlungsergebnisse sowie die anschließende justizielle Beurteilung der BKMS-Meldungen liegen oft erst Jahre später vor.

Als Beispiel kann eine BKMS-Meldung aus dem Jahre 2005 aufgeführt werden. Auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse zu diesem Hinwies ergingen im Jahr 2008 Strafbefehle wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr gegen drei verantwortliche Geschäftsführer einer beteiligten Firma in Höhe von insgesamt 81.100,00 €.

Zu 3:

Auf der Basis der RdErlasse vom 31.08.2000 bzw. 01.06.2001 ist das Niedersächsische Unzuverlässigkeitsregister im Zeitraum von 2000 bis 2008 bei der Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover - Landesbauabteilung - (OFD - LBA) geführt worden.

Die Erlassregelungen sind zum Jahresende 2008 ausgelaufen. Damit wird formal auch das Unzuverlässigkeitsregister nicht weiter fortgeführt.

Die Eintragungen im Unzuverlässigkeitsregister hielten sich zahlenmäßig auf einem äußerst geringen Niveau; in den Jahren 2000 bis 2008 waren dort insgesamt lediglich 9 Eintragungen, dabei seit dem 05.03.2007 bis Ende 2008 kein Firmeneintrag vorhanden.

Die Landesregierung ist generell der Auffassung, dass Alleingänge einzelner Länder hinsichtlich der Einführung und des Vorhals sog. Unzuverlässigkeitsregister wenig zielführend sind, denn nur ein bundesweit einheitliches und flächendeckendes Korruptionsregister wäre in der Lage, eine effektive Korruptionsprävention und -bekämpfung sowie die Gewährleistung eines freien und fairen Wettbewerbs in Verbindung mit öffentlichen Auftragsvergaben zu gewährleisten.

Im Rahmen der laufenden Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 04.07.08 gegenüber der Bundesregierung einen modifizierten Vorschlag zur Errichtung eines bundesweiten Korruptionsregisters vorgelegt.

In ihrer Gegenäußerung vom 13.08.08 sagt die Bundesregierung zu, die Diskussion über die Zweckmäßigkeit eines derartigen Registers nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zur Modernisierung des Vergaberechts wieder aufzunehmen.

Vor diesem Hintergrund hat sich das für das niedersächsische Unzuverlässigkeitsregister zuständige Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr entschlossen, das Register zunächst nicht weiter zu führen und sich für die Einführung eines bundesweiten Registers einzusetzen.

(1)
Vorjahreszahlen (2006) in Klammern

(2)
zu 16 Verfahren aus 2007 (Stand: Dezember 2008) können, da sie sich noch in Bearbeitung befinden, derzeit keine Angaben gemacht werden, gleiches gilt für zwei aus 2006 stammende Verfahren

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.01.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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