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Ausländerrechtliche Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 11.11.2010; Fragestunde Nr. 52


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordnete hatte gefragt:

Sowohl in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) vom 15. Oktober 2010 als auch in der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom 14. Oktober 2010 wurde über den Fall des Herrn El-Zuhairy aus dem Landkreis Northeim berichtet. Die SZ titelte: „Sexverbot in Niedersachsen - Behörde verwehrte irakischem Flüchtling Besuch bei Ehefrau“ und schrieb: „Der Brief, den Ghassan El-Zuhairy vom Landkreis Northeim erhielt, liest sich, als sei er extra für ein Buch über unmögliche Behördenschreiben verfasst worden. ‚Sie gaben an, dass sie ihre Frau vermissen und Sex mit ihr haben wollen’, schrieb das Amt da treffend, denn das hatte El-Zuhairy vorgebracht, um eine ‚Verlassenserlaubnis’ zu erlangen. (…)“ Die HAZ schrieb: „Eine achtjährige Odyssee durch den deutschen Behördendschungel hat für Ghassan El-Zuhairy vor dem Amtsgericht Northeim am Donnerstag ein glückliches Ende gefunden. Der Flüchtling aus dem Irak hatte gegen die Residenzpflicht verstoßen, um seine Ehefrau zu besuchen, weshalb die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen den Flüchtling eingeleitet hatte. Das Amtsgericht sprach den Iraker am Donnerstag frei: ‚Wegen Geringfügigkeit und weil Herrn El-Zuhairy die Fahrten hätten genehmigt werden müssen’, erklärte Richter Sönke Andresen. Da der 32-jährige Iraker mit dem Status der Duldung den Bezirk seines Ausländeramtes nicht verlassen darf, hatte er beim Ausländeramt Northeim einen Antrag auf Besuch in Dessau gestellt. Darin gab er an, dass er seine Frau vermisse und Sex mit ihr haben möchte. Das reichte dem Amt als Begründung nicht aus, eine Heiratsurkunde läge nicht vor. Die Sehnsucht siegte, und El-Zuhairy fuhr trotzdem - insgesamt viermal. ‚Bei einem einmaligen Verstoß wäre es eine Ordnungswidrigkeit gewesen’, sagt Andresen. ‚Durch die Wiederholung ist es eine Straftat, die mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe geahndet werden kann.’“ Das Paar war 2002 wegen Krieg und Verfolgung aus dem Irak geflohen, jedoch nicht gemeinsam. Nach irakischem Ritual getraut, wurden sie nicht als Ehepaar anerkannt und unterschiedlichen Städten zugewiesen. Ghassan El-Zuhairy landete in Uslar, seine Frau in Dessau. Mit einer Aufenthaltserlaubnis darf sie das Land Sachsen-Anhalt zwar verlassen, aber nicht wegziehen. Inzwischen liegt dem Amt die Heiratsurkunde vor, und die Besuche werden genehmigt. Das Paar würde nun gern gemeinsam in Dessau wohnen. Die Frau besucht dort schon einen Integrationskursus, ihre beiden Kinder aus erster Ehe gehen zur Schule.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist es in dem geschilderten Fall – insbesondere angesichts der gerichtlichen Entscheidung zugunsten des Herrn El-Zuhairy – zu einer fachaufsichtlichen Überprüfung mit gegebenenfalls welchem Ergebnis gekommen?

2. Was unternimmt die Landesregierung, um derartige Fehlentscheidungen von Ausländerbehörden zukünftig zu vermeiden?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Der Aufenthalt vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer ist nach § 61 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) auf das Gebiet des Landes, dessen Ausländerbehörde die Duldung erteilt hat, beschränkt. Die Ausländerbehörde kann nach § 12 Abs. 5 S. 1 AufenthG dem Ausländer das Verlassen des beschränkten Aufenthaltsbereichs erlauben; nach § 12 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn hieran ein dringendes öffentliches Interesse besteht, zwingende Gründe es erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Gründe, die einen Anspruch auf die Erlaubnis zum vorübergehenden Verlassen begründen, können familiärer, religiöser, gesundheitlicher oder politischer Natur sein. Dabei handelt es sich etwa um Besuchsreisen zu Familienangehörigen und Verwandten innerhalb des Bundesgebiets, Reisen zu überregionalen religiösen Veranstaltungen oder zu notwendigen Krankenhausbehandlungen. Für das Verlassen des Geltungsbereichs der Duldung ist ein entsprechender Antrag zu stellen. Die geltend gemachten Umstände sind vom Ausländer nachzuweisen.

Der irakische Staatsangehörige Ghassan El-Zuhairy ist nach erfolglos durchgeführtem Asylverfahren zur Ausreise verpflichtet. Solange tatsächliche Gründe der Aufenthaltsbe-endigung entgegenstehen, wird er geduldet. Seit Februar 2010 ist er mit einer irakischen Staatsangehörigen nach muslimischem Ritus verbunden. Diese ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 23 Abs. 2 AufenthG.

Am 17.05.2010 wurde ein Antrag auf Verlassen des Bereichs der räumlichen Beschränkung gestellt. Herr El-Zuhairy wollte nach eigenen Angaben eine Probearbeit in Dessau aufnehmen. Der Antrag wurde abgelehnt, weil er keine Nachweise vorgelegt hatte.

Am 29.06.2010 stellte er den Antrag auf Verlassen des Bereichs der räumlichen Beschränkung, der Anlass der mündlichen Anfrage ist. Der Aufforderung, die Eheschließung nachzuweisen, ist er jedoch nicht nachgekommen, so dass der Antrag ebenfalls abgelehnt wurde. In der Entscheidung hat die Ausländerbehörde insbesondere berücksichtigt, dass die Lebensgefährtin von Herrn El-Zuhairy zwar zur Wohnsitznahme in Dessau verpflichtet, aufgrund der Aufenthaltserlaubnis jedoch berechtigt ist, jederzeit in den Landkreis Northeim zu reisen, um Herrn El-Zuhairy zu besuchen.

Gegen die ablehnende Entscheidung wurde Klage erhoben. Erst im laufenden Klageverfahren wurde der Nachweis der nach muslimischem Ritus geschlossenen Verbindung erbracht. Das Klageverfahren wurde nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt.

Zwischenzeitlich hat Herr El-Zuhairy die Erteilung einer zweiten Duldung in Dessau beantragt. Die Entscheidung darüber steht noch aus.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1. und 2.:

Die Entscheidung der Ausländerbehörde wurde auf dem dafür gesetzlich vorgesehenen Rechtsweg überprüft. Eine grundsätzliche Überprüfung aller Einzelfallentscheidungen durch die Fachaufsichtsbehörde erfolgt nicht. Ebenso besteht keine Notwendigkeit zu ermessensbindenden Vorgaben, die über die Bestimmungen in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundes zum Aufenthaltsgesetz hinaus gehen.

Presseinformation

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erstellt am:
12.11.2010

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