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Streckenverlauf von Castortransporten

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 16.12.2009; Fragestunde Nr. 1


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage des Abgeordneten Ralf Briese (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!

Der Abgeordnete hatte gefragt:

Im letzten Landtagsplenum hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Dringliche Anfrage zum Thema "Auskunftspflicht der Landesregierung nach bestem Wissen und Gewissen" gestellt. Hintergrund war eine Aussage des Innenministers, dass er keinerlei Einfluss auf die Streckenroute geplanter MOX-Brennelemente-Transporte in Niedersachsen habe. Der Innenministert hat dann in der Debatte zugegeben, dass die Polizei an das Bundesamt für Strahlenschutz sehr wohl eine Stellungnahme zur geplanten Transportroute abgebe und das Bundesamt diese Hinweise auch ernst nehme und bisher noch niemals von entsprechenden polizeilichen Vorschlägen abgewichen ist. Beobachter urteilen, dass der Innenminister hier offenkundig nicht den Unterschied zwischen einer Entscheidungsbefugnis und einer politischen Einflussnahme erkennen konnte oder wollte. Denn ganz eindeutig hat der Innenminister als oberste Fach- und Aufsichtsbehörde mit seiner Stellungnahme für die Transportstrecke einen Einfluss auf das Gesamtgeschehen. Zu dieser Einschätzung kommt auch der unabhängige Gesetzgebungs- und Beratungsdienst in einem Gutachten zur Frage der Auskunftspflicht der Regierung vor dem Parlament.

In einem weiteren Fall hat der Innenminister die objektive Datenlage in der Diskussion über die Wirkung der Abschaffung der Widerspruchsverfahren verzerrt dargestellt. Der Innenminister hat in der Debatte im Parlament behauptet, dass die Abschaffung zu keinerlei Anstieg von Klagen bei den Verwaltungsgerichten geführt habe. Dies ist falsch, denn empirisch eindeutig ist es anfänglich zu einem höheren Klageaufkommen an den Fachgerichten gekommen.

Die verfassungsrechtliche Pflicht zur Wahrheit vor dem Parlament wurde in den Augen von Beobachtern vom amtierenden Innenminister auch in der Debatte um die Zulässigkeit und Verfahrensweise der umstrittenen Moscheekontrollen einem Belastungstest unterzogen. Der Innenminister hat in der Debatte nämlich behauptet, dass die DITIB (Dachverband Türkisch-Islamische Union) ihr Einverständnis mit den Kontrollen zugesichert habe. In der Sachverständigenanhörung zur Zulässigkeit dieser Kontrollen haben unisono alle türkischen und muslimischen Verbände und Organisationen ihre deutliche Ablehnung der Moscheekontrollen geäußert. Danach sind und waren sie niemals mit den Polizeikontrollen einverstanden und fühlen sich durch diese unge-zielten Kontrollen diskriminiert und in ihren Religions- und Freiheitsrechten verletzt.

Innerhalb von zwei Monaten hat der amtierende Innenminister dem Parlament also gleich drei Mal objektive Tatbestände falsch oder verzerrt dargestellt.

Ich frage die Landesregierung:

  1. Welche politischen und/oder rechtlichen Konsequenzen hat eine objektiv falsche Aussage eines Regierungsmitgliedes vor dem Parlament?
  2. Welche politische Konsequenz hat eine objektiv falsche Aussage eines Regierungsmitgliedes vor dem Parlament, wenn das aussagende Regierungsmitglied die objektiven Tatsachen kennt bzw. kennen könnte (beispielsweise GBD-Gutachten)?
  3. Wie lautet der Titel des Buches von Ministerpräsident Wulff über das Gespräch mit dem Journalisten Müller-Vogg aus dem Jahr 2007, und welche Relevanz hat dieser für das politische Handeln der Landesregierung?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Landesregierung ist nach Art. 24 NV verpflichtet, Anfragen von Mitgliedern des Landtages nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Aus diesem Grundsatz heraus, wird von mir bei der Beantwortung entsprechender Fragen Wert auf ein Höchstmaß an Genauigkeit und Vollständigkeit gelegt.

Ich darf dazu im Einzelnen ausführen:

Zu 1.:

Der Fragesteller verweist auf die Debatte zur Durchführung von MOX Transporten und führt hierzu an, dass " Beobachter urteilen, dass der Innenminister hier offenkundig nicht den Unterschied zwischen einer Entscheidungsbefugnis und einer politischen Einflussnahme erkennen konnte oder wollte."

Hierzu stelle ich fest:

Ausweislich des stenografischen Protokolls der 52. Plenarsitzung (S. 6558 ff) habe ich folgendes ausgeführt:

"Es besteht insofern auch überhaupt keine Möglichkeit, dass wir auf die Entscheidung direkt Einfluss nehmen können".

oder

"Diese Stellungnahme geben wir ab und die Behörde, das Bundesamt für Strahlenschutz, ist völlig frei, ob es diese Empfehlung aufnimmt oder nicht".

oder

"Ich habe völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass es kein Benehmen, kein Einvernehmen gibt, sondern dass wir, dass ist doch völlig klar, wenn wir einen Transport polizeilich schützen sollen – im Vorfeld um eine Stellungnahme gebeten werden".

Ich stelle fest:

Während der gesamten Debatte habe ich versucht deutlich zu machen, in welcher Form wir im Rahmen des Genehmigungsverfahrens beteiligt werden.

Ich meine, dass der Fragesteller die Unterstellung, ich habe wesentliche inhaltliche Unterscheidungen in der Debatte nicht treffen können oder wollen, gegen sich selber gelten lassen muss.

Die von mir in den Debatten zugrunde gelegte Unterscheidung ist diejenige zwischen einer gesetzlich zugewiesenen Entscheidungsbefugnis einerseits und einer fachlichen Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung andererseits. Diese vom Fragesteller außer acht gelassene Unterscheidung legen auch die Regelungen des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens nahe; von politischer Einflussnahme lese ich im Atomgesetz hingegen nichts. Mir wird auch nicht deutlich, wo der Fragesteller im Rahmen des gesetzlich klar geregelten Genehmigungsver-fahrens Raum für politische Einflussnahme sieht. Die Vorstellung jedenfalls, das Bundesamt für Strahlenschutz – und insbesondere sein Präsident – würde meinem politischen Einfluss unterliegen, ist abwegig.

Die Frage eines Mitgliedes des Landtages wurde somit von mir nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig beantwortet. Ich fasse zusammen - und hier nehme ich Bezug auf den Titel des Buches von Ministerpräsident Wulff – "Besser die Wahrheit"!

Der Fragesteller unterstellt weiterhin, "der Innenminister (habe) als oberste Fach- und Aufsichtsbehörde mit seiner Stellungnahme für die Transportstrecke einen Einfluss auf das Gesamtgeschehen".

Hierzu stelle ich fest:

Es ist unstreitig, dass ich nicht die Aufsicht über das Bundesamt für Strahlenschutz ausübe. Die diffuse Verwendung des Begriffs "oberste Fach- und Aufsichtbehörde" soll offenbar eine Verteilung von Verantwortlichkeiten im Zusammenhang mit Transporten von radioaktiven Stoffen suggerieren, die nicht der gesetzlichen Lage entspricht.

Auch hier kann ich Ihnen nur raten, meine Damen und Herren von den Grünen: Besser die Wahrheit.

Der Fragesteller verweist weiterhin auf ein Gutachten des Gesetz- und Beratungsdienstes zur Frage der Einflussnahme. Ich bin dem Fragesteller und auch dem GBD dankbar für einen solchen Vermerk. Deutlich wird hier noch einmal aufgezeigt, dass "weder § 4 AtomG noch sonstige Vorschriften des Atomgesetzes […….] für das Beförderungsgenehmigungsverfahren ausdrücklich die Beteiligung des Landesministeriums für Inneres – etwa in Form der Herstellung des Einvernehmens oder Benehmens – vor [sehen]."

Im Übrigen haben die Auftraggeber des Gutachtens dem GBD wohl nur eine unzureichende Tatsachengrundlage unterbreiten können. Daher sah sich der GBD offenbar gezwungen, auf Quellen wie eine im Wortlaut ihm nicht bekannte Richtlinie des Bundesumweltministeriums oder auf eine im Internet veröffentlichte Stellungnahme des BFS zurückzugreifen und weitgehend lediglich Mutmaßungen anzustellen.

Beispielhaft darf ich auf eine Passage aus dem Vermerk verweisen und zitieren wie folgt: " Ob die konkrete Genehmigungspraxis des BfS dem enstpricht, können wir [der GBD] allerdings nicht mit Gewissheit sagen. Es ist uns [dem GBD] nicht bekannt, wie detailliert der Transportweg (oder eine Auswahl verschiedener Transportwege) in dem Antrag oder in der Beförderungsgenehmigung konkretisiert wird…."

Wenn der GBD Bedenken äußert, dann liegen diesen einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Zitatfragmente zu Grunde – im Gesamtkontext kann die Kritik nicht aufrechterhalten werden. Schlussendlich kommt der GBD zum Ergebnis, dass sich ein Verstoß gegen Art 24 NV nicht sicher feststellen lässt.

Auch hier kann ich Ihnen nur raten, meine Damen und Herren von den Grünen: Besser die Wahrheit.

Zu 2.:

Der Fragesteller verweist auf eine verzerrte Darstellung in der Debatte um die Abschaffung des Widerspruchverfahrens und führt hierzu aus: "Der Innenminister hat in der Debatte im Parlament behauptet, dass die Abschaffung zu keinerlei Anstieg von Klagen bei den Verwaltungsgerichten geführt habe. Dies ist falsch, denn empirisch eindeutig ist es anfänglich zu einem höheren Klageaufkommen an den Fachgerichten gekommen".

Hierzu stelle ich fest:

Ausweislich des stenografischen Protokolls der 42. Plenarsitzung (S. 5347) habe ich folgendes ausgeführt:

"Alle Befürchtungen, dass die Gerichte überlastet werden, sind widerlegt.

Dazu nur einige Zahlen: Unter Berücksichtigung des Rückganges bei den Asylverfahren sind bei den Verwaltungsgerichten im Vergleich der Jahre 2004 bis 2008 die Eingänge in absoluten Zahlen sogar um mehr als 2.000 Verfahren gesunken."

Ich stelle fest:

Es kann nicht nur von "keinerlei Anstieg" die Rede sein, es ist vielmehr zu einem spürbaren Rückgang der Zahlen gekommen. Die von mir so genannten Zahlen habe ich dem Gutachten "Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen – Evaluation zur Aussetzung des gerichtlichen Vorverfahrens" – der Leuphania Universität entnommen (S. 5). Ob dieser Rückgang linear oder in Wellenbewegungen eingetreten ist, ist von mir nicht kommentiert worden und auch für das Ergebnis nicht von Bedeutung.

Dieser Trend hat sich darüber hinaus fortgesetzt. Mittlerweile liegt mir die Statistik der Eingänge bei den Verwaltungsgerichten der ersten 9 Monaten dieses Jahres vor; die Klageingangszahlen sind nochmals zurückgegangen – insgesamt um fast 5%! Die durchschnittliche Dauer der Verfahren konnte in diesem Zeitraum gegenüber dem Vergleichswert im Jahr 2008 reduziert werden. Bei den Berufungen sind sogar fast 30% Rückgang der Eingänge zu verzeichnen.

Die Fakten belegen also, dass eine Klageflut und damit eine Überlastung der Gerichte nun wirklich nicht eingetreten ist.

Die Frage eines Mitgliedes des Landtages wurde somit von mir nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig beantwortet. Ich fasse zusammen - und hier nehme ich Bezug auf den Titel des Buches von Ministerpräsident Wulff – "Besser die Wahrheit"!

Zu 3.:

Der Fragesteller verweist auf die Debatte zur Zulässigkeit von Moscheekontrollen und führt hierzu aus: "Der Innenminister hat in der Debatte nämlich behauptet, dass die DITIB ihr Einverständnis mit den Kontrollen zugesichert habe." Dies entspreche nicht der Wahrheit.

Hierzu stelle ich fest:

Ausweislich des stenografischen Protokoll der 43. Plenarsitzung (S. 5405 ff) habe ich folgendes ausgeführt:

"Ich darf aus der Zeitung zitieren: Ünlü sagte gegenüber der Hürriyet, dass die andauernden Personenkontrollen für die Sicherheit notwendig seien und zur Abwehr von Extremismus und Terror dienten."

Ich stelle fest: Ich habe hier wörtlich aus einer Presseveröffentlichung zitiert und dies auch als solches ausgewiesen.

Die Frage eines Mitgliedes des Landtages wurde somit von mir nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig beantwortet. Ich fasse zusammen - und hier nehme ich bezug auf den Titel des Buches von Ministerpräsident Wulff – "Besser die Wahrheit"!

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1 bis 3 s. Vorbemerkungen

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
16.12.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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