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Vorstellung des Lagebildes zu Organisierter Kriminalität (OK) 2017

Pistorius und Havliza: „OK-Bekämpfung ist Schwerpunkt der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz“


 

Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius, und die Niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza haben am (heutigen) Montag das Lagebild zur „Organisierten Kriminalität 2017“ in Niedersachsen vorgestellt. Pistorius: „Die Zahlen zeigen: die organisierte Kriminalität steht für ein hohes Schadens- und Bedrohungspotenzial, dem wir uns auch in Zukunft offensiv stellen werden. Die OK-Bekämpfung ist darum ein Schwerpunkt der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz.“ Auch Justizministerin Havliza betonte: „Organisierte Kriminalität agiert international und digital. Darauf müssen wir reagieren. Polizei und Justiz arbeiten deshalb in Niedersachsen eng miteinander. Nur so können wir diese Form der Kriminalität erfolgreich bekämpfen.“

Wesentliche Inhalte des Lagebildes

Polizei und Staatsanwaltschaften haben vergangenes Jahr 49 Ermittlungsverfahren bearbeitet, die identische Verfahrensanzahl aus dem Vergleichsvorjahr. Neben den von der Landespolizei bearbeiteten Delikten wurden zwölf weitere Ermittlungskomplexe des Bundes unter der Sachleitung niedersächsischer Staatsanwaltschaften geführt. Somit liegt die Gesamtzahl der gemeldeten Verfahren bei 61. Dabei ging es zum größten Teil um den Handel mit / Schmuggel von Betäubungsmitteln (29 Verfahren), gefolgt von Ermittlungen im Bereich der Eigentumskriminalität (9). Insgesamt wurde gegen 577 Tatverdächtige aus 49 verschiedenen Staaten ermittelt. Tatverdächtige deutscher Nationalität stellten mit 250 Personen den größte Anteil (43 Prozent) gefolgt von Albanien (32 ermittelte Tatverdächtige), Türkei (28) und Serbien (20). Zu berücksichtigen ist, dass lediglich die Nationalität zur Tatzeit erfasst wird. Gegebenenfalls vorhandene Migrationshintergründe werden nicht abgebildet.

Ein seit Jahren stetiger Zuwachs ist bei Tatverdächtigen aus dem Westbalkan zu verzeichnen. Diese Tätergruppen agierten im Jahr 2017 in 21 OK-Komplexen – überwiegend im Rauschgifthandel und im Bereich der Eigentumskriminalität.

Der Gesamtschaden der OK lag im Jahr 2017 bezogen auf die 49 durch niedersächsische Polizeidienststellen geführten Verfahren bei ca. 4,9 Millionen Euro. Die geschätzten kriminellen Erträge beliefen sich auf einen Betrag von etwa vier Millionen Euro, die Summe der gesicherten Vermögenswerte bei ca. 1,4 Millionen Euro. Die Abschöpfungsquote, also der Anteil der gesicherten Vermögenswerte an den kriminellen Erträgen, lag damit bei 34,8 Prozent.

Das neue Gesetz zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 1. Juli 2017 lässt eine noch konsequentere Umsetzung von Maßnahmen der Vermögensabschöpfung erwarten. Im Bereich der OK-Bekämpfung ermöglicht der neue § 76a Abs. 4 StGB die Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft unabhängig vom Nachweis einer konkreten rechtswidrigen Tat. Damit können den Tätern nunmehr in größerem Umfang als bisher ihre illegal erwirtschafteten Gewinne entzogen werden. Eine besondere Herausforderung stellt aber der von den Tätern zunehmend praktizierte Rückgriff auf virtuelle Währungen dar.

Ausgewählte Schwerpunkte der OK-Bekämpfung in Niedersachsen

Eigentumskriminalität

Die Anzahl der bearbeiteten Verfahren im Bereich der Eigentumskriminalität verringerte sich im Jahr 2017 von zwölf auf neun Verfahren. Auch die Anzahl der Tatverdächtigen ist von 119 auf 75 zurückgegangen. Gerade im Bereich der Eigentumskriminalität sind die Übergänge zwischen organisierter Kriminalität und der Straftatenbegehung durch mobile, organisierte Banden („Mobile Organized Crime Groups“ – MOCG) mittlerweile allerdings fließend. In der Folge wird eine Vielzahl von Verfahren nicht der OK zugerechnet, obwohl die Täter ähnlich organisiert und strukturiert vorgehen. Dabei ist die Bandbreite der Delikte groß und reicht von organisierten Ladendiebstählen über Auto- und Ladungsdiebstähle („Planenschlitzen“) bis hin zu Wohnungseinbrüchen und Geldautomatensprengungen.

Mit dem Ziel eines konzentrierten Vorgehens gegen organisierte Eigentumskriminalität werden in den Bezirken der niedersächsischen Generalstaatsanwaltschaften Braunschweig und Celle zum 1. Oktober 2018 Schwerpunktdezernate zur Verfolgung bandenmäßig begangener Wohnungseinbruchskriminalität eingerichtet. Zudem wird zum 1. September 2019 bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück für den Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Oldenburg eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft als Modellprojekt zur Verfolgung überregional agierender Banden eingerichtet werden. Hierfür werden landesweit neun zusätzliche Stellen für Staatsanwältinnen beziehungsweise Staatsanwälte geschaffen.

„Clankriminalität“

Das rechtswidrige Agieren krimineller Clans ist geprägt von einem hohen Abschottungsgrad, einem hohen Mobilisierungspotenzial innerhalb der vorhandenen Familienstrukturen sowie einer Ablehnung deutscher Gesetze und Normen. Um diesen Phänomenen angemessen zu begegnen, wurde in Niedersachsen zum 1. März 2018 eine „Landesrahmenkonzeption zur Bekämpfung krimineller Clanstrukturen“ in Kraft gesetzt. Diese dient der Gewährleistung landesweit einheitlicher Standards und verfolgt einen ganzheitlichen und niedrigschwelligen Bekämpfungsansatz. Durch eine intensive Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei sollen kriminelle Clanstrukturen erfolgreicher und bereits sehr niedrigschwellig, also schon weit unterhalb der „OK-Schwelle“, bekämpft werden. Nicht jedes Tätigwerden krimineller Clans ist allerdings als OK einzustufen. Im Jahr 2017 wurden acht OK-Komplexe gemeldet, bei denen die Tatverdächtigen in kriminelle Clanstrukturen eingebunden waren. Insgesamt wurde gegen 73 Tatverdächtige ermittelt. Diese agierten im Bereich der Rauschgiftkriminalität (sechs Verfahren), der Eigentumskriminalität (ein Verfahren) sowie der Wirtschaftskriminalität (ein Verfahren).

Trends in der OK-Bekämpfung

Facettenreichtum der Organisierten Kriminalität

Die OK in Niedersachsen birgt nach wie vor ein hohes Schadens- und Bedrohungspotenzial, die Erscheinungsformen sind dabei sehr facettenreich. Klassische Deliktsfelder der OK werden zwar nach wie vor bedient, es kommen allerdings immer wieder neue Phänomene und Varianten der Tatbegehung hinzu. Die Polizeien der Länder haben auf die hohe Dynamik in diesem Bereich reagiert und verfolgen einen projektorientierten Bekämpfungsansatz. Aktuelle Brennpunkte werden in einem regelmäßigen Austausch von Bund und Ländern identifiziert, um dann in projektierter Zusammenarbeit gegen diese vorzugehen. Auf neu auftretende Phänomene kann somit flexibel und schnell reagiert werden. Niedersachsen gestaltet auf diesem Wege die OK-Bekämpfung auch auf Bundesebene aktiv mit.

Internationalisierung der Organisierten Kriminalität

Eine zunehmende Anzahl von Ermittlungskomplexen der OK weist internationale Bezüge auf. Häufig sind die höheren Hierarchieebenen organisierter krimineller Strukturen im Ausland angesiedelt. Ein wesentliches Ziel der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist es, diese Strukturen zu erkennen und möglichst zu zerschlagen. Hierzu sind intensive Ermittlungen im Ausland und Kooperationen mit den Strafverfolgungsbehörden anderer Länder erforderlich. Um mit dem Trend einer zunehmenden Internationalisierung Schritt zu halten, werden sowohl im Bereich der Justiz als auch im Bereich der Polizei die Wege der internationalen Zusammenarbeit stets weiter ausgebaut. Die Möglichkeiten reichen hier von einem grenzüberschreitenden Austausch von Daten und vorhandenen Erkenntnissen bis hin zu konkreter gemeinsamer Ermittlungsarbeit sowohl in polizeilicher als auch in justizieller Hinsicht.

Auswirkungen der Digitalisierung

Der OK zuzuordnende Täter machen sich die Möglichkeiten der Digitalisierung mehr und mehr zunutze. Sowohl im Bereich von Cybercrime-Ermittlungen als auch in Verfahren, die klassische Delikte zum Gegenstand haben, müssen Polizei und Justiz Herausforderungen im Handling großer Datenmengen sowie im Umgang mit virtuellen Währungen und täterseits genutzter Verschlüsselungs- und Anonymisierungssoftware bewältigen. Die Ermittlungsbehörden begegnen diesen Anforderungen, indem sie ein effektives Informations- und Datenmanagement aufbauen und verstärkt auf externe Fachkräfte und wissenschaftliche Expertise zurückgreifen.

Die Organisationsstrukturen wurden in den vergangenen Jahren in Form der Einrichtung von Zentralstellen angepasst. Die niedersächsische Justiz hat bereits vor mehreren Jahren die Staatsanwaltschaften in Göttingen, Osnabrück und Verden als Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung der Kriminalität im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnik (IuK-Kriminalität) auserkoren. Sie werden unterstützt durch die Zentrale Stelle Organisierte Kriminalität und Korruption (ZOK) bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle, die einen ihrer Schwerpunkte im Phänomenbereich der IuK-Kriminalität hat. Vergleichbare Organisationseinheiten existieren auch auf Seiten der Polizei.

Die niedersächsische Justiz beteiligt sich unter anderem durch Einbringung von Expertenwissen an der länderübergreifenden Arbeitsgruppe „Digitale Agenda für das Straf- und Strafprozessrecht“, die im Auftrag der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister eingerichtet worden ist und deren Ziel es ist, konkrete Vorschläge für mögliche Gesetzesänderungen zur intensiveren Bekämpfung der IuK-Kriminalität zu erarbeiten.

Die Polizei Niedersachsen arbeitet neben der Mitwirkung an bundesweiten Expertengremien intensiv an der Entwicklung eigener Software-Lösungen und nimmt damit eine Vorreiter-Rolle ein. Darüber hinaus wurden zusätzliche Stellen für IT-Spezialisten geschaffen. Dieser Weg wird auch im Jahr 2018 fortgesetzt. Das Innenministerium wird noch einmal sowohl dem Landeskriminalamt Niedersachsen als auch allen regionalen Polizeidirektionen zusätzliche Stellen für IT- und Datenspezialisten zur Verfügung stellen und damit ihr Ermittlungs- und Analyseportfolio maßgeblich erweitern. Darüber hinaus werden Experten für Finanzkriminalität eingestellt, die sich unter anderem mit illegalen Finanzströmen im Bereich der virtuellen Währungen befassen werden.

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