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Bekämpfung von Cyber-Kriminalität durch Vor-ratsdatenspeicherung

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27.05.2011; Fragestunde Nr. 28


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Grant Hendrik Tonne, Daniela Behrens, Sigrid Leuschner, Wiard Siebels, Hans-Dieter Haase (SPD); Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Hintergrund der Fragen ist die durch die Öffentlichkeit geisternde Behauptung, bei Internetflatrates könnten Straftaten seit dem Ende der Vorratsdatenspeicherung nicht mehr aufgeklärt werden, worunter insbesondere die Aufklärung des Austauschs von Kinderpornografie im Internet leide. Die angefragten Informationen, die bislang in dieser Form nicht vorliegen, können eine sachliche Überprüfung solcher Behauptungen ermöglichen.

Vor dem Hintergrund der laufenden Gesetzesvorbereitungen kann nicht abgewartet werden, bis das Bundeskriminalamt im Sommer bundesweite Zahlen vorstellt.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie viele polizeiliche Ermittlungsverfahren mit der Kennung „Tatmittel Internet“ wurden landesweit in den Jahren 2008, 2009 und 2010 jeweils geführt, und wie sieht die polizeiliche Aufklärungsquote in diesen Jahren aus?
  2. Wie viele polizeiliche Ermittlungsverfahren wegen Verbreitung kinderpornografischer Schriften (PKS-Schlüssel 143200, 143300 und 143400) mit der Kennung „Tatmittel Internet“ wurden landesweit in den Jahren 2008, 2009 und 2010 jeweils geführt, und wie sieht die polizeiliche Aufklärungsquote in diesen Jahren aus (summarisch)?
  3. Wie beurteilt die Landesregierung das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, wonach „zweifelsfrei“ keine Ausgestaltung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung möglich sei, die eine Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta sicherstellte?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Zur Frage der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Wiedereinführung von Mindestspeicherungsfristen von Telekommunikationsverkehrsdaten hat sich die Landesregierung bereits mehrfach geäußert. Insoweit wird auf die Antworten auf die Mündliche Anfrage Nr. 39 im April-Plenum 2011 und die Mündliche Anfrage Nr. 38 im April-Plenum 2010 sowie auf die Antwort auf die Kleine Anfrage "Wie weiter mit der Vorratsdatenspeicherung?" vom 07.12.2010 (Landtagsdrucksache 16/3056) verwiesen.

Erhebliche Auswirkungen im Hinblick auf die Aufklärungsquote bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Tatmittel Internet begangen wurden, sind für das Jahr 2010 nicht festzustellen. Dies liegt zum einen darin begründet, dass sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2010, welches ein ersatzloses Wegfallen der als so genannte Vorratsdaten gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten zur Folge hatte, erst verzögert auswirkt. So wurden letztes Jahr noch zahlreiche Verfahren abgeschlossen, bei denen die IP-Adressen schon vor der Entscheidung festgestellt worden waren. Zum anderen bildet die Aufklärungsquote das Verhältnis zwischen eingeleiteten und aufgeklärten Verfahren ab. Wenn jedoch wegen fehlender Vorratsdaten keine Verfahren eingeleitet werden können, zeigt dies keine negativen Auswirkungen auf die Aufklärungsquote.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Aus der nachstehenden Tabelle ergeben sich die Anzahl der in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfassten und stetig zunehmenden Fälle unter Nutzung des „Tatmittels Internet“ und die hierzu erreichte Aufklärungsquote für den angefragten Zeitraum.

2008

2009

2010

Anzahl der Fälle

25.885

31.109

48.275

Aufklärungsquote zu dieses Fällen

86,03%

83,36%

87,30%

Zu 2.:

In der PKS werden die einzelnen Straftatbestände des Strafgesetzbuches und der sonstigen Nebengesetze nach bundesweit einheitlichen numerischen Werten, den so genannten PKS-Schlüsselzahlen, in unterschiedlichen Straftatengruppen erfasst. Die angefragten PKS-Schlüsselzahlen bilden nicht nur, wie in der Frage formuliert, die Verbreitung von kinderpornografischen Erzeugnissen (Schlüsselzahl 143400) ab, sondern auch alle Fälle von gewerbs- bzw. bandenmäßigem Handeln (Schlüsselzahl 143200) sowie den reinen Besitz bzw. das Verschaffen kinderpornografischen Materials (Schlüsselzahl 143300). Weitere Informationen sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

2008

2009

2010

Fälle unter Nutzung des „Tatmittels Internet“

1011

581

511

Aufklärungsquote dieser Fälle

90,11%

88,64%

82,97%

Zu 3.:

Eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 25.02.2011 „Zur Vereinbarkeit der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten mit der Europäischen Grundrechtecharta“ kommt zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie eine erhebliche Grundrechts-relevanz aufweist, ein offensichtlicher Verstoß gegen die Grundrechtecharta aber nicht vorliegt. Lediglich mit Blick auf den Grundsatz der Berufs- und wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit – hier geht es um die Kostenbelastungen für die Telekommunikationsunternehmen und nicht um die Eingriffe in die Datenschutzgrundrechte – äußert der Verfasser Zweifel an der Vereinbarkeit der Richtlinie mit der Grundrechtecharta. Derzeit lasse sich nicht mit Sicherheit sagen, dass die Richtlinie in ihrer derzeitigen Fassung in diesem Punkt mit der Grundrechtecharta in Einklang zu bringen sei. Aus Sicht der Landesregierung stellt die EU-Grundrechtecharta hinsichtlich der so genannten Vorratsdatenspeicherung keine anderen Anforderungen als der Grundrechtsteil des Grundgesetzes. Hierzu liegt die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 02.03. 2010 vor.


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erstellt am:
27.05.2011

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